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Eisern sparen in Krisenzeiten ?

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In den letzten Jahren ist die verstaatlichte Industrie in die schwerste Krise seit ihrem Bestehen geraten. Hohe Zuschüsse an Steuergeldern waren notwendig, um sie vor der drohenden Insolvenz zu retten. Viele Arbeitsplätze gingen in diesen Betrieben verloren. Zahlreiche Sanierungsbemühungen brachten keine Erfolge, so daß man zuletzt eine tiefgreifende Strukturreform durch Zerschlagung der Großbetriebe in kleinere, flexible und ergebnisverantwortliche Einheiten vornahm. Es bleibt zu hoffen, daß diese Reform einen Erfolg bringen wird, zumal aus Erklärungen von Spitzenpolitikern hervorgeht, daß in Zukunft nicht mehr Milliardenbeträge von Steuergeldern diesen Unternehmen zugeschossen werden.

Was bedeuten diese Erklärungen für die kreditgewährenden Banken? Hier wird sich im Hinblick auf die Sicherheit der Verpflichtungen und der Kreditge-stionierung einiges ändern.

In der Vergangenheit lag für die Banken, die mit verstaatlichten Unternehmungen in Geschäftsverbindung standen, ein hohes Maß an Sicherheit vor. Die Finanzminister gaben die Zusicherung, daß im Bedarfsfall die Republik Österreich für die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aller verstaatlichten Unternehmungen einspringen wird. Diese Sicherheit besteht heute durch die neuen Erklärungen nicht mehr in diesem Maße.

Es hat sich bei privaten Unternehmen als positiv erwiesen, daß vor Durchführung einer Investition neben den internen Gremien auch noch die Bank davon überzeugt werden mußte, daß die zur Finanzierung dieser Investition erforderlichen Kredite verzinst und auch wieder zurückbezahlt werden können.

Bei Finanzierungen der verstaatlichten Industrie fiel aber diese wichtige Kontrollfunktion der Banken durch das Vorhandensein einer automatischen staatlichen Garantie weg.

Die ÖIAG (österreichische Industrieholding AG) hat ihre Politik bereits dahingehend geändert, keine pauschalen Haftungszusagen für ihre Konzernunternehmungen mehr abzugeben. Jede Konzernunternehmung muß jetzt grundsätzlich selbst für eine betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Finanzierung sorgen.

Nach wie vor gelten jedoch die bestehenden Patronatserklärun-gen der ÖIAG für bestehende Verpflichtungen der Staatsbetriebe. In Zukunft müssen allerdings die Konzernunternehmungen der verstaatlichten Industrie ihre Finanzierungsprobleme so lösen wie jeder Privatbetrieb. Die kreditgewährenden Banken werden für Neukreditgewährungen ab 1989 grundsätzlich in das Risiko mit eingebunden. Dies bedeutet, daß die Banken bei der Kreditprüfung nunmehr genauso vorgehen müssen wie bei den privaten Unternehmungen. Prognosebilanzen, Investitions- und Finanzierungspläne müssen bei Neukreditaufnahmen sorgfältig begutachtet werden.

Erst dann, wenn eine nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten durchgeführte Prüfung ergibt, daß eine Kreditgewährung nicht möglich ist, müßte mit der ÖIAG verhandelt werden, ob für die mit den betreffenden Projekten zusammenhängenden Risiken eine volle oder teilweise Garantie übernommen werden kann. Dies wird dann der Fall sein, wenn der Eigentümer aus einem übergeordneten Interesse heraus auf die Finanzierung eines Projektes nicht verzichten will. Dies kann zum Beispiel durch die Vornahme einer Investition in den Umweltschutz notwendig werden.

Die ÖIAG wird somit in Zukunft nicht mehr für alle Verbindlichkeiten ihrer Konzerngesellschaften unbeschränkt haften, wenn die Ursache der wirtschaftlichen Probleme in leichtfertiger Kreditgewährung und mangelnder Kreditkontrolle liegt. Allerdings wird sich jeder Eigentümer, der über die Organe der Gesellschaft ja Einfluß auf die Geschäftsführung besitzt, im Falle einer Insolvenz kaum der Verantwortung für seine Tochtergesellschaft entziehen können. Zumindest würde der gute Ruf der Republik Österreich als erstklassiger Schuldner im In- und Ausland schwer leiden, wenn Gläubiger durch die Insolvenz einer letztlich dem Staat gehörenden Unternehmung zu Schaden kämen.

