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Eiswind aus Moskau

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Der Sturz Avon US-Verteidigungsminister Schlesinger macht klar, worauf der amerikanische Präsident Gerald Ford außenpolitisch weiterhin setzt: auf die Fortsetzung des Entspannungskurses mit der Sowjetunion. Er wird diesen einseitigen Entschluß freilich nicht nur vor der zunehmend gegenüber der Detente skeptischen US-Öffentlichkeit zu verteidigen haben (und innerhalb der Republikanischen Pärtei%bwie im nächsten Präsidentschaftswahlkampf“werden die Reaktionen''nicht ausbleiben), sondern diesen Schritt auch bei seinem bevorstehenden Besuch in Peking den Chinesen klarmachen müssen. Vor allem aber signalisiert dieser Schritt die Hoffnungen Fords, daß sich Breschnjew im Kreml gegen die Falken durchsetze. Und das ist — mehr denn je — fraglich. Viel eher deutet alles darauf hin, daß Breschnjews Kurs schon jetzt de facto außer Kraft gesetzt wird — von den östlichen Gegnern der Entspannung.

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Der Sturz Avon US-Verteidigungsminister Schlesinger macht klar, worauf der amerikanische Präsident Gerald Ford außenpolitisch weiterhin setzt: auf die Fortsetzung des Entspannungskurses mit der Sowjetunion. Er wird diesen einseitigen Entschluß freilich nicht nur vor der zunehmend gegenüber der Detente skeptischen US-Öffentlichkeit zu verteidigen haben (und innerhalb der Republikanischen Pärtei%bwie im nächsten Präsidentschaftswahlkampf“werden die Reaktionen''nicht ausbleiben), sondern diesen Schritt auch bei seinem bevorstehenden Besuch in Peking den Chinesen klarmachen müssen. Vor allem aber signalisiert dieser Schritt die Hoffnungen Fords, daß sich Breschnjew im Kreml gegen die Falken durchsetze. Und das ist — mehr denn je — fraglich. Viel eher deutet alles darauf hin, daß Breschnjews Kurs schon jetzt de facto außer Kraft gesetzt wird — von den östlichen Gegnern der Entspannung.

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Die Blütenträume von Helsinki sind nicht gereift. Stück für Stück fallen sie nun den immer eisiger werdenden Moskauer Frösten zum Opfer. Kaum waren die Entspannungsschalmeien auf der pompösen Schlußsitzung der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) verklungen, kamen schrillere Töne aus Moskau: Ent-spanunng bedeute — so der sowjetische Vizeaußenminister Sorin — selbstverständlich nicht, daß sich der Osten verpflichtet, den westlichen Besitzstand unverändert zu erhalten. Entspannung schaffe vielmehr die günstigen Voraussetzungen für den weltrevolutionären Klassenkampf. So sei die Entwicklung in Portugal geradezu die Krone des Entspannungsprozesses.

Der Entspannungsprozeß müsse unumkehrbar gemacht werden, trommelt die kommunistische Propaganda. Durchaus logisch im Sinne der kommunistischen Doktrin,, die den Entspannungsprozeß mit dem geschichtlichen Prozeß gleichsetzt, der mit angeblich objektiver Gesetzmäßigkeit zum weltweiten Sozialismus und Kommunismus führe.

Und wie steht es mit den in Helsinki beschlossenen „vertrauensbildenden Maßnahmen im militärischen Bereich“? Nicht nur, daß die Warschauer Paktstaaten die erstmalig von der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochenen Einladungen, zu den NATO-Herbstmanö-vern Beobachter zu entsenden, ignorieren. Sie versuchen vielmehr die NATO-Staaten wegen dieser gemäß KSZE-Schlußakte angekündigten Manöver als friedensfeindlich /auf die Anklagebank zu bringen, während sie selbst sich der Verpflichtung zur Vorankündigung ihrer eigenen Manöver entziehen.

Dort, wo im übrigen der Kreml seine Bereitschaft zur militärischen

Entspannung, die nach seinen eigenen Bekundungen nunmehr die in Helsinki erreichte politische Entspannung ergänzen müsse, hätte beweisen können, nämlich bei den MBFR-Verhandlungen in Wien und bei den SALT-II-Verhandlungen mit Washington, verhärten sich die sowjetischen Positionen zunehmend. Unmißverständlich fordert Moskau dort nicht nur die Aufrechterhaltung der östlichen Überlegenheit an konventioneller Rüstung in Europa, sondern auch die Herstellung einer sowjetischen Überlegenheit bei den strategischen Atomwaffen. 1

Wenn es zudem noch eines weiteren Beweises für die offensive Zielsetzung der sowjetischen Rüstungsanstrengungen bedurft hätte, so lieferte ihn das kürzlich weltweite Manöver „Okean“ der sowjetischen Hochseeflotte. Die traditionelle Landmacht Rußland ist heute auf allen Weltmeeren präsent und fähig, die Lebenslinien der europäischen und nordamerikanischen Industrienationen ernsthaft zu gefährden.

