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Einwandfreie Unterhaltung

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Wo hat die christliche Botschaft in den elektronischen Medien Platz? Genügt es, wenn sie via ORF-Religionsabteilungen die ,,in der Wolle gefärbten“ Christen erreicht?

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Wo hat die christliche Botschaft in den elektronischen Medien Platz? Genügt es, wenn sie via ORF-Religionsabteilungen die ,,in der Wolle gefärbten“ Christen erreicht?

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Einen interessanten Streit um die Besitzverhältnisse des privaten Fernsehsenders „Tele Uno“, der von Italien aus nach Kärnten einstrahlt, meldete am 11. Dezember der „Kurier“: 51 Prozent des Senders gehörten bisher dem Klagenfurter Willi Weber, der Rest dem Industriellen Kurt Geißler. Letzterer habe nun, ohne Weber zu fragen, dessen 51 Prozent um 18 Millionen Schilling an die Salzburger Briefkastenfirma „Glück-Holding“ verkauft, hinter der sich möglicherweise eine bekannte Sekte versteckt.

Diese Zeitungsmeldung wirft für alle an der Medienpolitik interessierten Christen ein Schlaglicht besonderer Art auf die in Bewegung geratene Landschaft der elektronischen Medien: • Auf der einen Seite wird zwar dem neuen ORF-Generalintendanten Thaddäus Podgorski Gesprächsbereitschaft auch in Richtung Kirche attestiert, doch wäre Gesprächsbereitschaft dann nicht ausreichend, wenn jene recht bekommen sollten, die von einer offenkundigen Fernsteuerung des ORF durch das SPÖ-Sekretariat in der Löwelstraße sprechen. • Auf der anderen Seite: Soll die Kirche, die katholische wie die evangelische, einen ähnlichen Weg gehen wie die diversen Fernsehkirchen in Amerika, die über viel Einfluß und Geld verfügen? Soll sie nur auf das Pferd der öffentlich-rechtlichen Anstalten, also bei uns auf den ORF, setzen? Oder soll sie in einer sehr natürlichen Form die „Neuen“, die privaten Anstalten, in ihren Auftrag zur Verkündigung der. Frohen Botschaft einbeziehen?

Die Kirche (Bischöfe, kirchliche Medienstellen, Laien) wird von der Realität ausgehen müssen, daß das Monopol des ORF faktisch beseitigt ist, daß die Österreicher in einem weiter steigenden Ausmaß ihren Informati-ons- und Unterhaltungsbedarf mit TV- oder Hörfunkprogrammen decken, die in grenznahen Gebieten ganz normal oder in den Ballungsgebieten über Kabelnetze empfangbar sind. All diese Rundfunkveranstalter wird man in die Überlegungen der kirchlichen. Medienarbeit einbeziehen müssen, egal, ob dies allen Verantwortlichen im ORF restlos gefällt oder nicht.

All die anderen hochfliegenden Träumereien nach kircheneigenen Hörfunk- und Fernsehanstalten, ja gleich nach katholischen und evangelischen Satelliten, würde ich im Reich der Träume belassen; dies nicht nur wegen der exorbitanten Kosten (die private TV-Anstalt „Sat 1“ in der BRD rechnet für 1987 mit Jahrespro-grammkosten von umgerechnet 1,05 Milliarden Schilling, kaum zehn Prozent davon dürften über Werbeeinnahmen eingespielt werden), sondern auch noch aus dem viel wichtigeren Grund des kirchlichen Selbstverständnisses:

So wie Kirche nicht nur im ummauerten, festgefügten Gotteshaus, sondern im täglichen Leben stattfindet und sich bewähren muß, so sollte sich die Kirche auch nicht auf die geschützte Frequenz eines ausschließlich religiösen Hörfunk- oder TV-Angebotes zurückziehen. Eine solche Vorgangsweise könnte man als Zeichen der Mutlosigkeit und als Verzicht darauf verstehen, mit all den verwirrenden, verirrenden, aber auch hoffnungsfrohen Strömungen unserer Zeit die Auseinandersetzung zu suchen.