Obwohl in Ober Österreich die verstaatlichte Industrie einen erheblichen Anteil aufweist, ist dieses Bundesland ein überdurchschnittlich dynamisches Industrieland. Die freigesetzten Arbeitskräfte konnten in der privaten Industrie leicht untergebracht werden. Die Arbeitslosigkeit liegt in Ober Österreich nach wie vor unter dem österreichischen Durchschnitt. Sie betrug 1987 4,7 Prozent, gegenüber 5,6 Prozent österreichweit.

Reform realisieren

Im Jahre 1987 wurden im gesamten ÖIAG-Konzernbereich siebeneinhalbtausend Arbeitskräfte freigesetzt. Dieser Personalabbau setzte sich im Jahre 1988 bis Ende August mit einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen um siebentausend Personen auf 89.700 fort. Auch in Zukunft ist mit noch weiteren Kündigungen zu rechnen.

Die meisten Betriebe befinden sich noch in der Realisierungsphase der Reformpläne. Ein positives Beispiel der Umstrukturierungsmaßnahmen ist die VA Stahl Linz Ges. m. b. H., welche heuer hohe Umsatzsteigerungen zu Preisen erzielte, die auch eirten entsprechenden Gewinn brachten. Die Voest-Alpine Stahl Holding AG wird 1988 aber trotzdem nur ausgeglichen bilanzieren, da durch die hohen Verluste der stei-rischen Betriebe VA-Stahl Donawitz und Boehler/Kapfenberg die in Linz erzielten Gewinne wieder kompensiert werden.

Es ist natürlich klar, daß die Ergebnisverbesserung in diesem Linzer Betrieb nicht allein auf die Reformmaßnahmen zurückzuführen ist. Hauptsächlich wurde dies durch eine kräftige Konjunkturbelebung in der Autobranche hervorgerufen, die als Hauptabnehmer für Voest-Bleche fungiert. Dies hatte zur Folge, daß sowohl Absatzsteigerungen als auch Preisanhebungen erzielt werden konnten. Mit einer derart guten Konjunkturlage kann aber nicht immer gerechnet werden, weshalb die Bemühungen, Kosten zu senken, weiterhin fortgesetzt werden müssen. Zudem werden in den kommenden Jahren Investitionen zur Verbesserung der Umweltsituation in Milliardenhöhe getätigt werden müssen. Die Betriebe werden versuchen, diese Investitionen mit Rationalisierungsinvestitionen zu verknüpfen. Dies wird eine weitere Einsparung von Arbeitsplätzen zur Folge haben.

Konsum steigt

Die Schrittmacher des dringend erforderlichen Strukturwandels in der Industrie sind in Oberösterreich die vielen kleinen und mittleren exportintensiven privaten Betriebe. Zur Verbesserung der strukturellen Situation gesellte sich im heurigen Jahr ein kräftiger konjunktureller Aufschwung. Diese realen Vorgänge in der Wirtschaft fanden auch dementsprechend ihren monetären Niederschlag bei den Geldinstituten. Das Wachstum der privaten Kreditvergaben war 1988 in der Oberbank ausgezeichnet. Das Spareinlagenwachstum war hingegen geringer als im Vorjahr. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Konsumfreudigkeit der Bevölkerung zu- und die Sparneigung abnahm, wie dies während der Auf schwungphasen der Konjunktur typisch ist. Außerdem besteht jetzt die Tendenz der Anleger, verstärkt auf höherverzinste Anlageformen im Bereich des in-und ausländischen Wertpapiergeschäftes auszuweichen.

Die Krise der verstaatlichten Industrie hat die Geld- und Kreditwirtschaft bisher nur wenig berührt. Die neue Situation bei der Kreditgestionierung an verstaatlichte Betriebe dürfte den Strukturwandel beschleunigen und daher volkswirtschaftlich einen positiven Akzent setzen. Die Reform der verstaatlichten Industrie wird auch von den Banken sehr positiv beurteilt. Es wäre zu hoffen, daß auch das Ziel der zunehmenden Privatisierung der Betriebe nicht aufgegeben wird. Eine Vorbedingung hiefür ist natürlich die Sanierung der Betriebe, denn nur Anteile an gesunden Unternehmungen können auf dem Kapitalmarkt untergebracht werden.

Der Autor ist Generaldirektor der Oberbank Linz.

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