Was schließlich die Strategie der kommunistischen Parteien in Europa betrifft, zeigt das hartnäckige Drängen Breschnjews auf baldige Einberufung der „Konferenz der europäischen kommunistischen Parteien“, daß Moskau, ähnlich wie 1967 in Karlsbad, seine Hilfstruppen in Europa auf sein Konzept einer zunehmend offensiven Politik der „friedlichen Koexistenz“ einschwören will.

Was in diesen Anzeichen sich an Verhärtung der sowjetischen Westpolitik seit dem Helsinki-Gipfeltref-|en andeutet, wurde beim kürzliohen Besuch von Giscard d'Estaing in Moskau offenkundig. Breschnjew nahm diesen ersten Staatsbesuch eines westlichen Staatsoberhauptes in Moskau nach der KSZE zum Anlaß, um unmißverständlich jeglichen

Gedanken einer ideologischen Entspannung im Keime zu ersticken.

Um diesem Nein zu ideologischen Koexistenz und Toleranz Nachdruck zu verleihen, veröffentlichte das Regierungsorgan „Iswestija“ neben der Rede Giscards eine Erklärung des Politbüros der KP Frankreichs, in der drohend die wachsende Entschlossenheit der Werktätigen zum Massenstreik bekräftigt wurde.

Und schließlich setzte die „Praw-da“ am Tage nach der Abreise des französischen Präsidenten den Schlußpunkt hinter diese Kontroverse; in einem Grundsatzartikel eines führenden sowjetischen Ideologen zog das Blatt aus dem historischen Rückblick auf den russischen Generalstreik des Jahres 1905 die aktuelle Nutzanwendung für die kommunistischen Parteien Westeuropas: „Bereit zu sein für jegliche Veränderung der Verhältnisse, bereit zu sein zur Anwendung jeder Form des Kampfes“, wovon der Generalstreik einer der effektivsten und politisch am meisten zu mobilisierenden sei. Mit Hinweis auf den Generalstreik in Frankreich im Mai/Juni 1968 gibt die „Prawda“ ihre Anweisungen: mit dem Mittel des Generalstreiks die politische Revolution voranzutreiben.

Sicher ist, daß militante Kreise der sowjetischen Führung den Zeitpunkt für gekommen erachten, um — nach dem Intermezzo einer gewissen Zurückhaltung mit Rücksicht auf den Abschluß der KSZE — die kommunistischen Hilfstruppen in Westeuropa auf eine offensivere Politik einzuschwören.

Der Finanzminister ist im Begriff, die Kulturkonzentration in Wien noch etwas zu verstärken und dafür die ohnehin schon himmelschreiende kulturelle Schlechterstellung der Bundesländer zu vergrößern.

Daß sich das Theater an der Wien um eine Anerkennung als Länderbühne und um die damit verbundenen Bundessubventionen bewarb, ist begreiflich. Und glaubhaft ist, daß das Theater an der Wien mehr Geld braucht — trotz ausverkaufter Musicalvorstellungen. Aber was macht Androsch? Er nimmt einfach das Geld, das er dem Theater an der Wien geben will, den anderen Länderbühnen weg. Pumpt sieben Millionen Schilling zusätzlich in den Wiener Theaterbetrieb, der nun wirklich als kultureller Wasserkopf angesprochen werden kann, und reduziert dafür, sofort und rückwirkend, die Auszahlungen an die Länderbühnen.

Allein die Volksoper bekommt jährlich 137 Millionen vom Bund — alle Länderbühnen zusammen ab sofort statt bisher 50 Millionen nur noch 43.

Weniger Geld also für Sprechstück und Oper, die der Förderung besonders bedürften. Mehr für jenes Theater in Wien, das, wenn irgend eines in Österreich, sich stets konsequent nach dem Massengeschmack richtet und dementsprechend die vollsten Kassen hat. Was aber das Argument betrifft, man müsse für die Festwochen technisch gerüstet sein: das letzte Festwochendesaster an der Wien war ein künstlerisches. Und nicht ein technisches. '

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