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Energie aus Überschüssen

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Bäuerliche Kteinbetriebe leben am Existenzminimum, die Überschüsse der Großbetriebe werden subventioniert verschleudert: Auf der Suche nach einer neuen Agrarpolitik.

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Bäuerliche Kteinbetriebe leben am Existenzminimum, die Überschüsse der Großbetriebe werden subventioniert verschleudert: Auf der Suche nach einer neuen Agrarpolitik.

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Daß es so nicht weitergehen kann, ist allen klar. Die Uberschüsse der Landwirtschaft sind nicht mehr zu finanzieren. Die industrielle Ausbeutung des Bodens, mit all ihren negativen Auswirkungen für jegliches Leben, schwebt wie ein Damoklesschwert über unserer Erde. Bäuerliche Kleinbetriebe erwirtSchäften gerade noch das Existenzminimum. Immer weniger Großbetriebe erzeugen immer mehr subventionierte Uberschüsse, die zu Schleuderpreisen am Weltmarkt „verkauft“ werden.

Eine Fülle wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Probleme, die mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft sicher nicht kleiner werden.

Mit welchen dringend notwendigen Maßnahmen versucht man innerhalb der Europäischen Gemeinschaft die Uberschüsse in den Griff zu bekommen? Welche Bedeutung hat der in den letzten Jahren in Österreich forcierte Alternativpflanzenbau für die europäische Landwirtschaft?

Für Wolfgang von Geldern, Bonn, ist der „schnelle“ Abbau der Uberschußproduktion oberstes “Gebot. Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, daß mit der Radikalkur—die Flächenstillegungen, Quoten und Garantiemengen vorsieht — alle zwölf Mitgliedsländer einverstanden sein müssen.

Neben den „Erste-Hilfe-Maß-nahmen“ werden auch Überlegungen für eine Langzeit-Therapie angestellt. Seit Jahren unterstützt die Europäische Gemeinschaft ein Forschungsprogramm, das sich mit Anbau- und Verwendung nachwachsender Rohstoffe beschäftigt, denn „der Staat ist verpflichtet, Vorsorge für spätere Jahre zu treffen, damit das notwendige Rüstzeug bereitsteht, wenn sich die wirtschaftliche Situation ändert“. Und die Situation wird sich ändern.

Die Vorräte an fossilen Energieträgern, wie Kohle und öl, sind in den nächsten 70 bis 100 Jahren erschöpft. Mittel- bis langfristig muß somit der Anbau und die Produktion von biogenen oder nachwachsenden Rohstoffen an Bedeutung gewinnen.

Bereits heute ist es in Teilbereichen mögüch, pflanzliche Rohstoffe als Produktionsalternativen einzusetzen. Die deutsche chemische Industrie deckt zehn Prozent ihres Bedarfs aus nachwachsenden Rohstoffen, die allerdings — aus wirtschaftlichen Gründen — überwiegend aus Drittländern eingeführt werden!

Ernstzunehmenden Schätzungen zufolge könnten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zwei Millionen Hektar für die chemische Industrie und 120.000 Hektar für die Textilindustrie mit nachwachsenden Rohstoffen bebaut werden. Nicht viel, wenn man die überschüssige Fläche für Nahrungszwecke innerhalb der Europäischen Gemeinschaft auf zehn Millionen Hektar schätzt.

Hier würde erst eine Entlastung eintreten, wenn der Energiemarkt aufgeschlossen wird, was derzeit nur mit erheblichen finanziellen Mitteln möglich wäre. Bis heute werden dafür keine Flächen in Anspruch genommen, doch geht man davon aus, daß für die Erzeugung von Ethanol zwei Millionen Hektar und für Pflanzenöl etwa 4,5 Millionen Hektar benötigt werden. Alles in allem ein Konzept, welches die Uberschußflächen in der europäischen Landwirtschaft zum Verschwinden brächte.

Aber vom Umstieg auf Energie aus nachwachsenden Rohstoffen ist keine Rede. Es drängt sich die Frage auf, ob wirtschaftliche Überlegungen Rechtfertigung genug sind, unsere Erde weiter zu plündern und den fossilen Brennstoffen und der Atomkraft den Vorzug zu geben. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint auch die in Österreich neuerdings diskutierte Energieabgabe in einem neuen Licht.

Wenn auch klar ist, daß aus nachwachsenden Rohstoffen nur ein Teil der benötigten Energie gewonnen werden kann, ist hier ein Ansatz zur Lösung vieler Umweltprobleme zu sehen. Dem Ziel, die Zerstörung der Lebensgrundlagen zu stoppen, um auch nachkommenden Generationen eine reelle Lebenschance zu lassen, würden wir uns etwas nähern.

Zu diesem Thema hielt Wolf gang von Geldern. Staatssekretär im Bonner Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forste, einen Vortrag anläßlich der 35. Wintertagung der Osterr. Gesellschaft für Land-und Forstwirtschaftspolitik in Wien.

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