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Ende globaler Pressefreiheit?

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Internationale Organisationen und Konferenzen über die „Neue Internationale Informationsordnung (NIIO)“ haben in den letzten Monaten Resolutionen und Texte produziert, in denen der Begriff der Pressefreiheit fehlt. Parallel dazu entstanden eine Tendenz der Forderung nach steigender Kontrolle der Massenmedien durch den Staat. Dies beruht auf dem äußerst kleinen Prozentsatz der Mitgliedschaft demokratischer Länder bei internationalen Organisationen sowie im verstärkten politischen Druck des Blocks mehrheitlich autoritärer bis diktatorischer Staaten in jenen Organisationen.

Der Mißerfolg der UNESCO-Kon- ferenz über den Schutz der Journalisten Ende Februar in Paris - der erste seit der internationalen Behandlung des Themas Information - hat die Spaltung und unüberbrückbaren Gegensätze der Auffassungen deutlich gemacht. Es war den 13 vertretenen Berufsorganisationen nicht nur nicht möglich, sich auf einen Minimalkonsens bezüglich eines Forderungskataloges zu einigen, sondern nicht einmal auf einen gemeinsamen Text über die aufgetretenen Meinungsunterschiede.

Seit der französischen Revolution und der Gründung der Vereinigten Staaten hat die Idee der Grundfreiheiten und Menschenrechte immer mehr Bereiche des Lebens sowie Länder erfaßt. Verfassungen und internationale Abkommen erweiterten den Bereich der Pressefreiheit - wie auch den der

anderen Grundrechte - von der Forderung an den Staat, sich jeglicher Akte der Einmischung in Presseangelegenheiten zu enthalten, bis zum Recht auf Förderung der Medien und auf aktiven Schutz der Freiheit und Unabhängigkeit der Medien und ihrer Mitarbeiter.

Seit 1975 befaßt sich die UNESCO, die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, mit Fragen der Kommunikation als einem ihrer aktuellen Hauptgebiete. Das Schlagwort dieser Arbeit heißt „Neue Internationale Informationsordnung“ (NIIO) und ist der „Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung“ (NIWO) nachgebildet.

Das Element der Neuheit und Internationalität liegt in der Initiative von seiten der Dritten Welt und der besonderen Beachtung ihrer Probleme und Forderungen; der Begriff der „Ordnung“ bringt für manche - westliche - Beobachter einen zu starken Akzent auf ein staf^ fixiertes System, das der Idee eines freien Austausches von Informationen widersprechen und eine weitere internationale Organisation mit sehr starken und von der Dritten Welt lenkbaren Reglementierungsrechten entstehen lassen könnte.

Verfolgt man die Texte der internationalen Organisationen, die sich mit dem Problemkreis der Information befassen, findet sich heute keinerlei Erwähnung einer „Freiheit“ der Information oder Kommunikation mehr. Stattdessen wurde der Begriff des „freien und ausgeglichenen Informationsflusses“ eingefiihrt, dem bald der „gerecht ausgeglichene Informationsfluß“ folgte.

Während westliche Medien- und Regierungsvertreter das Recht jedes Menschen betonen, so viele und unterschiedliche Informationen wie möglich empfangen zu können, konzentrieren sich Regierungsabgesandte der Dritten Welt auf das Recht jedes einzelnen, Informationen zu senden, und kritisieren das westliche Modell der Informationsfreiheit als eurozentristisch, koloniali- stisch und als Quelle von weiteren Unfreiheiten und Abhängigkeiten jener Länder, die nicht über die technischen Möglichkeiten weltweiter Informationsverbreitung verfügen.

Zum Teil ist die Kritik der Entwicklungsländer gerechtfertigt, schon wenn man einen numerischen Vergleich der täglichen Meldungen internationaler Presseagenturen anstellt, die zum über

wiegenden Teil lediglich Informationen aus entwickelten Ländern verbreiten. Diese Meldungen werden von vielen Ländern übernommen, müssen übernommen werden, da die meisten Länder keine eigenen Möglichkeiten zu internationaler Informationsbeschaffung besitzen.

Die andere Seite der Problematik liegt im wachsenden Interesse eines Großteils der Entwicklungsländer, die Informationsbeschaffung und -Verbreitung in ihrem Land und darüber hinaus total zu kontrollieren: gesendet darf in beiden Richtungen nur das werden, was dem gerade an der Macht befindlichen Regime freundlich gesinnt ist und nützt.

Diese Einstellung führt zu dem derzeit stark diskutierten Vorschlag der Dritten Welt, Journalisten von einer internationalen Organisation Akkreditierungskarten auszustellen, die ihnen eine Berichterstattung in kritischen Weltgegenden ermöglichen - und sie - gleichzeitig als „internationale wichtige Person“ schützen sollen. Wenn man sich an das Foto des in den ersten Revolutionstagen in Nikaragua erschossenen amerikanischen Journalisten erinnert, der dem feuernden Guerillero

seine Akkreditierungskarte entgegenhielt, wird die angebliche Schutzfunktion einer internationalen Akkreditierungsorganisation für Journalisten fragwürdig, deren Zensurfunktion gegen unliebsame Berichterstatter dafür umso deutlicher.

Die westlichen Vertreter halten die derzeitige Praxis der Ausstellung internationaler Presseausweise durch internationale Berufsorganisationen für genauso zielführend, was den Schutzzweck betrifft, aber dafür gleichzeitig auch für einen sicheren Garanten für die Unabhängigkeit der Berichterstattung.

Resolutionen internationaler Organisationen besitzen keinerlei Rechtscharakter, aber viele Forderungen der Entwicklungsländer der letzten Jahrzehnte wurden in Recht verwandelt: die internationale Gemeinschaft gewöhnt sich an die Formulierungen, die durch lange Jahre hindurch immer wieder von Mehrheiten beschlossen wurden, die Widersprüche verstummten, und ein Quasi-Recht entstand. Derzeit sind sich die westlichen Regierungsvertreter und die Repräsentanten von Journalistenorganisationen und Medienunternehmen demokratischer Länder in ihrer Ablehnung der Forderungen nach weltweiter Zensurmöglichkeit der Informationsbeschaffung einig, sodaß die vorgebrachten Forderungen nicht zu Recht werden können.

Aber allein die Entfernung des Wortes Freiheit aus den Texten der UNESCO-Generalkonfernz von Belgrad 1980 ist bedenklich und sollte besonderes Augenmerk auf dieses für die Verwirklichung der Menschenrechte so entscheidende Kapitel richten, da Grundfreiheiten langsam und mühsam erkämpft worden, aber nur allzu leicht mit einem einzigen unwidersprochenen Handstreich aufhebbar sind.

Die Durchsetzung von Menschenrechten ist eine der schwierigsten internationalen Fragen; die dabei auftretenden Probleme dürfen aber keine Entschuldigung dafür sein, auf den Schutz und die Rechte des einzelnen, gerade in Entwicklungsländern, die diese Hilfe ganz besonders notwendig brauchen, zu verzichten.

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