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Eis und Dollar

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Bei den kanadischen Wahlen im vergangenen Oktober eroberten die Konservativen 107 Mandate. Damals zog auch ein Weltmeister in das Parlament des zweitgrößten Landes der Erde ein. Die von Robert Stanfleld geführten Tories erhielten in allen Provinzen —- mit Ausnahme von (Quebec, der Heimatprovinz von Premierminister Pierre Trudeau — mehr Stimmen als die Liberale Regierungspartei, die aber mit 109 Mandaten an der Macht blieb.

Unter den neuen Konservativen, die von der Anti-Trudeau-Welle außerhalb der Belle Province profitiert hatten, befand sieh auch der „Neukanadier“ Otto Jelinek, der vor zehn Jahren mit seiner attraktiven Schwester Maria den Weltmeistertitel im Paarlaufen gewonnen hatte — am Eis in seiner alten Heimatstadt Prag, die der Industriellensohn als Knirps im Jahre 1948 verlassen hatte.

Nach dem Triumph in Prag gingen Otto und Maria Jelinek unter die Professionals und vergoldeten ihren Weltmeistertitel bei der US-Revue „Ice Capades“. Im Jahre 1968 hängten sie die Schlittschuhe an den Nagel, nachdem sie — so Otto Jelinek j— „eine sechsstellige Zahl“ an Dol-larhonorarer kassiert hatten:

Doch der junge Prominente aus reichem Haus — der Vater hatte in Prag im Korkgeschäft ein Vermögen verdient — reüssierte in Kanada auch als Erzeuger von Schlittschuhen und als Importeur von Sportartikeln, wobei ihm sein Prestige am Eis natürlich zugute kam. Als aber im Vorjahr Premierminister Trudeaus Popularität (außerhalb von Quebec) schmolz wie Schokolade dn der Hand eines Babys, wagte Otto Jelinek den Sprung in die politische Arena und kandidierte im Wahlkreis Toronto High Park für die Konservativen. Der Wahlkreis war smart gewählt, da ein Großteil der Stimmberechtigten „Neukanadier“ sind, von denen viele aus Osteuropa stammen. Zudem war die Popularität des bisherigen liberalen Abgeordneten von High Park stark gesunken, weil er Premierminister Trudeau bei seinem Besuch in die UdSSR begleitet hatte — was ihm besonders das in High Park starke slawische Bevölkerungselement übelnahm. Otto Jelinek verstand es, daraus Kapital zu schlagen und zog als Einunddreißigjähriger in das Bundesparlament in Ottawa ein.

Otto Jelinek war nicht die erste Sportgröße, die in Kanada zum „Gesetzgeber“ wurde. Vor ihm war dies den Eishockeystars Lionel Conacher, Howie Meeker, Bucko Macdonald und Red Kelly geglückt. Ungleich ihnen hat aber Weltmeister „O. J.“ eine bemerkenswerte Schwäche, nämlich Unnahbarkeit. Er gab davon im Parlament edne „Kostprobe“, als er zwei der besten Sportjournalisten Kanadas wegen ihrer Opposition zur Montrealer Sommerolympiade als „bigoted opportunists“ anflegelte.

Otto Jelineks Angriff auf die Sportjournalisten war politisch getönt. Um bei den nächsten Wahlen — die bereits im Herbst stattfinden könnten — zu reüssieren, müssen die Konservativen in Kanadas größter Provinz besser abschneiden; im vergangenen Oktober konnten sie hier nur in zwei Wahlkreisen siegen. Auch Otto Jelineks Olympia-1976-Strategie soll diesem Zweck dienen...

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