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Einklang der Empfindungen

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Eines der großen Musikfilmprojekte von ORF und Unitel ist abgeschlossen: Leonard Bernsteins Verfilmung der Symphonien Gustav Mahlers ist mit dieser Aufzeichnung der „Sechsten“ mit den Wiener Philharmonikern im Musikverein komplett. Beethovens Symphonien und „Fddelio“ werden bereits als nächstes Wiener Großprojekt des Maestros angekündigt. Allerdings nur als Platteneinspielung, und diesmal nicht bei Bernsteins Exklusivfdrma CBS, sondern erstmals bei der Deutschen Grammophon.

Unter allen Wiener Mahler-Aufnahmen Bernsteins war dies bestimmt eine der eindrucksvollsten: Probleme zwischen Philharmonikern und Bernstein scheint es nicht mehr zu geben. Der Gleichklang der Empfindungen dominiert.

Bernstein scheint eine Phase der Beruhigung auszukosten. Und gerade ein Vergleich dieses „Philharmonischen“ mit Bernsteins Plattenaufnahme der „Sechsten“ (mit den New Yorker Philharmonikern) zeigt, wie sehr er sich als Dirigent gewandelt hat. Der theatralische Ekstatiker, der Mahlers Musik stellenweise bis zum Orkan steigert und sich auch in Mahlers Melancholie selbst zu verschwelgen bereit ist, hat einen Zug kritischer Distanz hinzugewonnen.

Natürlich pumpt er auch hier dep ersten und vierten Satz mit Dramatik voll. Selbstverständlich, daß er die donnernde Klanglawine des Finales — man hat es oft als „überinstrumentiert“ bezeichnet — in eine flimmernde, gleißende Lichtflut taucht. Das Sperrige, die harten Blöcke und Brocken, etwa des ersten Satzes, prallen abrupt aufeinander. Nervös rasseln die Herdenglocken über der zuckenden Klaniglandschaft. Aber Mahlers Werk wirkt hier klar wie ein Kristall, in dessen Facettenschliff sich ständig Strahlen brechen.

Bernstein lockt zwar die Philharmoniker immer wieder aus der Reserve, er ringt ihnen Blechexplosionen und schmerzliche Seelenaufbrüche ab, aber zugleich nimmt er überall zurück, dämpft zuviel Goldglanz, fängt zuviel Schwung ab, um behutsamer modellieren zu können. Die Kraftleistung von früher ist einer kritischen Behutsamkeit gewichen, das große Pathos einer Verinner-lichung. Mahler — perfekt proportioniert, klanglich ideal ausgelotet: Das bescherte diese Aufführung. Das Publikum allerdings, das mit diesem Werk seit eh und je schwerer zu-rande kommt als mit den übrigen Mahler-Werken, verhielt sich eher reserviert.

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