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Ende der Vorurteile?

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Zwei Positionen werden bei Gesprächen über Südafrika eingenommen: Die eine spricht unentwegt über die rassischen Unterschiede zwischen Schwarz, Weiß, Coloured und den Indem; die andere will nur von Südafrikanern reden.

Früher argumentierten Apartheidbefürworter mit,dem Begriff der rassischen Unterschiede, einer Unterscheidung, die jedem ge-

schichtsbewußten Mitteleuropäer eher das Grausen kommen läßt; heute wird mit kulturellen Unterschieden argumentiert (de Klerks Position, siehe Seite 11).

Doch so einfach ist das alles nicht: In Südafrika ist wie in allen anderen afrikanischen Staaten Schwarz nicht gleich Schwarz, Weiß nicht gleich Weiß, und Coloured ist ebenso inhomogen wie der indische Bevölkerungsanteil. Zu den traditionellen Unterschieden, die nicht unerheblich sind, treten jene, die im Lebensraum (Stadt, Land), in der Ausbildung und gesellschaftlichen Position begründet sind.

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich das grundsätzliche Problem: Der nach außen hin sichtbare ethnische Konflikt ist eigentlich ein sozialer. Die Lebensbedingungen der Weißen sind im Generellen um so viel besser, daß sich jede Erörterung von selbst erledigt. Die als Gegenbeweis nicht selten angeführten armen Weißen und schwarzen Millionäre Südafrikas, die es sich leisten können, weiße Angestellte zu haben, gibt es, doch das ändert nichts an der allgemein beschreibbaren Situation.

Viele Schwarze sind heute bereits gewerkschaftlich organisiert. Nur so können sie ihre Anliegen durchbringen. Es kommt vor, daß Schwarze nach einem Streik vom weißen Unternehmer gefeuert wurden. Die freien Arbeitsplätze wurden danach an nicht organisierte Coloured und Inder vergeben, die dankbar waren, eine Möglichkeit zum Geldverdienen gefunden zu haben.

Südafrika hat heute ein Heer von Arbeitslosen. Die entlassenen Schwarzen sind, um es vorsichtig auszudrücken, auf die Inder und die Coloured nicht gut zu sprechen. Man sollte mit dem Wort Haß sparsam umgehen. Und doch, der Konflikt ist bereits vorgezeichnet. Er wird sich als ethnischer Konflikt ausnehmen und im Grunde genommen ein sozialer sein.

Mindestens ebenso schwerwiegend wie der Konflikt zwischen den einzelnen Gruppen ist das Generationsproblem in der schwarzen Be-

völkerung. Bis 1953 wurden die Schwarzafrikaner weitgehend von Missionaren unterrichtet. Der damalige Eingeborenenminister Ver-woed führte das „Bantu-Erzie-hungsgesetz“ ein. Von nun an trat zur täglichen Diskriminierung, die Menschen ihrer Rechte und Würde entkleidete, eine ideologische Verschärfung.

Die Missionare hatten wenigstens die Brüderlichkeit zwischen den Menschen als Grundlage des Glaubens verkündet. Trotz der Unvereinbarkeit mit der staatlichen Ideologie konnte diese Botschaft so etwas wie eine Hoffnung sein: Es gibt auch eine andere Lebensmöglichkeit. Die Lehrer in den schwarzen Schulen hatten und haben andere Anliegen: Sie wissen, daß den Kindern der Wille zur Veränderung übertragen werden kann.

Dieser Konflikt zeigt sich nicht selten in den schwarzen Familien. Die Älteren sind über die Fortschritte der letzten Jahre im Zuge der Reform recht zufrieden. Vielen jungen Menschen ist das viel zu wenig. Sie wollen nicht nur im selben Bus reisen dürfen und im gleichen Restaurant mit den Weißen einen Hamburger zu sich nehmen können (es gibt Restaurants, in denen die Rassentrennung schon wieder eingeführt wird oder noch gar nicht aufgehoben worden ist), sie wollen jetzt den Zugang zu politischer Macht.

Der Mangel an politischen Möglichkeiten erzeugt eine Bitterkeit, die sich noch in großen Auseinandersetzungen entladen wird.

Es gibt Townships, in denen die Kämpfe zwischen den Anhängern des ANC und der Inkatha (siehe Kasten) zahlreiche Tote forderten. Diese Entladungen schrecken die Weißen, die häufig die Zusammenhänge zwischen Gewalt und jener Politik, an der sie mitgewirkt haben, nicht verstehen.

In grauenhafter Weise verstärken Unruhen in den Townships die Vorurteile: Schwarze gelten vielen als blutrünstig. Um die Gewalt niederzuhalten, glauben viele Weiße, daß noch strengeres Durchgreifen die Unruhigen zur Räson bringen kann. Dabei übersehen sie, daß jede Repression sich irgendeinmal totläuft.

Die Regierungspolitik signalisiert jetzt Veränderung. Die Freilassung wichtiger Repräsentantendes ANC sowie die genehmigte Demonstration in Soweto am 29. Oktober sind deutliche Zeichen. Wie der Weg zwischen der Konservativität der Weißen, die viele Privilegien zu verlieren und daher Angst haben, und der Verbitterung der Schwarzen politisch ausschauen wird, dürfte wohl jeden, der grobe Verallgemeinerungen verabscheut, mit großer Sorge erfüllen.

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