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Empfehlungen mit Gewicht

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Die dritte Session des Wiener Diözesanforums in Wien-Lainz (30. April bis 2. Mai) befaßte sich mit den Themen „Frauen -Kirche" und „Ehe und Familien".

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Die dritte Session des Wiener Diözesanforums in Wien-Lainz (30. April bis 2. Mai) befaßte sich mit den Themen „Frauen -Kirche" und „Ehe und Familien".

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Die Delegiertenversammlung des Diözesanforums sprach sich dafür aus, von jenen Rollenbildern von Mann und Frau, die der heutigen Situation nicht mehr entsprechen, Abschied zu nehmen. Beim Thema „Frauen - Kirche" identifizierte sich die Mehrheit mit den Vorschlägen, die ein modernes Bild der Frau vorzeichneten.

Im Vorschlag 11 heißt es: „Tiefgehende, eingeschliffene Verhaltensweisen wie die Mentalität, über die Frau zu verfügen, bedürfen einer Revision, die in der Verkündigung klar zum Ausdruck gebracht werden soll." Vorschlag 7: „Der Tabuisierung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen muß in Gesellschaft und Kirche entgegengewirkt werden." Die Delegierten sprachen sich dafür aus, daß die Kirche sich an Frauenhäusem und Beratungsstellen finanziell, personell und ideell beteiligen sollte.

Weiters sollten die vielfältigen Lebensentwürfe von Frauen akzeptiert und unterstützt werden. Familien- und Erwerbsarbeit würden heute zur Lebensrealität eines jeden Menschen gehören und bedürfen, so Vorschlag 3, gesellschaftlicher und kirchlicher Anerkennung. Es sollten weder berufstätige Mütter, noch solche, die zu Hause bleiben, diskriminiert werden.

Als „dringend notwendig" bezeichnete die Versammlung eine intensivere theologische Forschung zur Frage des Priestertums der Frau. Viele Menschen würden sich „mit unserer Kirche schwer tun", so die Delegierten, weil Frauen der Zugang zum Priesteramt versperrt ist. Auch die Zulassung von Frauen zur Diakonatsweihe soll untersucht werden. In dieser Frage ersuchte das Forum Kardinal Hans Hermann Groer, „das Ringen um die Zulassung von Frauen zur Diakonatsweihe in Rom zu unterstützen".

Weihbischof Florian Kuntner schlug den Delegierten vor, zur „Diakonatsweihe für die Frau" ein Votum an Rom zu senden. Zum Thema Ministrantinnen wurde der Vorschlag „Es ist sinnvoll, Mädchen und Buben in die Ministrantenarbeit einzubezie-hen..." verabschiedet. Der Pastoraltheologe Paul M. Zulehner, einer der beiden Vizepräsidenten des Forums, verwies auf mehrere Gutachten, unter anderem von der Nuntiatur in Bonn, die besagen, daß vom Kirchen-recht her der Dienst von Ministrantinnen nicht verboten sei.

Die verabschiedeten Vorschläge sehen vor, daß den Frauen Mut zur Mitarbeit in all jenen Diensten gemacht werden soll, die von Laien erfüllt werden können. Zum Beispiel: In der Erzdiözese Wien sollen in Zukunft auch Frauen mit entsprechender Ausbildung den kirchlichen Begräbnisdienst übernehmen können.

Empfohlen wurde auch die Untersuchung von liturgischen Texten. Vor allem das neue Gebet- und Gesangbuch „Gotteslob" soll auf eine „frauengerechte Sprache" hin überprüft, und wenn nötig abgeändert werden.

Christa Kargl, die das Frauen-Papier vorbereitete, ist zufrieden mit dem Ergebnis, meint sogar, daß derartige Vorschläge noch vor einem halben Jahr nicht möglich gewesen wären. Das Gesprächsklima unter den Delegierten sei viel besser geworden. Oberin Christine Gleixner wies darauf hin, daß ein so zeitgemäßes Papier noch nirgends verabschiedet worden sei. Sollte es auch mit der Umsetzung „hapern", es sei nicht mehr vom „Tisch zu wischen" und auf jeden Fall ein Anfang für die Gleichberechtigung der Frau in der Kirche.

Das Thema „Ehe und Familien" wurde von Bildungshausdirektor Horst Peter Riehs präsentiert. Er nannte es einen Schritt in die richtige Richtung. Die Vorbereitenden hätten bei der Bearbeitung des Themas vor allem eine verstärkte Ehevorbereitung in den Pfarren, eine intensivere „Ehe-Begleitung" und ein „Emstmachen mit dem Schritt auf die Wiederverheirateten zu" im Sinn gehabt.

In der Diskussion forderte Dechant Erich Höfling einen größeren Freiraum für „Gescheiterte". Auch sei geschieden nicht gleich geschieden. Es gelte, auch jene Fälle im Auge zu behalten, wo Ehepartner schuldlos verlassen werden. Die Delegierten meinten, die Integration wiederverheirateter Geschiedener sei ein wichtiger Grundsatz für die Seelsorge. „Wenn auch eine allgemeine Zulassung zum Sakramentenempfang nicht möglich ist, so kann und soll mit einem erfahrenen Seelsorger darüber gesprochen werden. Dabei mögen Hilfen für eine persönliche Gewissensentscheidung angeboten werden."

Damit erinnerten die Delegierten an ein Hirten wort der österreichischen Bischöfe von 1980. Sie rieten weiters, daß die Tatsache der Scheidung und Wiederverheiratung nicht in jedem Fall einen Grund für die Nichteinstel-lung beziehungsweise Kündigung kirchlicher Mitarbeiter darstellen soll. Das Katholische Familienwerk soll Teams bilden, die als pastorale Anlaufstelle für Geschiedene und wiederverheiratete Geschiedene öffentlich bekannt gemacht werden.

Zuletzt wurde noch auf die Probleme der gemischt-konfessionellen Ehen eingegangen und eine gemeinsame Aussage aller christlichen Kirchen in Wien zu Grundfragen der Ehe und Familie angeregt.

Bei aller Begeisterung, die bei manchen Delegierten mitschwang: Man erreichte nicht die notwendige Beschlußfähigkeit. Generalvikar Rudolf Trpin betonte jedoch, daß das Forum keine gesetzgebende Körperschaft, sondern eine „Gesprächsplattform" sei. Die Beschlüsse seien „Voten", die an Kardinal Groer weitergegeben werden (er konnte nicht teilnehmen, da er im Krankenhaus lag). Die Empfehlungen hätten auf jeden Fall Gewicht.

Die vierte Session am 16. und 17. Oktober 1992 wird sich mit dem Thema Jugend beschäftigen. Geplant ist, ein Jugendforum einzuberufen.

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