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Endzeit für Südafrika ?

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Wieder einmal wird für Südafrika die Endzeit angesagt. Nach den schweren Unruhen in den schwarzen Town-ships im östlichen Kapland seit dem 21. März sehen manche schon die Götterdämmerung der Herrschaft der weißen Minderheit am Horizont heraufziehen.

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Wieder einmal wird für Südafrika die Endzeit angesagt. Nach den schweren Unruhen in den schwarzen Town-ships im östlichen Kapland seit dem 21. März sehen manche schon die Götterdämmerung der Herrschaft der weißen Minderheit am Horizont heraufziehen.

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Eilige Untergangspropheten sehen das Land schon am Rand der Katastrophe und sagen für das kommende Jahr den Bürgerkrieg voraus. So war es auch nach den Massakern von Sharpeville vor 25 Jahren, ähnlich auch 1976 nach dem Aufstand von Soweto, bei dem mehrere hundert Menschen ums Leben gekommen sind. Es kam nicht so. Das Apartheidregime hat ein zähes Leben.

Es wird sich wohl auch diesmal die harte Hand Pretorias durchsetzen, die kein Zögern beim Einsatz von Polizei und sogar der Armee kennt, wenn es darum geht, „Gesetz und Ordnung” wiederherzustellen. Aber der Spielraum für friedliche Lösungen ist wieder ein bißchen kleiner geworden, der Zorn und die Verbitterung der schwarzen Bevölkerung wieder größer, die Zeit wieder etwas kürzer.

Die Katastrophe ist geschehen, die schwarzen Wohnstädte mit dem seltsamen Namen Township, die am Rand jeder größeren weißen Siedlung in Südafrika liegen, kommen nicht mehr zur Ruhe. 40 Menschen sind in den letzten Tagen ums Leben gekommen, viele auch bei Racheakten der Schwarzen an jenen ihrer Mitbürger, die verdächtigt werden, „Kollaborateure” mit den weißen Behörden zu sein.

Der Horizont für Südafrika hat sich verdüstert. Die Reform- und Aufbruchsstimmung unter den aufgeklärten Weißen vom vorigen Jahr ist Ernüchterung gewichen, die Unruhen und die anhaltende Wirtschaftskrise drücken auf die Stimmung. Die neue Verfassung, die seit vergangenem Herbst den Indern und Farbigen eine Vertretung in einem Drei-Kammer-Parlament gibt und P. W. Botha auf den Posten des über allem stehenden und mit umfangreichen Regierungsvollmachten ausgestatteten Präsidenten gehievt hat, hat den Schwarzen ihre Deklassierung und die Aussichtslosigkeit ihrer politischen Aspirationen nur noch deutlicher vor Augen geführt.

Als trügerisch hat sich aber auch die Hoffnung erwiesen, aus der außenpolitischen Isolierung herauszukommen. Der Vertrag von Nkomati mit Mozambique hat die Entspannung gegenüber den nördlichen Nachbarn in Afrika nicht in dem erwarteten Maß gebracht, in Namibia stagniert die Entwicklung, in den USA hat die

Anti-Apartheid-Bewegung neuen Schwung erhalten, die Forderung nach Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika wird immer vehementer.

Am bedrohlichsten ist aber die Wirtschaftskrise, die schwerste Rezession, die das Land seit der burischen Herrschaft erlebt. Hier liegen auch die unmittelbaren Ursachen für die Welle des Aufbegehrens in den schwarzen Wohnstädten.

Der Goldpreis — ein Schlüsselwert der südafrikanischen Ökonomie—ist seit zwei Jahren auf einem Tiefstand, die Inflation hat nicht nachgelassen, die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Die Folgen der schweren Dürre, die den gesamten Süden Afrikas heimgesucht hat, sind auch in Südafrika noch längst nicht überwunden. Das Land mußte seit Menschengedenken zum erstenmal Getreide einführen.

Die Schwarzen trifft die Krise schwerer, sie tragen die Last der Arbeitslosigkeit, wiewohl auch zunehmend die ärmeren Schichten der Weißen betroffen sind, was die Rassenspannungen nur verschärft.

Die Apartheid äußert sich nicht nur in politischer Entrechtung, sie hat auch unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen und erzeugt massive Ungleichheiten in den Existenzbedingungen zwischen Schwarz und Weiß. Uberwunden wird die Rassengesellschaft daher nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich.

Die Forderungen derer, die jetzt in den Townships auf die Straße gehen, richten sich zunächst auf die unmittelbar fühlbaren Nöte: schlechte Ausbildung, unzureichende Schulen, keine Arbeit, Steuer- und Inflationsdruck.

Gerade die Dynamik der Wirtschaft war es, die in den letzten Jahren Durchbrüche zugunsten der Schwarzen gebracht hat, die „durch die Hintertür” auch politische Folgen haben, die nicht sofort bemerkt werden. Die Zulassung schwarzer Gewerkschaften und die Arbeitsgesetzgebung waren bisher die einzigen substantiellen Lockerungen des Apartheidregimes. Die Notwendigkeiten der Wirtschaft erzwangen diese Schwächung der Rassenschranken.

Die Wirtschaft braucht besser ausgebildete schwarze Arbeitskräfte, und sie muß ihnen zugleich Arbeitsplätze geben können, wenn in.den nächsten Jahren weitere Millionen auf den Arbeitsmarkt strömen werden. Nur eine expandierende Wirtschaft wird dazu imstande sein.

Deshalb sind auch die unablässigen Aufrufe etwa des Friedensnobelpreisträgers Bischof Tutu zu einem Wirtschaftsboykott und die „Disinvestmenf'-Kampagne, die vor allem an die USA adressiert ist, kontraproduktiv. Sie schadet gerade jenen, denen sie nützen soll.

Denn Druck von außen löst bei den Buren nicht Einsicht und Umkehr aus, sondern weckt den Wagenburg-Instinkt und mobilisiert Abwehr und Verfolgungskomplexe.

Die südafrikanischen Unternehmerverbände haben vor einigen Wochen einen umfangreichen Forderungskatalog an die Regierung gestellt, der zwar nicht die zentrale Frage der politischen Macht berührt, dessen Erfüllung aber die Abschaffung der Apartheid in ihren augenfälligsten und abstoßendsten Aspekten zur Folge haben müßte.

Da ist die Abschaffung der getrennten Wohngebiete für die verschiedenen „Rassen”, die die Schwarzen zwingt, oft unverhältnismäßig lange Anfahrtswege zum Arbeitsplatz in Kauf zu nehmen. Da ist die Abschaffung der Paßgesetze, die aus jedem schwarzen Südafrikaner einen fiktiven Staatsbürger eines Ho-melands machen und ihm nur Gastrechte im „weißen Südafrika” gewähren.

Schmaler Grat für Botha

Da ist das System der Wanderarbeiter, die sich nicht in der Nähe ihres Arbeitsplatzes ansiedeln dürfen und alle zwei Jahre in ihre Heimat innerhalb oder außerhalb Südafrikas zurückgeschickt werden, damit sie keine Daueraufenthaltsgenehmigungen erwerben können. Sie sind gezwungen, über ^Jahre hinweg eine Art Kasernenleben zu führen.

Da sind schließlich die unmenschlichen und kostspieligen Massenumsiedlungen in größtem Ausmaß, von denen in den letzten 35 Jahren nahezu drei Millionen Menschen betroffen waren.

Zu den seit Jahren immer wieder versprochenen Reformen gehört eine Regelung der Rechtsstellung der ständig in den „Weißen Gebieten”, das heißt am Rand der Großstädte, lebenden Schwarzen, die keinerlei Bindung zu einem Homeland haben, dem sie zugerechnet werden.

Bei der Eröffnung des Parlaments hat Botha angekündigt, daß man nun darangehen werde, diesen „urban blacks” eine Vertretung bis auf „die höchste Ebene des politischen Lebens” zu geben. Was das im einzelnen bedeuten soll, ist wahrscheinlich mit voller Absicht offengelassen worden. Er versprach auch die Schaffung eines Diskussionsforums mit Mitgliedern aller Rassen und Bevölkerungsgruppen zur Lösung des südafrikanischen Dilemmas. Die

Gesprächspartner dafür hat er aber noch nicht gefunden.

Der Grat für Reformen, wenn Botha sie überhaupt will, was man ihm aber wird zugestehen müssen, ist schmal geworden. Eine immer größere Zahl von Schwarzen ist nicht interessiert an irgendwelchen Lockerungen der Apartheid, sondern nur noch an der zentralen Frage der politischen Macht. Uber die aber kann und will Botha mit seinen weißen — englischsprechenden wie burischen - Landsleuten nicht reden.

Die Radikalisierung der Weißen hat ohnehin schon bedenkliche Formen angenommen. Es gibt nicht wenige südafrikanische Beobachter, die meinen, daß vor einer schwarzen Revolution eher eine weiße Konterrevolution stehen würde.

Noch aber müßte Raum für einen dritten Weg sein.

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