Also bitte: keine medialen Schrebergärtlein der Christen in unserem Land, aber hinein in die elektronischen Medien, als Gesprächspartner, als Anreger, als Mitwirkende, als Gestalter, als Künstler, als Journalisten, aber vor allem als Menschen, denen der Taufschein mehr als ein Stück Papier ist.

Das vorhin Gesagte gilt auch sinngemäß für den ORF. Die Abteilungen Religion in Hörfunk und Fernsehen sind unverzichtbare und höchst wertvolle Einrichtungen, die qualifizierte Arbeit leisten, die gewissermaßen zu anerkannten , Umschlagplätzen der Nachrichten und Hintergrundinformationen für alle interessierten, also in der Wolle gefärbten, Christen geworden sind. Aber oft eben nur für die in der Wolle gefärbten.

Zufriedenheit mit den kirchlichen Sendeleisten allein ist zuwenig, ebenso scheint es mir fehl am Platze zu sein, Vorurteile der neuen ORF-Führung gegenüber zu pflegen. Ich sehe einen dritten Weg: nämlich mit dem neuen Generalintendanten, mit seinen führenden Mitarbeitern und mit den Kuratoren wie mit der Hörer- und Sehervertretung einmal die Frage zu erörtern, ob denn der ORF seinem gesetzlichen Auftrag, den Buchstaben wie dem Geist des Gesetzes, noch nachkommt.

Wie sieht nun dieser gesetzliche Auftrag aus? Paragraph 2, Absatz 3, des Rundfunkgesetzes 1974 lautet: „Bei der Planung des Gesamt-

Programms ist die Bedeutung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften angemessen zu berücksichtigen.“ Das Wort „Gesamtprogramm“ sagt zweifelsfrei aus, daß es hier nicht nur um die Sendungen der Abteilung Religion, sondern eben um das gesamte Programm geht. Aber was ist eine „angemessene“ Berücksichtigung?

Genaueres als das Rundfunkgesetz sagen die „Programmrichtlinien“ aus. Ihnen entnehmen wir, daß in der Frage der oben zitierten „angemessenen Berücksichtigung“ nicht nur „die durch diese Institutionen gesetzten Ereignisse in ihrer gesellschaftspolitischen Relevanz, sondern auch die Glaubensinhalte... zu berücksichtigen“ sind. Ansonsten scheinen mir die Programmrichtlinien zu sehr auf die Nachrichten-Sendüngen einzugehen und zuwenig auf andere Programm-Elemente, wie etwa die Unterhaltung.

Zum Bereich „Unterhaltung“ sehen die Programmrichtlinien vor, daß der ORF für „einwandfreie Unterhaltung“ zu sorgen habe. „Einwandfrei“ sei die Unterhaltung, wenn sie nicht gegen strafgesetzliche Bestimmungen verstoße (ja, das ist doch allerhand, nicht einmal gegen das Strafgesetz darf verstoßen werden!) und wenn auf die „Wertvorstellungen des Durchschnitts-hörers und -sehers“ Rücksicht genommen werde.

Diese derzeitigen Formulierungen bieten allenfalls selbst einwandfreie Unterhaltung, sie tragen aber nichts zur Klärung der Frage bei, welche Berührungspunkte zwischen der Kirche und den Unterhaltungssendungen gegeben sind und wie der ORF sich zu verhalten hat.

Abschließend sei festgehalten: Ich trete dafür ein, daß wir die Realitäten sehen, wie sie sind, daß wir alles unternehmen, um unsere „Botschaft“ bestmöglich über die medialen Rampen, private wie öffentlich-rechtliche, zu bringen, daß wir mit dem ORF weder Schattenboxen betreiben noch ihm gegenüber Vorurteile pflegen, sondern daß wir ihn hartnäk-kig und zäh immer wieder auf den Boden des ORF-Gesetzes zurückholen, dessen Bestimmungen nicht nur die Freiheit der Thomas-Bernhard- und Peter-Turri-ni-Freunde sichern, sondern wohl auch die Darstellung christlicher Lebens- und Glaubensinhalte garantieren. Und zwar einwandfrei; ernst und unterhaltend.

Der Autor ist Vorsitzender des Club(M) — Verein zur Förderung christlicher Medienarbeit.

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