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Emotion statt Information
Nach anfänglicher Euphorie wächst die EG-Skepsis in Österreich. Ängste und Vorurteile bestimmen die Diskussion und das Informationsdefizit breiter Bevölkerungsschichten.
Nach anfänglicher Euphorie wächst die EG-Skepsis in Österreich. Ängste und Vorurteile bestimmen die Diskussion und das Informationsdefizit breiter Bevölkerungsschichten.
Trendstudien, die die generelle Einstellung der Österreicher zu einem EG-Beitritt erheben, signalisieren im Zeitverlauf ein Ansteigen der EG-Pessimisten, die sich in erster Linie aus dem Personenkreis vormals unentschiedener beziehungsweise nicht festgelegter Befragter rekrutieren. Substanz und Stil der österreichischen EG-Diskussion bewirken offensichtlicheine Mobilisierung der EG-Kritiker, wenngleich die Befürworter gegenwärtig noch über eine knappe Mehrheit verfügen.
Definitive Sicherheit über den Ausgang eines österreichweiten EG-Referendums kann aus den vorliegenden Daten nicht abgelesen werden. Im Gegenteil: Orientiert man sich an Erfahrungswerten der Schweizer Abstimmungsforschung, gibt das vorliegende Datenbild eher Anlaß zur Besorgnis. Zu den „kritischen" Faktoren zählen dabei vor allem der Grad der Emotionalisierung und die Qualität des Informationsangebots.
Emotionale Argumente, die Mobilisierung von Ängsten und Vorurteilen wie die holzschnittartige Vereinfachung erweisen sich gerade bei komplexen Sachentscheidungen vielfach wirksamer als betont rationale Argumentationslinien.
Gerade das EG-Thema - vor dem Hintergrund eines diffusen, emotional aufgeladenen Neutralitätsverständnisses, tiefsitzender Furcht vor einem Verlust der vertrauten österreichischen Identität und wirtschaftlichen Wettbewerbsängsten - bietet Beitrittsgegnem zahlreiche Möglichkeiten zur Emotionalisierung. Rationale, um Information und Aufklärung bemühte Argumente laufen dabei Gefahr, in den Hintergrund gedrängt zu werden, an Resonanz zu verlieren und nur jene zu erreichen, die ohnehin von der Notwendigkeit eines EG-Beitritts überzeugt sind.
Entscheidend für den Ausgang eines dermaßen „aufgeladenen" Referendums ist daher die Qualität des Argumentationsangebots. Angesichts des defizitären wirtschaftspolitischen Wissensstandes der österreichischen Bevölkerung und eines Informationsverhaltens, das sich im wesentlichen auf die flüchtige Rezeption der Fem-sehnachrichten und bruchstückhafte Informationssplitter weniger auflagenstarker Tageszeitungen reduziert, ist das Wirkungsfeld anspruchsvoller, rationaler Informationskampagnen naturgemäß begrenzt. Zwischen einer zahlenmäßig überschaubaren „Informationselite" und der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung klafft eine kaum überbrückbare „Wissenskluft", die konsequenterweise eine mehrstufige Kommunikationsstrategie erforderlich macht.
Informationsdefizit Für eine großflächige, über das Expertenpublikum und die Angehörigen der Informationselite hinausreichende Kommunikationsstrategie ist der Nachweis der konkreten persönlichen Vorteile unverzichtbar. Die Argumentation mit Wachstums-, Pro-duktivitäts- und Wettbewerbsvorteilen eines EG-Beitritts ist Teil einer Expertenkampagne, die aber für die überwiegende Mehrheit der stimmberechtigten Bevölkerung als steril und abstrakt wahrgenommen wird. Eine breitenwirksame Informationskampagne darf sich nicht mit makroökonomischen Kennziffern begnügen, sondern muß versuchen, die Vorteile eines EG-Beitritts am Beispiel möglichst konkreter Konsequenzen zu verdeutlichen. Dies reicht von der Anzahl neugeschaffener, zukunftsorientierter Arbeitsplätze, Aus-bildungs- und Karrieremöglichkeiten bis zu günstigeren Preisen und neuen Wahlmöglichkeiten der Konsumenten.
Ob die geplante Informations- und Aufklärungskampagne der Bundesregierung zu EG-freundlicheren Haltungen beitragen wird, erscheint in Kenntnis der bürokratischen Anlaufschwierigkeiten zumindest zweifelhaft. Die Konsequenzen einer selbstgewissen Unterschätzung verbreiteter Emotionen und Stimmungslagen in der Bevölkerung haben bereits die EXPO zu Fall gebracht. Noch wichtiger als professionelle Werbekampagnen wäre in jedem Fall eine offensive und akkordierte Argumentationslinie der Bundesregierung.
Politiker, die gegenwärtig aus wahltaktischen Gründen in der EG-Beitrittsfrage vorsichtig-verhalten agieren, dürfen sich nicht wundem, wenn die EG-Skepsis in der Bevölkerung ansteigt. Politische Argumentationsund Handlungsschwächen können auch durch professionelle Werbekampagnen nicht kompensiert werden.
Engagierte Stellungnahmen prominenter Regierungsmitglieder sind po-litische Kommunikation. Aufwendige Hochglanzbroschüren und schwungvolle Inseratentexte bleiben Werbung, fehlen Gestaltungswille und Überzeugungskraft der politisch Verantwortlichen.
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