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Einst und vormaleinst
Das Theater hat nicht die Aufgabe, szenischen Geschichtsunterricht, historisierend Rückblicke auf versunkene Gesellschaftsstrukturen zu bieten. Aber es kann ein Gefühl der Verwandtschaft mit bestimmten Phasen der menschlichen Entwicklung geben, das solche Rückblicke rechtfertigt. Die Diskussion, wie Tschechows Stücke aufzufassen, zu inszenieren sind, verebbt kaum. Seine Bilder aus dem Landleben, „Onkel Wanja“, vor etwas mehr als vier Jahren im Theater in der Josefstadt aufgeführt, sieht man nun im Akademietheater.
Das Theater hat nicht die Aufgabe, szenischen Geschichtsunterricht, historisierend Rückblicke auf versunkene Gesellschaftsstrukturen zu bieten. Aber es kann ein Gefühl der Verwandtschaft mit bestimmten Phasen der menschlichen Entwicklung geben, das solche Rückblicke rechtfertigt. Die Diskussion, wie Tschechows Stücke aufzufassen, zu inszenieren sind, verebbt kaum. Seine Bilder aus dem Landleben, „Onkel Wanja“, vor etwas mehr als vier Jahren im Theater in der Josefstadt aufgeführt, sieht man nun im Akademietheater.
In diesem Stück verdichtet sich ebenso leise und behutsam wie eindringlich in fast allen Gestalten die seelische Situation der herrschenden Kreise Rußlands um die Jahrhundertwende. In ihnen ersteht das leidvolle Wissen um die eigene Schwäche, die Hoffnungslosigkeit, dem Leben einen Sinn geben zu können. Immer wieder war man bestrebt, aktiv-optimistische Kräfte in diesem Stück zu entdecken, Andeutungen gibt es, doch besagen Sonjas entscheidende Worte am Schluß, man müsse arbeitend weiterleben, man werde gehorsam sterben und dann ein „lichtes, schönes, feines Leben“ im Jenseits erblicken. Arbeit ist da wehmütige Betäubung, nicht mehr, also erweist sich auch hier die Ratlosigkeit, das eigene Leben „glückvoll“ zu gestalten. Diese Ratlosigkeit läßt sich nicht einfach durch fortschrittliche politische Maßnahmen aufheben, sie sitzt tiefer. Und damit ergibt sich die Nähe zu heutigen Menschen, bei denen man langsam merkt, wie sie, nun erdrückt von unserer rasanten Zivilisation, dieser Übergewalt des Nur-noch-Rafcionalen. ebenfalls unbefriedigt, ratlos werden.
Die Aufführung unter der Regie von Leopold Lindtberg ist antithetisch angelegt: Immer wieder ertrinken die Worte im Schweigen der Hilflosigkeit, seelische Leere breitet sich beinahe sichtbar über die ganze Szene, dagegen steht Wanja, den Josef Meinrad in unentwegt exaltierter Aufgeregtheit spielt, was in der Schußszene noch besonders hoch getrieben wird, dagegen steht Alexander Trojans sehr selbstsicher aktiver Landarzt Astrow, der von völliger Hoffnungslosigkeit wie unbeteiligt spricht. Man kann sich die beiden auch anders dargestellt denken. Paul Hoff mann macht die würdevolle Hohlheit des Professors überaus glaubhaft. Trefflich: Sonja Sutter als seine hübsche, gelangweilte Frau. Inge Konradi als seine unhübsche, tapfer gegen Verzweiflung ankämpfende Tochter. Vorzüglich kennzeichnet Günther Schneider -Siemssen die Gefahr der Trostlosigkeit durch die Leere der Räume, durch die trübe Farbe des Verfalls. *
Von den 83 Stücken, die Nestroy geschrieben hat, wurden in den letzten beiden Jahrzehnten zahlreiche nur noch den Literarhistorikern bekannte in Wien wiederaufgeführt. Dazu gehört auch die Posse mit Gesang in neun Bildern „Heimliches Geld, heimliche Liebe“, die zu Lebzeiten Nestroys abfiel, damals nur dreimal auf die Bretter gelangte und seither wohl lediglich einmal vor fünfzehn Jahren in Helmut Matia-seks „Kaleidoskop“' wieder inszeniert wurde. Der damalige Erfolg bestätigt sich nun erst recht im Volkstheater.
Eine Besonderheit kennzeichnet diese Posse: Nicht die einst von Nestroy, sondern die von Wenzel Scholz dargestellte Gestalt ist die zentrale, der vormalige Krämer Dickkopf, ein schuftig intriganter Kerl, der in seiner schmalzig-behäbigen, vitalen und doch mitunter sich selbst weinerlich bedauernden Art komisch wirkt. Dadurch, daß er Briefe fälscht, den Stiefsohn um sein Erbe betrügen will und auch noch seinen Neffen bestiehlt, hält er die Possenmaschinerie in Gang.
Ihm gegenüber hat — Nestroy-Rolle — sein Stiefsohn, der Kupferschmiedgeselle Kasimir, einnehmend Unmittelbarkeit und Frische einzusetzen, die er benötigt, um die Anschläge des gemütlich-heuchlerischen Stiefvaters abzufangen. Er gewinnt die Herzen, wenn er gleich eingangs berichtet, welche Vorteile ein dummes Mädl als Geliebte bietet. Man muß ihm recht geben, die Dummheit ist eine Gabe der Natur, es liegt „nix Einstudiertes drin“. Die Turbulenz der Begebnisse ermattet nur in der Mitte des Stücks, eine der Szenen wäre da zu streichen. Die Menschen finden wir überaus unterhaltsam, der Wortwitz erreicht nicht ganz die Dimension wie in Nestroys besten Possen, aber es gibt Facettiertes, das mitunter in Kaskaden auf uns niederstürzt.
Gustav Manker hat als Regisseur die leichtgewichtige Hand für Nestroy, den Sinn für das schärf geschliffene Wort. Es gibt treffliche Besetzungen. Heinz Petters eignet für den Kasimir die nötige Durchschlagskraft, Herbert Propst vereint das Gemütliche mit dem sozusagen unschuldig Verschlagenen. Drollig wirkt Brigitte Swoboda als das gar nicht so dumme „dumme Mädl“. Hilde So-chor, Peter Hey, Rudolf Strobl profilieren vorzüglich weitere Gestalten. Ansprechende Bühnenbilder entwarf Maxi Tschunko. Die Musik der Uraufführung von Carl Binder hat Wolter Heidrich für zwei Klaviere durch Motive von Adolf Müller wirkungsvoll ergänzt, nur wird bei den Couplets zu laut gespielt.
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