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Endlich: Mund auf!

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Warum soll es eine Umfassende Landesverteidigung geben? Wozu ist sie gut? Wie kann sie begründet werden - moralisch, politisch, militärisch? Wo liegen die Möglichkeiten, wo die Grenzen österreichischer Sicherheitspolitik?

Uber alle diese Fragen ist in Österreich seit Schaffung des Bundesheeres niemals gründlich in aller Öffentlichkeit diskutiert worden. Jetzt will der neue Landesverteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager genau das in Gang setzen: eine „Grundsatzdebatte über alle Aspekte einer umfassenden Sicherheitspolitik Österreichs“.

Zu nichts muß man ihm mehr Glück wünschen als dazu: Sie ist notwendiger als jede zusätzliche Budgetmilliarde (die der Minister freilich auch brauchte). Frischen-

Schlager nahm die Veröffentlichung zweier Meinungsumfragen (s. Kasten auf dieser Seite) zum Anlaß dieser Ankündigung.

Drei positive Schlüsse zieht der Minister aus den Umfragen: die grundsätzlich „sehr vernünftige, sehr distanzierte, aber gesprächsbereite Haltung“ der meisten Jugendlichen gegenüber dem Bundesheer, die auch in den Augen der meisten Jugendlichen zutreffende Vereinbarkeit von Bundesheer und Friedensengagement, aber auch die Ablehnung phrasenhafter Leerformeln wie „Das Bundesheer ist eine Friedensbewegung.“

An der Spitze des Verteidigungsministeriums steht aber endlich auch ein Minister, der sich mit Selbsttäuschung und Schönfärberei nicht zufriedengibt. Auch drei negative Ergebnisse liest er aus den Umfragen heraus, die IFES-Geschäftsführer Ernst Gehmacher ünd Wilhelm Dantine (Fessel) präsentierten:

• DerPräsenzdienstinderheuti- gen Form wirkt nicht motivierend auf junge Leute, oft bewirkt er gar das Gegenteil.

• Die politische Bildung in den Schulen zum Thema Landesverteidigung ist gleichfalls bestenfalls indifferent, häufig gar kontraproduktiv.

• Weibliche Jugendliche haben ein distanzierteres Verhältnis zum Heer als männliche, was in einer Demokratie mit Volksheer auf Dauer nicht angeht.

Deshalb will Frischenschlager die Gründe der Präsenzdienstwirkung genau untersuchen lassen (Ausbildungsreformen sind unvermeidbar), die politische Bildung verbessern (vor allem auch die außerschulische) und die Sicherheitspolitik nicht nur mit Formalbegriffen wie „Neutralität“ begründen, sondern „die Werte in den Vordergrund stellen, die es zu sichern gilt.“

Daß bei den Informationsbemühungen die bisher oft angewandte Holzhammermethode nur das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erreicht (Bumerangeffekt), gab auf der Pressekonferenz schon Wilhelm Dantine zu bedenken.

Und Ernst Gehmacher ist mit Nachdruck zuzustimmen, daß man die Anhänger der Friedensbewegung, die nur zu maximal 15 Prozent für einseitige Ostparolen anfällig sind, nicht durch Verteufelung isolieren und mit Gewalt ins falsche Eck drängen darf.

Vor allem aber ist zu hoffen, daß der Minister endlich erreicht, was seinen Vorgängern weitgehend versagt geblieben ist: in einer umfassenden nationalen Sicherheitsdebatte Verständnis für alle Aspekte der Landesverteidigung zu wecken, von denen die militärische zwar ein wichtiger, aber nicht der einzige Aspekt ist.

Frischenschlager will den Innenminister auf die Notwendigkeit von mehr Engagement für die zivile Landesverteidigung hin- weisen und vom Handelsminister mehr Aktivität für wirtschaftliche Landesverteidigung verlangen.

In die Kompetenz des Unterrichtsministers fällt die geistige

Landesverteidigung (für Frischenschlager ein unglücklicher Begriff) und damit auch die Vorbereitung des ganzen Volkes auf „politische Resistenz“.

Wo er anfangen muß, weiß Frischenschlager: „Die Ünwissen- heit ist selbst in höchsten Politikerkreisen erschreckend.“

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