6883727-1979_19_05.jpg
Digital In Arbeit

Eiserne Lady nun am Ruder

19451960198020002020

Europa hat seinen ersten weiblichen Ministerpräsidenten, Großbritannien neben einer Königin nun auch eine Regierungschefin: Margaret Thatcher konnte am 3. Mai den bisherigen 282-Mandate-Stand der Sozialisten im 635-Sitze-Unterhaus in eine 339-Sitze-Mehrheit der Konservativen verwandeln.

19451960198020002020

Europa hat seinen ersten weiblichen Ministerpräsidenten, Großbritannien neben einer Königin nun auch eine Regierungschefin: Margaret Thatcher konnte am 3. Mai den bisherigen 282-Mandate-Stand der Sozialisten im 635-Sitze-Unterhaus in eine 339-Sitze-Mehrheit der Konservativen verwandeln.

Werbung
Werbung
Werbung

Es gibt Parallelen zwischen der Wahlsituation in Österreich und der in Großbritannien. So etwa hat der britische Labourführer James Cal-laghan in allen Meinungsumfragen vor seiner Partei geführt, während die Konservative Partei besser abschnitt als ihre Führerin Margaret Thatcher.

Nur so war es zu erklären, daß der gigantische Abstand zwischen den Konservativen und den Sozialisten zu Beginn des Wahlkampfes immer mehr zusammenschmolz und zuletzt fast wie ein Kopf-an-Kopf-Rennen aussah. Dennoch haben die Briten dann - hier wird der Vergleich mit Österreich abstrakt - überwiegend konservativ gewählt: trotz Thatcher.

„Maggies“ Mangel an Ausstrahlung auf viele Wähler ist nicht in erster Linie mit ihrem Geschlecht zu erklären. Sicher gab es konservative Wähler, die sich eine Frau in Dow-ning Street 10 nicht vorstellen konnten und deshalb liberal votierten. Aber es gab vermutlich ebenso viele Sozialistinnen, die sich schon seit langem eine Frau als Spitzenkandidatin wünschten und nun aus Protest, daß nicht die Sozialisten diese Chance boten, konservativ stimmten.

Daß die 53jährige „Eiserne Lady“ weniger populär ist als ihre Partei als ganzes, liegt vor allem in ihrem Wesen begründet: „Snobbish“ nennen viele ihr Verhalten und fühlen sich von ihr von oben herab behandelt.

Außerdem vertritt sie Meinungen, die im rechten Außenfeld des konservativen Meinungsspektrums hegen. Sie ist konservativer als viele Konservativen - etwa mit Franz Josef Strauß vergleichbar.

Was den britischen Wahlkampf vom österreichischen unterschied, war jedenfalls die Thematik. Das 32 Seiten starke Wahlmanifest der Konservativen Partei war zwar kürzer als frühere, aber dafür konkreter. Keine Partei in Österreich hat so deutlich gesagt, was sie im Fall eines Wahlsieges tun würde.

Fünf Schwerpunkte waren dabei klar erkennbar: Die Regierung Thatcher will die Inflation (derzeit um die zehn Prozent) bekämpfen, die Gewerkschaftsmacht eindämmen, die Wirtschaft durch Schaffung steuerlicher und sonstiger nichtdirigistischer Anreize ankurbeln, die Position der Familie stärken und die innere wie die äußere Sicherheit anheben.

Die Inflation will das konservative Kabinett vor allem auch über Kürzungen im Staatshaushalt bekämpfen- in allen Ressorts mit Ausnahme der Verteidigung und der sozialen Krankenversicherung. Die Gewerkschaftsmacht soll auch durch gesetzliche Regelungen im Streikrecht gebändigt werden, was freilich nicht leicht sein wird.

Im Justizbereich ist Margaret Thatcher besonders streng: „Wirklich schwere Strafen“ will sie für Gewaltverbrecher, einen „kurzen, aber scharfen Schock“ für jugendliche Missetäter vom Parlament verlangen. In naher Zukunft soll ohne Fraktionszwang über die Wiedereinführung der Todesstrafe abgestimmt werden.

Reformen sind fraglos auch im Steuerrecht zu erwarten: Thatcher will die Spitzensteuersätze bei der Einkommensteuer auf den „europäischen Durchschnitt“ von 60 Prozent (Österreich: 62%) drücken und die untersten Schichten einkommensteuerfrei stellen. Dafür sollen Arbeitslosen- und Krankengeld in die Versteuerung einbezogen und die Kapitalertragssteuer reformiert werden.

Das neue Kabinett wird versuchen, für die verstaatlichten Schiffsbau-und Flugzeugindustrien private Käufer zu finden, in der EWG bessere Bedingungen für die britische Landwirtschaft herauszuholen (während Labour-Linke wie Wegwood Benn, sogar mit dem Austritt aus den EG drohen wollten) und die Einwanderungsbedingungen verschärfen (aber keine Farbigen ausweisen, wie extreme Konservative verlangten). Die erste schwarzweiße Regierung in Zimbabwe-Rhodesien wird Thatcher anerkennen und damit der Vernunft in der internationalen Politik eine Bresche schlagen.

Eine unerwartete Prophezeiung ließ freilich der liberale „Economist“ schon vor der Wahl vom Stapel: Der Teufelskreis von Rezession und Arbeitskonflikten werde bei der nächsten Wahl zu einer Rückkehr der Abgewählten führen, und das werde dann 1984 eine bis dahin auf radikalen Linkskurs getrimmte Sozialistenpartei sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung