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Empfängnisregelung - aber wie? Hilfe für Konfliktsituationen

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Neunzig Prozent der in den österreichischen Beratungsstellen befragten Personen bedienen sich zur Geburtenregelung der von der Katholischen Kirche als „unnatürlich“ bezeichne- ten Methoden. Damit kommen viele von ihnen in einen schweren inneren Konflikt. Um eine Lösung dieses Konfliktes zu versuchen, lud die Wiener Katholische Akademie vor einem Jahr Ärzte und Theologen zu einem Symposion ein, dessen Referate nun im Jahrbuch der WKA vorliegen.

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Neunzig Prozent der in den österreichischen Beratungsstellen befragten Personen bedienen sich zur Geburtenregelung der von der Katholischen Kirche als „unnatürlich“ bezeichne- ten Methoden. Damit kommen viele von ihnen in einen schweren inneren Konflikt. Um eine Lösung dieses Konfliktes zu versuchen, lud die Wiener Katholische Akademie vor einem Jahr Ärzte und Theologen zu einem Symposion ein, dessen Referate nun im Jahrbuch der WKA vorliegen.

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Die Medizin wird in zunehmendem Maß mit sozialen Problemen konfrontiert, betonte Univ.-Prof. Dr. Hugo Hvßlein, Wien. Kontrazeption wird damit zu einer ärztlichen Aufgabe. Für den Arzt sind zunächst alle Methoden in sittlicher Hinsicht gleichwertig, alle Methoden streben die Vermeidung einer unerwünschten Schwangerschaft an. Arzt und ratsuchende Person müssen die Freiheit haben, jene Methode zu wählen, die der medizinischen Notwendigkeit, dem Bedürfnis nach Sicherheit, den sozialen Gegebenheiten und der weltanschaulichen Einstellung entspricht.

Die von der Kirche als „natürlich“ bezeichnete Methode der Zeitwahl nach Knaus und Ogino bezeichnete Prof. Hußlein als unsicher und schwierig in der Durchführung. Nur wenige Personen seien für diese Methode bereit. Die Diskrepanz zwischen der Auffassung der Kirche und der tatsächlichen Praxis bedürfe dringend der Klärung, damit den Beratungsstellen, Ärzten, Eltern, Erziehern und Lehrern aus christlichem Verantwortungsbewußtsein Hilfe geboten werden könne.

Univ.-Prov. Dr. Hans Rotter SJ, Innsbruck, betonte, bei der Empfängnisverhütung hänge die Frage nach der richtigen Intention mit den Zielen der Ehe und des ehelichen Verkehrs zusammen. Partnerschaftliche Liebe und Zeugung von Nachkommenschaft sind nicht einfach als zwei voneinan der unabhängige Ziele aufzufassen, die dann in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen wären. Echte Liebe zum Partner verlangt vielmehr auch* den Wülen, zu einem möglichst sinnerfüllten Leben des Partners beizutragen. Diese Sinnerfüllung ist nicht dadurch zu verwirklichen, daß sich die beiden Partner in ihrer Liebe nur auf die gegenseitige Beziehung begrenzen, sondern dadurch, daß sie offen sind für andere, insbesondere auch offen für Fruchtbarkeit und Nachkommenschaft.

Allerdings kann Zeugung nicht bloß unter dem Aspekt des Ausdrucks von partnerschaftlicher Liebe gesehen. werden, denn das Kind ist ja dann ein eigener Mensch, der entsprechende Lebensbedingungen braucht. Tatsächliche Zeugung ist deshalb nur soweit zu verantworten, wie genügende Voraussetzungen für die Entwicklung eines neuen Lebens gegeben sind. Wo dies nicht der Fall ist, muß sich die Offenheit und Verantwortungsbereitschaft ehelicher Liebe darin zeigen, daß eine weitere Zeugung vermieden wird.

Die einzelnen Methoden der Empfängnisverhütung sind danach zu beurteilen, fuhr Prof. Rotter fort, wie weit sie mit dieser Intention zu vereinbaren sind, wenn also diese Methoden in einer Weise eingesetzt werden, die ehelicher Liebe nicht widerspricht und die Offenheit auf Nachkommenschaft nur soweit einschränkt, wie das von christlicher Verantwortung her gefordert ist. Es ist jene Methode zu wählen, die bei ausreichender Sicherheit die geringsten negativen Folgen hat.

Nach weiteren theologischen Ausführungen der Professoren Franz Böckle, Bonn, Bruno Schüller, Münster und Johannes Gründel, München, bot Univ.-Prof. Dr. Karl Hörmann, Wien, als Moraltheologe einen Lösungsversuch, der auf drei Voraussetzungen aufbauen müßte: Wie für das gesamte sittliche Leben, gelte auch für die Sexualmoral das neutestamentliche Doppelgebot der Liebe als oberste Norm. Danach sei nicht nur die Frage der Familiengröße zu entscheiden, es seien aüch’ die Wege, die zu ihrer Erreichung in Betracht kommen, zu prüfen. Wenn Methoden die Erfüllung des Liebesauftrags erschweren, sind sie als sittlich mangelhaft anzusehen. Auch Menschen, die den aufrichtigen Wülen zu sittlich richtigem Verhalten haben und deshalb nach sitüich gangbaren Wegen zur Empfängnisregelung suchen, können in die Schwierigkeit geraten, daß sie keinen Weg finden, gegen den sich keinerlei sittliche Bedenken richten.

Der für die Durchführung des Symposions „Famüienplanung und Sexualmoral“ verantwortliche Herausgeberder jetzt vorliegenden Publikation, Univ.-Prof. Dr. Richard Olechowski, betont im Vorwort, daß der Weg zu einer sachlichen Lösung des Problems sicherlich nicht in einer Expertendiskussion und einer abschließenden Abstimmung gefunden werden könne. Während das gleiche Thema zwei Jahre vorher auf breiter Basis und aus einem Spektrum sehr divergierender Ansichten diskutiert worden war, sollte diesmal bewußt eine Publikation entstehen, die das Problem geschlossen, von einem einheitlichen Standpunkt aus und systematisch behandelt.

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