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Einfach zu groß für Österreich

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Nipht nur politisch ist der Bau des Wiener Konferenzzentrums umstritten. Kreiskys ehrgeiziger Plan hat mit der Bauwirtschaft eines gemeinsam: beide sind zu groß für Österreich.

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Nipht nur politisch ist der Bau des Wiener Konferenzzentrums umstritten. Kreiskys ehrgeiziger Plan hat mit der Bauwirtschaft eines gemeinsam: beide sind zu groß für Österreich.

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„Großbauvorhaben werden nur auf Großfirmen konzentriert und wirken durch den mörderischen Konkurrenzkampf selbstzerstörend." Julius Thurnher, Geschäftsführer der Alco-Bauele-mente Handelsgesellschaft, ist skeptisch.

Kanzler Bruno Kreisky ist optimistisch: Am Bau des Konferenzzentrums neben den drei Türmen der UNO-City an der Wiener Donau soll die Bauwirtschaft gesunden. „Das ist eine ungeheure Beschäftigungsreserve."

Eine Beschäftigungsreserve, die jetzt, alarmiert durch steigende Winterarbeitslosigkeit, erschlossen werden soll: 35.000 bis 40.000 Bauarbeiter waren im Dezember 1981 unter den 119.500 statistisch erfaßten Arbeitslosen (1980: 22.000). Im laufenden Jänner rechnen Experten, daß von den rund 150.000 Arbeitslosen rund jeder dritte seinen Arbeitsplatz am Bau verloren hat.

Allerdings: Gegen diese Winterarbeitslosigkeit hilft auch der Bau des Wiener Konferenzzentrums nicht. Denn vom raschen Baubeginn kann keine Rede sein.

„Es ist überhaupt noch nichts gediehen", bremst Michael Aura-cher, Vorstandsmitglied der Internationalen Amtssitz und Konferenzzentrum Wien AG, übertriebene Erwartungen.

„Wir haben noch keine Bauverhandlung gehabt, die müssen wir zuerst abführen. Und wenn die zu alleseitiger Zufriedenheit verläuft, dann müssen wir mit den Ausschreibungsarbeiten für den Roh- und Stahlbau beginnen Dann kommt das Vergabeverfahren. Das heißt: Es wird also ungefähr September, bis wir mit dem Bau beginnen können. Schneller geht das einfach nicht."

Wohl aber, was Auracher im FURCHE-Gespräch nicht dazu-sagte, langsamer: Denn seit dem AKH-Skandal ist man bei Auftragsvergaben in solchen Dimensionen vorsichtig geworden.

900 Millionen Schilling würden dann für den Rohbau fließen, den wohl Großfirmen im Wiener Raum an Land ziehen dürften, weitere 500 Millionen Schilling könnten für den Stahlbau veranschlagt werden: Nutznießer könnte die verstaatlichte Stahlindustrie in der Obersteiermark werden.

Allerdings: Wenn der Bau gegen die Winterarbeitslosigkeit helfen soll, dann erst gegen die zur Jahreswende 1982/83.

Durch ein solches Projekt werden die eigentlichen Probleme der Bauwirtschaft aber nur aufgeschoben: es sind Strukturprobleme. Die Branche hat aus den siebziger Jahren Uberkapazitäten ins neue Jahrzehnt hinübergerettet.

Schon einmal, Mitte der sechziger Jahre, stand sie vor ähnlichen Problemen. Was sollte nach dem Wiederaufbau noch gebaut werden?

Es wurde gebaut, mehr denn je. Bis 1973 expandierten die Bauinvestitionen ausgesprochen stark. Die Firmen investierten in Maschinen und bauten die Beschäftigung aus: mehr als wirtschaftlich gesund war.

Dann kam der Olschock, die Baubremse. Nach der Uberhit-zung der Baukonjunktur folgte die Abkühlung. Weder private Investoren noch öffentliche Haushalte verfügen über jene Mittel, um die überdimensionale Kapazität auszuschöpfen. Seit 1978 gibt es daher die längste Stagnation der Nachkriegszeit.

Und trotzdem gibt es noch Beschäftigungsreserven: Wirtschaftsforscher Karl Musil ist überzeugt, daß die „Infrastrukturinvestitionen sicherlich noch nicht am Ende sind." Er verweist auf die Fertigstellung von Autobahn- und U-Bahnprojekten, die bisher an Finanzierungsfragen gescheitert sind. „Und deutliche Standardschwächen gibt es auch noch im Wohnbau — da wäre einiges drinnen."

Trotzdem meint er, „obwohl das keinen Bauarbeiter tröstet: Die Bauwirtschaft muß schrumpfen."

Winterarbeitslosigkeit am Bau hat es immer gegeben: Vor allem in den westlichen Bundesländern ruht über die Wintermonate der große Baubetrieb.

Auch in früheren Jahren erreichte dadurch die saisonale Arbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft rund 40.000. In den siebziger Jahren konnte sie aber auf nur über 30.000 gedrückt werden: Nicht etwa, weil die Konjunktur so gut gewesen wäre, sondern weil über die Wintermonate Gastarbeiter in die Heimat geschickt wurden. Wir haben unsere Arbeitslosigkeit exportiert.

Zusätzlich zur saisonalen Arbeitslosigkeit am Bau rechnen Experten im heurigen Jänner mit 15.000 konjunkturellen Arbeitslosen in diesem Bereich.

Wobei sich auch eine Verhaltensänderung in den Zahlen niederschlagen dürfte: Haben früher Bauunternehmer gute Arbeitskräfte, um sie nicht zu verlieren, auch wenig beschäftigt über den Winter behalten, sind jetzt dafür die finanziellen Möglichkeiten beschränkt.

Eines ist sicher: Der Bau-Boom der frühen siebziger Jahre läßt sich nicht wiederholen, auch nicht durch den Bau des Konferenzzentrums. Das strukturelle Problem wird damit nur kurzfristig vertagt, ohne daß kurzfristig den Saisonarbeitslosen geholfen werden kann.

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