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Ende gut - alles gut?

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Die Geiseln von Teheran sind wieder daheim. Viele haben aufgeatmet. Aber wir sollten nicht beruhigt zur Tagesord­nung übergehen, sondern unser Gewis­sen erforschen. Denn wir - die soge­nannten „kleinen Leute“ - haben auch versagt. Wir haben geschwiegen, wo man eindringlich, ja leidenschaftlich hätte protestieren müssen.

Seit langem hatte sich die Bezeich­nung „Geiseldrama“ eingebürgert, die auch von den Zeitungen übernommen wurde. Man scheute sich, klipp und klar auszusprechen, daß es sich bei der Geiselnahme und der Festhaltung der Opfer des Menschenraubes um ein völ­kerrechtswidriges Verbrechen von be­sonderer Perfidie handele, um einen kriminellen Akt.

Selbst die totalitären Staaten - von Hitler-Deutschland abgesehen - haben bis jetzt, den internationalen Vereinba­rungen entsprechend, den Status von diplomatischem Personal geachtet. Chomeini und sein Anhang dürfen für sich den traurigen Ruhm in Anspruch nehmen, mit dieser Tradition gebro­chen zu haben.

Bekanntlich wurde die Aktion von sogenannten islamischen Studenten durchgeführt, und der vielgerühmte Ayatollah tat zunächst so, als ob ihn das Ganze gar nichts anginge, um schließlich die Entscheidung über das Schicksal der Geiseln dem Parlament, das zu dieser Zeit noch gar nicht ge­wählt war, zu übertragen.

Dann verging viel Zeit, bis die Frage überhaupt auf die Tagesordnung ge­setzt wurde - bis schließlich die offi­zielle Regierung die Aufgaben der Menschenräuber übernahm.

Man hätte erwarten dürfen, daß die Weltöffentlichkeit nachhaltig auf die­sen Rechtsbruch reagieren würde. Doch das Weltgewissen blieb stumm. Auch in Österreich schienen die Men­schen unberührt davon. Kaum ein Le­serbrief an eine Zeitung, keine Resolu­tion in dafür berufenen Gremien, keine Solidaritätsadresse. Kein Appell und kein Aufruf zur Verurteilung des Ge­waltaktes. Nichts! Wirschwiegen.

Hat uns der Wohlstand so das Herz

verhärtet? Wo sind die Zeiten, da in Wien und anderen Städten Arbeiter in einen Streik traten, um gegen ein Ju­stizverbrechen irgendwo in der Welt zu protestieren?

Vor allem für unsere jungen Freunde wäre hier ein weites Feld für Engage­ment gewesen, insbesondere für die Studenten. Längst bereits hätten sie ihre iranischen Kollegen beschwören müs­sen, sich nicht länger zu der Kette der Menschenrechtsverletzungen mit dem traurigen Höhepunkt der Geiselnahme zu bekennen. Der Verfasser dieses Bei­trages hat einige Jugendfunktionäre persönlich angeschrieben. Es kam nicht einmal eine Antwort.

Nicht wenige Menschen, diedem Ge­waltakt in Teheran völlig verständnis­los gegenüberstehen, haben das blutige und rückständige Schahregime verab­

scheut und sich auch an Kundgebungen für einen freien Iran beteiligt. Daher er­schien ihnen auch die Forderung nach Rückgabe des Schah-Vermögens, das ja vom iranischen Volk herausgepreßt wurde, voll gerechtfertigt. Der Iran hätte die Sympathie und Unterstützung aller rechtlich denkenden Menschen in dieser Frage haben können.

Die Besetzung einer diplomatischen Mission, die Gefangennahme und Be­drohung von an der Sache völlig unbe­teiligten Menschen aber kann nicht als legitimes Mittel angesehen werden. Ein Verbrechen kann man nicht mit einem anderen aufwiegen. Der Zweck heiligt nicht das Mittel!

Es scheint, daß man sich an das Un­geheuerliche gewöhnt, wenn es nur lan­ge genug dauert. Der Iran ist weit und die betroffenen USA auch. Mögen sie

doch - so vermeint man zu hören - ihre Angelegenheiten selber regeln! Viel­leicht ist sogar ein bißchen Schaden­freude gegenüber der stärksten Macht der Welt dabei gewesen, die sich ja auch unbestrittenermaßen selbst oft genug ins Unrecht gesetzt hat.

Aber es ging auch nicht um die Groß­macht, sondern um die bedrohten, ge­quälten Menschen. Und vielleicht soll­ten wir uns im Rückblick doch daran erinnern, daß es US-Soldaten waren, die uns - gemeinsam mit Sowjetarmi- sten- 1945 die Befreiung vom Nazijoch brachten, und daran, daß uns die wirt­schaftliche Hilfe der Vereinigten Staa­ten unmittelbar nach Kriegsende sehr zugute kam.

Sicher waren die Begleitumstände des Verbrechens einmalig. Und den­noch: Da die Erpressung erfolgreich war, könnte dies eine gefährliche Er­mutigung für andere gewalttätige Regi­mes sein, sich ähnlicher Methoden zu bedienen.

Bedenken wir auch, daß die interna­tionale Zusammenarbeit, die Beziehun­gen der Staaten zueinander, eine Si­cherheit des diplomatischen Personals voraussetzen! Andernfalls besteht die Gefahr, daß internationale Beziehun­gen reduziert, da und dort eingefroren werden. Das könnte zu bedenklichen Rückschlägen führen und wäre sicher für den Weltfrieden nicht günstig.

Um ein objektives Bild der Ereig­nisse zu erhalten, muß man natürlich daran erinnern, daß es auf verschiede­nen Ebenen Initiativen zur Befreiung der Geiseln gab.

Leider blieben alle diese Versuche ohne wesentlichen Widerhall in der Weltöffentlichkeit. Keine Rede davon, daß die maßgebenden Persönlichkeiten und Funktionäre ermutigt, gedrängt - ja genötigt worden wären, ihre Initiati­ven zu wiederholen, zu verstärken, die öffentliche Meinung zu mobilisieren, die Kraft der Organisationen in die Waagschale zu werfen.

Soweit bekannt, gab es keine einzige Protestversammlung, keine Beschlüsse von Betriebsräten, Berufsvereinigun­gen etc. Keine Bewegung! Auch die Massenmedien hielten sich allzusehr zurück.

Wir sollten in uns gehen und uns vor­nehmen, uns in ähnlichen künftigen Fällen menschenwürdiger zu verhalten - auch wenn man sich die Probe aufs Exempel nicht wünschen kann.

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