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Endstation der Staffelmalerei

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Mit seinem ahistorischen Bekenntnis zur „Kunst als Kunst“ („Kunst ist Kunst. Anderes ist anderes...“) hat Ad Reinhardt sein eigenes Schaffen wie die Rolle der Kunst in der Geschichte charakterisiert. „Kunst als Kunst“, quasi eine Kehrtwendung nach dem doktrinären Ästhetizismus des „L'art pour Part“ im 19. Jahrhundert, sollte ein alle Epochen der Kunst vereinigendes Konzept in Worte fassen und zugleich als Schlachtruf gegen den Materialismus dienen.

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Mit seinem ahistorischen Bekenntnis zur „Kunst als Kunst“ („Kunst ist Kunst. Anderes ist anderes...“) hat Ad Reinhardt sein eigenes Schaffen wie die Rolle der Kunst in der Geschichte charakterisiert. „Kunst als Kunst“, quasi eine Kehrtwendung nach dem doktrinären Ästhetizismus des „L'art pour Part“ im 19. Jahrhundert, sollte ein alle Epochen der Kunst vereinigendes Konzept in Worte fassen und zugleich als Schlachtruf gegen den Materialismus dienen.

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Und konsequent wie er, selbst Theoretisches schreibend, seiner Philosophie der gereinigten Kunst huldigte, malte er auch seit den dreißiger Jahren bis zu seinem Tod 1966 Bild für Bild, eine Werkreihe, die einer Gratwanderung gleichkommt, weil sie von Anfang an auf die strenge Geometrie zustrebt und schließlich im Verlöschen dessen kulminiert, was wir heute als „Handschrift“ und „Ausdrucksmittel“ so hochloben.

Ad Reinhardt, Jahrgang 1913, gebürtig aus New York, war in seinen Anfängen zwar stark von den Meisterleistungen des europäischen Kubismus beeinflußt. Mark Tobeys kalligraphische Bilder, dann die vertikal-horizontalen Kompositionen Piet Mondrians, schließlich Meditationsbilder, etwa der Zen-Philoso-phen, spielten in sein Schaffen: Man kann das in den formal kubistisch-verblockten, dann allmählich impressionistisch-abstrakt sich auflösenden, schließlich einer immer strengeren Geometrie zuneigenden Werken (schwarze Tafeln, weißes Kreuz auf weißem Grund) genau verfolgen.

„Endstation der Staffeleimalerei“ nannte man die Arbeiten, die manchmal an Malewitschs kärgste, spartanischste Bilder erinnern. Und vor allem mit ihnen wollte der aggressive Reinhardt dokumentieren, daß die Kunstgeschichte im Grund doch nur eine Formgeschichte, eine permanente Wiederkehr bestimmter Motive ist, daß Malerei eine immer neue Drapierung, eine neue Variation eines alten Formenbestandes ist. Eigentlich ein geistig konservativer Standpunkt, der seine Entsprechung in gewissen kunstphänomenologi-schen Untersuchungen der dreißiger und vierziger Jahre findet und mit dem „utopisch“-radikalen Zielpunkt einer Auflösung des Malerischen und der Malerei in seltsamem Kontrast steht.

Mit dieser Ad-Reinhardt-Ausstel-lung — sie wurde von der Zürcher Marlborough-Galerie zusammengestellt und soeben aus der Düsseldorfer Kunsthalle übernommen — hat das Musuem des 20. Jahrhunderts nach langem wieder (bis Mitte September) eine internationale Schau, das Oeuvre eines der großen Einzelgänger der amerikanischen Malerei der Mitte unseres Jahrhunderts, dessen große Werke, vor allem die schwarzen Tafeln, heute auf dem internationalen Kunstmarkt kaum noch unter einer Million Schilling zu kaufen sind.

Uberwältigend übrigens, wenn man das „Zwanzger-Haus“ betritt und inmitten des „schwarzen“ Raums steht: Ikonen gleich, ziehen diese großformatigen Tafeln alle Konzentration auf sich. Man versteht plötzlich, wohin Reinhardt lenken wollte, um so mehr, als wir heute, in der Kunst eingespannt zwischen den Polen eines schroffen Realismus und einer introvertierten Weltflucht, längst nicht mehr an die Faszinationskraft dieser Kunst der Aussparung, der Dialektik gegenüber dem

Malerischen, der Versenkung in die Strahlungskraft der Farbe glauben. Auch wenn vielen Betrachtern seiner Bilder seine metaphysischen Spekulationen nur schwer venständlich sein werden, zum Beispiel seine Antithese „Kunst als Lebloses, im Gegensatz zur belebten Natur“, Kunst als „Gegenwelt“, die ihre Würde aus der Starre bezieht usw., werden sie doch über die Konsequenz dieses Malers und Kunstphilosophen staunen, der im Alleingang bis an die äußersten Grenzen der Malerei vorgestoßen ist und in seinen Werken trotz aller totalen Reduktion seine unverkennbare Eigenart bewahrt hat: Eine Eigenart freilich, die niemals billige „Masche“, „Manier“ wurde ... Erstaunlich übrigens, welch subtilen Humor Reinhardt auszubreiten verstand: Im Museum des 20. Jahrhunderts sind außer den Bildern der dreißiger Jahre, den lyrischen Abstraktionen, der streng-geometrischen, vorwiegend schwarzen Periode und den farbigen fast kalligraphischen Bildern auch seine Witzkollagen zu sehen: Brillant komponierte Assoziationsblätter voll geistvoller Angriffe und scharfer Pointen, etwa ,A portend of the Artist as a Yhung Mandala“, eine Paraphrase auf James Joyces labyrinthischen Text „A Portrait of the Artist as a Young Man“, „Die richtige Betrachtung einer. Spirale“ usw.

Eine Ausstellung für Kenner.

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