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Einheit oder Spaltung?

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Auf den gegenüberliegenden Hängen eines Talkessels im Herzen der Schuf-Berge erheben sich die maronitische Klosterfeste von Deir al-Kamar und die Glaubensburg der drusischen Religions- und Volksgemeinschaft, das viereckige Beit ed-Din. Es handelt sich hier um eine jahrhundertealte Stätte der Begegnung, aber auch der Zusammenstöße zwischen den traditionell entscheidenden Trägern libanesi-

scher Eigenart und später Eigenstaatlichkeit, zwischen katholischen Maroniten und schiitischen Drusen. Die ersten gehen auf den heiligen Maron im 7., letztere auf Muhammad Ibn Ismael Darasi im 11. Jahrhundert zurück.

Von Ibn Ismael Darasi wurden Reste altorientalischer Volksreligion mit der schiitischen Messias-

Erwartung des „verborgenen Imam“ zu einem Mysterienglauben verbunden, der sich vor den Verfolgungen der orthodoxen islamischen Umwelt nur in den Rückzugsgebieten der syrischen Hauran-Berge, auf den Golan- Höhen und hier im Libanon erhalten konnte. Im Schuf entstanden dann auf dem Boden eines Heiligtums der phönizischen Mondgöttin sowohl das maronitische Mond-Kloster, was nämlich der arabische Name Deir al-Kamar bedeutet, wie das Glaubenshaus der Drusen, das Beit ed-Din.

Beide Stätten sind seit dem 18. Jahrhundert zu einer Art Schlüssel und Symbol für das gute oder böse Verhältnis zwischen christli chen und drusischen Libanesen geworden:

Hier war zunächst das Fundament für den späteren nationalen Pakt von Maroniten und Drusen durch einen Emir gelegt worden, der die gemeinsame politische Führung übernahm und sich dafür auch zum christlichen Glauben bekannte. Ein Frieden, den nicht einmal der große .libanesische Bürgerkrieg von 1975 76 zu erschüttern vermochte.

In diesem abgelegenen Tal hatten der maronitische Ex-Präsi- dent Camille Schaamun, dessen Stammsitz sich in Deir al-Kamar befindet, und der alte, dann 1977 aus dem Hinterhalt ermordete Drusenfürst Kamai Dschumblat,

die Freundschaft aus den Tagen von Emir Beschir Schehab erneuert und den sonstigen Vernichtungskampf zwischen christlichen und links-muslimischen Milizen sowie Palästinensern jenseits der Wälder und Schluchten gehalten, die den Kessel von Beit ed-Din abschirmen.

Heute verläuft hier aber die neben Beirut wichtigste Konfrontationslinie zwischen der christlichsunnitischen Zentralregierung von Präsident Amin Dschumael und den Drusen samt den Verbündeten aus Syrien und Iran sowie von der PLO. An ihrer Spitze steht eben nicht mehr Dschumblat sen. mit seinen Idealen von der gemeinsamen Zukunft aller Volks- und Glaubensgruppen Libanons, sondern sein Sohn und Nachfolger Walid.

Auf der anderen Seite hat sich auch droben in Deir al-Kamar so gut wie alles verändert. Zwar werden Stadt und Festung auch jetzt von Milizerl der „Libanesischen Streitkräfte“ verteidigt, die sich — nicht zu verwechseln mit der regulären Armee — theoretisch aus den Phalangisten der Dschumaels und der Miliz von Schaamun zusammensetzen. Letztere war aber schon 1976 aus Deir al-Kamar abgezogen und bis zum Einfall der Israelis im Vor jahr durch Regierungstruppen ersetzt worden.

Die Getreuen Schaamuns wurden bei Dschunije nördlich von Beirut stationiert und dort später von ihren phalangistischen Bundesgenossen im Schwimmbecken der Aquamarina durch Maschinengewehrsalven und Genickschüsse liquidiert. Seit Juni 1982 stehen in Deir al-Kamar ausnahmslos Phalangisten, und zwar dem Vernehmen nach ausgerechnet jene Kommandos, die schon die Mordaktion gegen die Familie des zweiten christlichen Rivalen der Dschumaels, von Suleiman Frandschie, auf dem Gewissen haben.

So tobt nun seit dem Teilrückzug der Israelis aus dem Schuf hinter den Awali-Fluß zwischen Deir al-Kamar und Beit ed-Din ein gnadenloser Krieg. Besonders tragisch ist das Los der vielen christlichen Flüchtlinge aus der Umgebung, die in der maronitischen Klosterstadt Zuflucht gesucht haben. Ihre Zahl wird zwischen 25.000 und 50.000 geschätzt.

Deir al-Kamar und Beit ed-Din sind eben ein gutes wie ein schlechtes Beispiel für das ganze maronitisch-drusische Verhältnis. Und hier werden erneut die Weichen für Libanons Einheit oder endgültige Teilung gestellt.

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