7074128-1993_12_04.jpg
Digital In Arbeit

Ende des Drogenbosses

19451960198020002020

Kolumbiens Präsident Cesar Gaviria hat inmitten von Drogenkrieg und Autobombenattentaten Glück: Hinweise aus der Bevölkerung, die dafür gut bezahlt wird, führen zu Dutzenden Verhaftungen von Drogenbossen des Medellin-Kartells und von Guerillachefs. Der Clan des mächtigen Pablo Escobar zerfleischt sich außerdem selbst.

19451960198020002020

Kolumbiens Präsident Cesar Gaviria hat inmitten von Drogenkrieg und Autobombenattentaten Glück: Hinweise aus der Bevölkerung, die dafür gut bezahlt wird, führen zu Dutzenden Verhaftungen von Drogenbossen des Medellin-Kartells und von Guerillachefs. Der Clan des mächtigen Pablo Escobar zerfleischt sich außerdem selbst.

Werbung
Werbung
Werbung

Kolumbien lebt seit den fünfziger Jahren mit einem hohen Pegel an Gewalt. Trotz dieser endemischen „vio-lencia" konnte sich das südamerikanische Land exemplarisch modernisieren. Präsident Cesar Gaviria, als Liberaler seit 1990 im Amt, wollte den entscheidenden Qualitätssprung schaffen, er wollte das, was er als „sociedad bloqueda" sah - Kolumbien als blockierte Gesellschaft -, aufbrechen: wirtschaftlich mit Neoliberalismus, intern durch Friedensverhandlungen mit der Guerilla und an der Drogenfrorit durch direkte Verhandlungen mit der Mafia, deren Mitglieder nicht mehr an die USA ausgeliefert werden sollten.

Zunächst hatte Gaviria Erfolg. Die M-19-Guerilla, nationalkatho-lisch-revolutionärorientiert, unterzeichnete gemeinsam mit kleineren indianischen Widerstandsbewegungen den Friedensplan und entsandte Navarro Wolff - kurz zuvor noch mit Rucksack und Schnellfeuergewehr im Dschungel - als Gesundheitsminister in die Regierung. Und auch an der Drogenfront gab es handfeste Kompromisse: Drogenboß Pablo Escobar aus Me-dellin zog in ein von ihm gebautes und vom Militär bewachtes Luxusgefängnis, die meisten Gewalttaten aus seinem Lager hörten auf.

Jedoch Mitte 1992 erwies sich das, was meist jugendliche Minister mit ihren Plänen gebaut hatten, als Kartenhaus. Eine Trockenperiode legte die Wasserkraftwerke lahm, sodaß seither Kolumbien mit Stromrationierungen leben muß. Die Amnestiearbeit an der Guerillafront geriet ins Stocken. Ende 1992 lebte der alltägliche Kleinkrieg derart auf, daß Gaviria erneut den Ausnahmzustand ausrief. Zudem kostete Gaviria die Flucht von Pablo Escobar viel von seinem mühsam aufgebauten Prestige.

So begann das heurige Jahr mit einer dramatischen Aufstockung des Budgets für Polizei und Armee - auf Kosten von Sozialprogrammen. An der Guerillafront gab es wieder regelrechte Schlachten. Und doch hat Präsident Gaviria wieder Glück: ein neues, in großer Bedrängnis entworfenes Amnestieprogramm begann unerwarteterweise zu greifen. Was derzeit stündlich in allen TV-Kanälen angesagt wird - Millionen, sogar Milliarden Pesos für wirkungsvolle Denunziationen von Drogenleuten und Gue-rilleros - zeitigt Wirkung.

Wichtige Drogenbosse des Medellin-Kartells und Guerilla-Kommandeure konnten jüngst verhaftet werden. Kleinere Fische stellen sich in wachsender Zahl selbst, weil Straferlaß, neue Identität und materielle Hilfe für den zivilen Wiederanfang wirken. Gerade an der Guerillafront zeigte sich rasch, daß solche Programme besser wirken als Armeeverstärkung und Aufrüstung.

Im Drogenlager kam es obendrein zur Selbstzerstörung von Pablo Escobar: Da er einige „Abteilungsleiter" wegen angeblicher Veruntreuung kurzerhand umbringen hatte lassen, rebellierte ein Teil der Anhänger gegen den großen Boss. Diese „Pepes" (kurz für „die von Pablo Escobar Verfolgten") fügen seit Ende Jänner mit Feuer, Dynamit und Maschinenpistolen dem Esco-bar-Lager schwere Verluste zu.

Pablo Escobar auf den Knien. Ironischerweise hat das nicht die Regierungsmacht geschafft, sondern sein eigenes Lager.

Heute will Escobar nur noch seine Kinder in Sicherheit wissen. Übernähme jemand diese Sicherheitsgarantie, würde er eventuell öffentlich kapitulieren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung