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Endrunde auch in Bonn

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Vier Wochen vor den Bundestagswahlen in der Bundesrepublik ist der WaWttoaimpf nicht nur in seine heiße Phase eingetreten, er bescherte so manchem Wähler auch eine kalte Dusche. Denn eine Konfrontation der beiden Spitzenkandidaten Schmidt (SPD) .und Kahl (CDU) im Fernsehen wind nicht stattfinden. Der hartnäckigen Forderung des Unionskandildaten nach einem „Fern-sehdueffll“ tot der SPD/FDP-Bundeskanzler nach einigem Hin und Her ein ' endgültiges „Nein“ entgegengesetzt. Kohl kann nun weiter durch die Lande ziehen und erklären, Schmidt haibe vor einem Duell mit ihm. „gekniffen“ und dem so geschmähten Kanzler bleibt nicht viel mehr übrig, als die Faust in der Tasche zu ballen.

Zu geschlickt hatte Kohl den Vorschlag zum Fernsehduell plaziert. Vom Medienexperten Gerd Bacher beraten, verlangte Kohl die direkte und ausschließliche Konfrontation mit Schmidt, obwohl bereits bekannt war, daß sich der Kanzler dazu aus Rücksicht auf seinen FDP-Koali-tionspartner nicht bereitfinden würde. Genscher befürchtete, ins Abseits gedrängt zu werden, wenn der Wahlr kämpf zu einem Entscheidungskampf zwischen der SPD und den Unionsr Parteien würde. Diese koalitionspolitisch bedingte. Zurückhaltung seines Kontrahenten nutzte KoM zum Vorwurf, der Kanzler drücke sich vor einem Fernsehduell. ...

Kohl konnte sich von einem solchen Gespräch einiges erwarten. Denn seine Stärken könnten über das Medium recht gut beim Wähler ankommen. Seine Väterlichkeit, seine menschliche Wärme kann Kohl auch auf dem Bildschirm gut zur Geltung bringen. Selbst für den Fall, daß er in der Argumentation gegenüber Schmidt unterlegen wäre, hätte dies noch zu Kohls Gunsten wirken können. Denn bei der bekannten herablassenden, belehrenden und gelegentlich arroganten Art, die Schmidt im Umgang mit ihm in der Diskussion nicht gewachsenen Partnern zeigt, hätte Kohl sogar noch erhebliche Mitileidseiffekte für isich buchen können.

Aber selbst nachdem es Kohl nicht gelungen ist, seinen Gegner zum Duell vor die Kamera zu holen, einen Erfolg kann er doch buchen. Es ist ihm gelungen, deutlich zu machen, daß Schmidt und Genscher untrennbar miteinander verbunden sind und der selbstbewußte Schmidt allein nicht Politik zu machen vermag.

Allerdings hat Schmidt umgekehrt mindestens so starke Argumente und hat diese auch als Begründung für seine Verweigerung zum gemeinsamen Fernsehauftritt mit Kohl verwendet. Er weigert sich, allein mit Kohl zu sprechen. Er wünscht, daß auch Strauß dabei ist, da dieser der mächtige Mann in einem Kalbinett Kohl wäre. Das Ergebnis solcher Argumente auf beiden Seiten wird wohl sein, daß es nur Vierer-Diskussionen geben wird, in denen Schmidt und Genscher auf der einen und Kohl und Strauß auf der anderen sitzen werden.

Damit könnte es Schmidt gelingen, bei breiteten Wählerschichten die Rolle von Strauß in der Unionspolitik hervorzukehren. Ist es in der sozialliberalen Koalition ein offenes Geheimnis, daß hier zwei Partner das Reden haben, so wind auf der Unionsseite die Rolle der CSU und ihres Vorsitzenden immer wieder heruntergespielt. Dabei hat Strauß in der Vorgeschichte 'dieses Wahl-kampfes und in ihm seihst eine nur zu gewichtige Rolle gespielt.

Strauß war es, der Kohls Berufung zum Kanzlerkandidaten immer wieder in Frage gestellt hat. Kohl hat heute noch die Hypothek zu tragen, daß er von der CSU nur als bedingt fähiger Kanzlerkandidat eingestuft wurde. Wenn Köhl auch nicht jene Marionette von Strauß ist, als den ihn die SPD-Propaganda immer wieder hinstellt, so hat Strauß doch in den letzten Wochen wieder deutlich gezeigt, daß ohne ihn wenig -und gegen ihn gar nichts bei den Unionsparteien geschehen kann.

Qualvoll mußten die Unäöns-An-hänger mit ansehen, wie die Benennung der zukünftigen Regierungsmannschaft von Kohl immer wieder hinausgeschoben wurde, weil Strauß sich noch nicht entschieden hatte. Erst als der CSU-Vorsitzende in einer Fernsehdiskussion bekannt gab, daß er Finanzminister werden wolle, dabei aber auch die Außenpolitik im Auge und möglicherweise fest im Griff halben wolle, konnte Köhl Namen und Ressorts nennen. Dabei zeigte es sich, daß der konservative!, Strauß nahestehende Flügel stank vertreten ist. Mit Dregger im Innen-, Carstens im Außen- und Stoltenberg im Wirtschaftsministerium sind klare Prioritäten gesetzt.

Zwar schob Köhl später noch Namen nach, die melhr die liberalen Wählerschichten ansprechen dürften, doch war die Verlegenheit dabei nicht zu übersehen, da sie nicht mit Ressorts in Zusammenhang gebracht wurden. Wahltaktische Überlegungen standen hier deutlich im Vordergrund, ebenso wie bei der Ankündigung, fünf Frauen würden in einer Regierung Köhl mitwirken. Hier wurde geradezu plump darauf reagiert, daß die Unionsparteien bei den weiblichen Wählern Sympathievorteile haben.

Trotz der etwas mißglückten Vorstellung einer eventuellen Regierungsmannschaft hat KoM jedoch in der Anfangsphase des heißen Abschnitts des Wahlkampfs gegenüber seinen Kontrahenten die Nase vorn gehabt. Schmidt war in die Defensive gedrängt, und der „Macher“ sah sich plötzlich gezwungen zu reagieren, wo er gerne nur agiert hätte. Trotz des verschlafenen WaWkampf-starts der SPD ist das Rennen jedoch noch völlig offen. Schmidt darf sich noch immer auf seinen Kanzlerbonus verlassen, den ihm die Demoskopen Woche für Woche bestätigen. Außerdem haben SPD und FDP den Vorteil, nur zusammen die Mehrheit erringen zu müssen, während die Union ganz alleine die absolute Mehrheit schaffen muß. Daß hier eine nahezu unüberwindliche Hürde liegt, weiß auch Kohl. Sicherheitshalber hat er bereits jetzt verkündet, daß er auch dann Walhilsieger wäre, wenn er nicht Kanzler würde, die Union alber wieder stärkste Fraktion im Bundestag.

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