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Ende einer Epoche persischer Geschichte

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Mit dem Tod des seit der Islamischen Februarrevolution 1979 gestürzten Schah in einem Kairoer Militärkrankenhaus hat die Welt ihren letzten „Herrscher von Gottes Gnaden" verloren. Muhammad Reza Pahlewi starb im Alter von 60 Jahren an den Folgen seines Krebsleidens.

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Mit dem Tod des seit der Islamischen Februarrevolution 1979 gestürzten Schah in einem Kairoer Militärkrankenhaus hat die Welt ihren letzten „Herrscher von Gottes Gnaden" verloren. Muhammad Reza Pahlewi starb im Alter von 60 Jahren an den Folgen seines Krebsleidens.

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Geboren wurde seine „Kaiserliche Majestät Muhammad Reza Pahlewi, Schahinschah Ariamehr" am 26. Oktober 1919 in Teheran. 1925, als General Reza Pahlewi, der Vater des Schah, in Teheran einmarschierte, den letzten Kadscharen stürzte und sich selbst auf den Pfauenthron setzte, wurde der erst sechsjährige Muhammad Reza zum Kronprinzen erklärt.

Es folgten sechs strenge Jahre auf einer iranischen Kadettenschule, in der ihm eine Gouvernante auch Französisch beibrachte. 1931 kam er auf ein Internat in der Westschweiz.

Voll neuer Ideen, die er 1938 aus der Schweiz heimbrachte, wurde Kronprinz Muhammad Reza zum Truppeninspektor ernannt. Der künftige Schah lernte so Land und Leute kennen, was ihm rascher als gedacht zustatten kommen sollte: Denn die alliierte Besetzung Irans im August 1941 führte zur Abdankung Reza Schahs „des Großen", worauf am 16. September sein noch nicht einmal ganz volljähriger Sohn vor dem Parlament in Teheran als neuer Herrscher vereidigt wurde.

Seine Größe bewies der noch junge Schah 1945/46 in der kritischen Auseinandersetzung mit der Sowjetunion von außen und den Kommunisten der Tudeh-Volkspartei im Inneren: Stalin wollte sich nicht an seine 1943 beim Treffen der „Großen Drei" in Teheran gegebene Rückzugszusage halten, hatte in Nordwestiran unter sowjetischem Besatzungsregime separatistische Republiken der Kurden und Aserbaidschaner errichtet.

Der Schah mobilisierte den Westen, organisierte eine Resolution der Vereinten Nationen, bewog die Russen in geschickten Verhandlungen zum Abzug, betrieb mit nationalistischen Parolen antisowjetisch-kommunistische Stimmungsmache im Volk, folgte mit seiner Armee den roten Truppen auf dem Fuß und stürzte die separatistischen Regime.

Doch die Auswirkungen der 1946 in Aserbaidschan vereitelten kommunistischen Sezession auf die innenpolitische Weiterentwicklung Irans standen in keinem Verhältnis zu ihrer internationalen Bedeutung. Als die Revolte zusammenbrach, wich die Woge der allgemeinen Begeisterung für den erst 25jährigen Schah sehr bald peinlicher Betretenheit. Der Aufstand war niedergeschlagen, aber die Probleme, die ihn hervorgerufen hatten, blieben weiter ungelöst.

Und während der linke Flügel geschlagen und geächtet war, fiel der Gewinn nicht Muhammad Reza zu, sondern vielmehr den nationalistischen Gruppen. Sie scharten sich um die Person von Mossadeg, dessen Einfluß und Ansehen seit der Aserbaidschan-Krise stetig zu wachsen begann und der schließlich 1951 an die Regierung kam.

Auch diesem zweiten großen Gegner gegenüber verhielt sich der Schah im Prinzip richtig: Er wollte abwarten, bis innenpolitische Streitigkeiten und Fehlspekulationen, wirtschaftlicher Druck und internationale Machenschaften dem Volkstribunen Mossadeg von selbst den Garaus machten.

Zwar ging es dann im August 1953 hart auf hart, die Zeit wäre beinahe für den schon damals einmal ins Ausland geflüchteten Schah kürzer geworden als für seinen Widersacher. Doch das Eingreifen der Militärs, der Sturz Mos-

sadegs und die Rückkehr des Schah gingen dann ziemlich reibungslos vor

sich.

Der Zusammenbruch der Regierung Mossadeg blieb aber für den Nationalstolz und die Selbstachtung der Perser ein schwerer Schlag, ein Trauma, das im Untergrund den weiteren Gang der Dinge bis zur Islamischen Revolution von 1979 mitbestimmte.

Doch kam es dem Schah zunächst zustatten, daß sich Irans nationalistisch-revolutionäre Bewegung bis zu ihrem Zusammenschluß unter dem Schiitenführer Ruhollah Khomeini die ganzen fünfziger und sechziger Jahre lang in einem Zustand beträchtlicher Verwirrung blieb und ein Gemenge gegensätzlicher und sogar feindlicher Elemente darstellte.

Doch ergab sich im Laufe der Jahre aus dem brodelnden oppositionellen Durcheinander wieder eine machtvolle Synthese, eine religiös-soziale Bewegung, welche die schöpferischen Energien des persischen Volkes in Bewegung setzte.

Je mehr die vom Schah am 26. Ja-

nuar 1963 eingeleitete „Weiße Revolution" mit ihrem Sechs-Punkte-Programm sozialer und zivilisatorischer Reformen nach westlichen Leitbildern der marxistischen Linkskritik Fundament und Nährboden entzog, desto höher schlugen die Wogen des schiitischen Fanatismus.

Dem zählte es nichts, daß der „blutrünstige Schah-Tyrann" in den ersten zehn Jahren der Weißen Revolution die Zahl der iranischen Spitäler von 620 auf 1510 erhöhte, die 76 Prozent Analphabeten auf 50 verringerte und über 5 Millionen jungen Iranern das Universitätsstudium im In- und Ausland ermöglichte.

Die alten Vorschriften des Islam wurden von immer breiteren Bevölkerungsschichten wieder als stärker verpflichtend wie das Reformprogramm des Schah und die Vorschriften seines strengen Regiments empfunden. Leistungen großer schiitisch-persischer Vergangenheit wurden zum Maßstab einer Welt, zu der sie nicht mehr paßten, schablonenmäßiges Verhalten wurde zur starren Vorschrift.

Das waren Kräfte, gegen die der Schah weder mit Energie noch Klugheit, weder mit seinen Petrodollars noch den rüden Methoden der SAVAK-Staatspolizei aufkommen konnte. Persiens mittelalterliche Vergangenheit hat ihn überlebt...

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