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Endlich wieder: Ein nationaler Märtyrer

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In politischen Grundsatzfragen ist FPÖ-Langzeit-Obmann Friedrich Peter keinen Schritt vom Pfad der Wankelmütigkeit abgewichen, hat er die sogenannten „Freiheitlichen Grundsätze“ mit so großer Vollkommenheit bis zu jenem Punkt verfolgt, wo hinter jeder Feststellung ein Fragezeichen und hinter allen Zielvorstellungen ein Geheimnis lauert. Seinen Wählern schaffte das Verdruß, der so weit ging, daß von der einst recht stimmenstarken WDU nach immerhin achtzehnjähriger Partei-Führerschaft Friedrich Peters das 5-Prozent-Häufchen der FPÖ übrig geblieben ist. Zu viel zum politischen Sterben, zu wenig, um zwischen den Wahlgängen im politischen Leben Österreichs eine Rolle zu spielen.

Friedrich Peter wollte seine Partei immer wieder konsolidieren: erst verschrieb er ihr den nationalen, später den konservativen, heute einen stark SPÖ-nahen Kurs. Erst sollte seine Partei „Dritte Kraft“ außerhalb der Regierungen sein, später die zweite Geige in einer kleinen Koalition spielen, zuletzt hätte er viel dafür gegeben, wenn seine Partei wenigstens das Anhängsel der SPÖ in einer Bundesregierung hätte sein dürfen. Das Wahlergebnis zog ihm und seiner Partei auch am 5. Oktober 1975 einen roten Strich durch die Rechnung. Viele hatten gedacht, daß damit der Anfang vom

Ende Friedrich Peters als Obmann der FPÖ gekommen sei. Sie irrten; sie irrten selbst, als Simon Wiesenthal das Geheimnis von Peters Zugehörigkeit zur 1. SS-Infanteriebrigade, die im Gebiet der Sowjetunion gegen Zivilbevölkerung eingesetzt wurde und dabei „Banden“ von Juden und Zigeunern liquidierte, preisgab: Friedrich Peter blieb im Parteisattel. Er behauptete, mit diesen Taten nichts zu schaffen gehabt zu haben, davon auch gar nichts gewußt zu haben; versuchte, ein Kriegstagebuch als Fälschung abzutun, und mußte sich schließlich vom Leiter der Deutschen Zentralstelle zur Verfolgung der NS-Verbrechen, Oberstaatsanwalt Rückerl, sagen lassen, daß es einfach unvorstellbar sei, daß Peter tatsächlich von der Ermordung einer großen Zahl von Juden nichts gewußt habe. Selbst Kreisky begann das einzusehen und von „einer sehr unangenehmen Sache“ zu reden. Doch Friedrich Peter blieb.

Er blieb erst recht, als sein alter Widersacher in der FPÖ, Otto Scrinzi, die Feststellung traf: „Wenn erwiesen ist, daß es sich nicht um den Übergriff einer einzelnen Person handelte, sondern um eine Aktion im Zuge eines Gesamtauftrags dieses Regiments, dann ja, dann hoffe ich auf einen Rücktritt Peters. Und davon werde ich nicht abrücken.“ Inzwischen ist Otto Scrinzi nicht nur von dieser Erklärung abgerückt, sondern aus dem Vorstand seiner Partei und — mit Ausnahme des Nationalratsmandats — aus allen anderen Funktionen ausgerückt. Freiwillig, ehe ihm ein Beschluß der FPÖ-Par-teileitung zuvorgekommen wäre. Auch ein Parteiausschluß von Otto Scrinzi, für den insbesondere Tassilo Brösigke und Friedrich Peter eingetreten waren, stand zur Diskussion. Dazu kam es nur deshalb nicht, weil dadurch nicht Otto Scrinzi (er wäre dann „wilder“ Abgeordneter gewesen), sondern dem Häufchen der FPÖ-Aufrechten im Parlament geschadet worden wäre.

Friedrich Peter, mit dessen Resignation auch mit dem FPÖ-Polit-Kult Vertraute schon längere Zeit rechneten, ist innerparteilich stärker denn je. Die Würfel waren schon vor Scrinzis Äußerungen auf dem Landesparteitag der FPÖ Salzburg gefallen, wo man den „Mordssteher“ mit Orationen bejubelte. „Die Landesgruppe Salzburg steht hinter unserem Bundesparteiobmann Friedrich Peter und geht mit ihm durch dick und dünn“, versprach ihm der scheidende Landesparteiobmann Walter Leitner in seiner Abschiedsrede. Im allgemeinen hat das in der Politik nicht viel zu bedeuten; nicht so in der FPÖ, wo man nun endlich einen (deutsch-)nationalen Märtyrer gefunden hat, an dessen Seite zwar keine Wahlerfolge zu erringen, doch schöne Erinnerungen zu pflegen sind.

An die Zeit, da sich Friedrich Peter für große Aufgaben, Führerlehrgänge und so, empfohlen hatte.

Friedrich Peter sagt, er werde in seiner eigenen Angelegenheit nur vor Gericht aussagen. Sb wenig, wie es zu einem Prozeß Kreisky kontra Wiesenthal kommen wird, so wenig wird auch Friedrich Peter je Gelegenheit erhalten, vor Gericht die Karten auf den Tisch zu legen. Die Mehrheit, und das ist Kreiskys SPÖ, — soll in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß diese Affäre regeln; demnach Justiz der stärkeren Partei betreiben, eine sehr merkwürdige Vorgangsweise, die SPÖ und FPÖ dem vorgeblichen Rechtsstaat Österreich antun möchten.

In der SPÖ gibt es nicht viele Freunde Friedrich Peters. Es gibt weder an der Basis noch an der Spitze der SPÖ ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit über den Mord an Juden vor mehr als dreißig Jahren und über antisemitische Äußerungen im Jahr 1975. Man soll das auch den Mitarbeitern der „Arbeiter-Zeitung“ nicht unterstellen, auch wenn man als Leser dieser achtbaren Zeitung nun den Eindruck gewinnt, daß dort antisemitische Äußerungen ziemlich widerspruchslos zur Kenntnis genommen werden. So ist es nicht, und wenn es doch so zu sein scheint, dann hängt das mit der Person des Parteivorsitzenden zusammen, der, wie Vorsitzende in allen anderen autoritär geführten Parteien, außerhalb jeder offenen Kritik steht. Bruno Kreisky schützt Friedrich Peter, womit dort auch fast jede Diskussion über den FPÖ-Obmann zu entfallen hat. Das waren für die SPÖ und die „Arbeiter-Zeitung“ halt noch Zeiten, als man sich über die Zugehörigkeit des knapp 16jährigen Alois Lugger zur Heimwehr entrüsten durfte! Aber das ist keine merkwürdige, sondern eine „miese'' Moral, die Friedrich Peter in der SPÖ und dann auch noch in seiner Partei am politischen Leben hält. Und der Geist und Wille eines „Mordsstehers“ dazu, der noch in anderen Zeiten anderes durchgestanden hat.

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