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Einladung zum Staunen

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Im Prospekt wird das letzte Buch von Joachim Illies, Professor für Ökologie und Zoologie, als Sachbuch angekündigt. Mir erscheint „Das Geheimnis des Grünen Planeten” jedoch eher die von einem Wissenschaftler verfaßte Hymne auf die Vielfalt, Schönheit und Geordnetheit des Lebens rund um uns zu sein.

Endlich einmal wird nicht nur das Allgemeine an den Erscheinungen hervorgekehrt, sondern der Blick auf das Besondere gelenkt. Diese Sicht auf das Besondere lehrt auch wieder das Staunen, das uns heute vielfach abhanden gekommen ist. Zu staunender Bewunderung lädt Illies aber den Leser ein, indem er ihn durch die Fülle geheimnisvoller Erscheinungen des Lebendigen führt.

Geheimnisvoll ist schon der Begriff Leben selbst, von keinem Biologen zu definieren, trotz intensivster Forschung unfaßbar. Sicher kann man Bewegung, Stoffwechsel, Reizempfinden, Fortpflanzung, Bewegung als Merkmale dieses Zustandes Leben herausstellen, die mit dem Tode wegfallen. Wie aber steht es mit Bakterien, die — seit vielen Millionen Jahren in Steinsalz eingebettet - alle diese Merkmale nicht haben, sie aber in der Berührung mit Wasser wiedergewinnen? Waren sie lebendig?

Geheimnisvoll ist auch die Besonderheit der Bedingungen, die auf unserer Erde gegeben sein müssen, um Leben zu ermöglichen: die richtige Entfernung zur Sonne und der Wechsel von Tag und Nacht verhindern, daß die tödliche Kälte des Weltalls oder die versengende Hitze der Strahlung Leben unmöglich machen; die richtige Größe verhindert das Entweichen der Gase in den Weltraum; ein kräftiges Magnetfeld schützt uns vor Weltraumstrahlen.

Viele „Zufälle” sind das, die das Leben, das eigentliche Geheimnis des Grünen Planeten ermöglichen.

Auch die Entstehung des Lebens ist in das Dunkel des Geheimnisses gehüllt. Sicher können wir Evolution in dem Sinne beobachten, daß immer größere Vielfalt und Komplexität im Zeitablauf auftritt 370.000 Pflanzen-und Tierarten sind uns heute bekannt. „Diese ungeheure Vielfalt ist... Ausdruck einer unermeßlich kraftvollen Wirklichkeit, die unseren Planeten kennzeichnet. .., der die Menschen mit der Vorstellung einer ordnenden Absicht, eines Schöpfers, näher sind als mit dem Modell eines blind um sich tastenden Zufalls...”

Illies will vor allem auch das Besondere am Menschen herausarbeiten, der eigentlich im Vergleich zu den übrigen Lebewesen der ganz Andere ist: „Dieses Ganz-anders-Sein kennzeichnet ihn mehr als alle Organgleichheit und läßt eigentlich nur die erstaunte Frage zu, warum eigentlich ein Wesen, das so wenig Tier ist (und sein will) wie der Mensch, dennoch soviel Ähnlichkeit und Verwandtschaft mit dem Tier aufweist.”

Diese in Buchform erschienene Aufsatzsammlung des heuer im Juni verstorbenen Biologen kann in gewisser Hinsicht als sein Nachlaß angesehen werden. Vielleicht sollten wir deswegen auch den Abschluß des letzten Kapitels „Gefährdetes Leben” mit besonderem Ernst zur Kenntnis nehmen: „Der Grüne Planet mag einmalig sein oder nicht — für uns ist er sosehr die einzige Chance wie wir für ihn. Nur im harmonischen Miteinander von Mensch und Erde wird das gelingen können, worauf das ängstliche Harren der Kreatur hofft: einen Ort im Kosmos zu bewahren und zu bebauen, an dem die Evolution ihr hohes, nicht von uns, sondern von Gott gestecktes Ziel erreichen soll.”

DAS GEHEIMNIS DES GRÜNEN PLANETEN. Von Joachim Illies. Umschau Verlag, Frankfurt 1982. 248 Seiten. öS 280,-.

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