6958702-1984_40_03.jpg
Digital In Arbeit

Emanzipiert Zur Einsamkeit

Werbung
Werbung
Werbung

Zunächst bin ich natürlich auch erschrocken: Jede dritte Frau will kein Kind! Gott sei Dank, ist es so schlimm wieder auch nicht. Können wir das Ganze also vergessen? Nein, denn die erwähnten Trends bieten auch so ausreichend Stoff zur Betrachtung.

Den Befragungen zufolge wünschen sich Frauen Kinder, um sie liebhaben zu können. Auch erhoffen sie sich Gegenliebe. Allerdings wird auch deutlich, daß die außerhäusliche Berufstätigkeit die größte Konkurrenz für das Kinderbekommen ist. Mittlere und höhere Angestellte tun sich besonders schwer, auf ihre attraktive Tätigkeit zu verzichten.

Wir haben eine Welt gebaut, in der die meisten Frauen vor der Wahl stehen, unbedankt für Kinder und Heim zu sorgen oder persönlichen, beruflichen Erfolg zu haben. Wen wundert es, wenn die Entscheidung immer mehr zugunsten der ,JSelbstverwirklichung" im Beruf fällt? Wir alle tun ja so, als geschähen nur dort die wichtigen Dinge. Was gegen Entgelt getan wird, gibt Prestige und Anerkennung. Nur wer im Beruf etwas leistet, erscheint uns wertvoll.

Wehe, eine Frau muß bekennen, sie sei „nur" Hausfrau, kümmere sich „nur" um ihre Kinder! „Und sonst machen Sie gar nichts?" wird meine Frau öfter gefragt, leicht vorwurfsvoll. Schon ist die Hausfrau in der Defensive, versäumt es, die vielen Kleinigkeiten aufzuzählen: Nachbarkinder hüten, einen Weg erledigen, Sorgen teilen, die Nachbarin im Spital besuchen, bei den Aufgaben helfen, kurz verfügbar zu sein.

Das erscheint alles nicht weltbewegend. Aber macht es nicht eigentlich erst unser Leben möglich? Wäre eine Gesellschaft vorstellbar, in der jeder verplant ist, niemand mehr spontan einspringen kann?

Als Mann tue ich mir schwer, die Werbetrommel für die Frau am Herd zu rühren. ,JDer hat leicht reden, hat ja seinen Beruf", wird man mir entgegenhalten. Stimmt, die Mißachtung des häuslichen Bereichs geht letztlich von den Männern aus. Sie haben in der Mehrzahl seit langem aus den Familien abgedankt. Hobbies und Fernsehen sind alles, was viele von ihnen in der Freizeit interessiert.

An der gesellschaftlichen Produktion teilnehmen wird uns als sogenannte Selbstverwirklichung verkauft. Es ist nur konsequent, daß sich immer mehr Frauen auf diesen von den Männern schon längst beschrit-tenen Weg begeben wollen. Damit fallen aber zunehmend alle Lebensbereiche der Rationalisierung und Planung anheim. Männer, Frauen und Kinder werden zu Rädchen im großen gesellschaftlichen Getriebe. Das ist das eigentlich Alarmierende.

Die üblichen Argumente erscheinen mir im Vergleich dazu unbedeutend: Wer die sinkenden Geburtenzahlen zum Anlaß nimmt, sich wegen seiner künftigen Pension zu sorgen, offenbart eigentlich nur jenen Egoismus, der die Wurzel der heutigen Lage ist. Wer andererseits den Geburtenrückgang in Europa als hoffnungsvollen Beitrag zur Lösung der Weltbevölkerungsprobleme feiert, übersieht, daß Kinderfeindlichkeit hierzulande die Uberbevölkerung Bangla Deshs durchaus nicht mildert.

Wachsende Lieblosigkeit und mangelnde Bereitschaft, sich ganz auf andere einzulassen und für sie zu sorgen, kommen in den oben angeführten Zahlen zum Ausdruck. Konsequente Emanzipation führt zu Vereinsamung. Hier bedürfen wir tiefgreifender Wandlung — Frauen und Männer.

In unseren aufrichtigen Stunden wissen wir, daß Scheidungen, uneheliche Geburten, flüchtige Partnerbeziehungen, allgemein zunehmende Kinderfeindlichkeit bedenkliche Symptome sind — und nicht Ausdruck erfüllter Freiheit. Die Statistik belehrt uns überdies, daß sie mit Alkoholismus, Kriminalität, Depressivität und Selbstmordanfälligkeit einhergehen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung