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Energie besteuern

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In der Bundesrepublik soll die Erhöhung der Mineralölsteuer „nur“ die Staatskasse füllen. Womit eine diskussionswürdige Idee abermals in Mißkredit gebracht wurde.

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In der Bundesrepublik soll die Erhöhung der Mineralölsteuer „nur“ die Staatskasse füllen. Womit eine diskussionswürdige Idee abermals in Mißkredit gebracht wurde.

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Die ab 1989 geplante Erhöhung von Tabak- und Mineralölsteuern hat die bundesdeutsche Regierung, Finanzminister Gerhard Stoltenberg und seine ohnehin bereits heftigst umstrittene Steuerreform erneut unter Beschuß gebracht. Der Streit üm die Steuerbefreiung von Flugbenzin für Privatflieger war dabei fast nur eine Marginalie.

Stoltenbergs Absicht, die genannten Verbrauchssteuern in zwei Schritten, nämlich 1989 um fünf und 1991 um weitere drei Milliarden D-Mark zu erhöhen, wird heftig kritisiert. Nicht nur von der Opposition, sondern auch von der mittelständischen Wirtschaft, der Industrie und teilweise auch von wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten. Manche sprechen von „Betrug“ und „Mogelei“, weil die in den unteren Einkommensbereichen ohnedies kaum spürbare Entlastung aus der Steuerreform auf diesem Weg womöglich mehr als wieder abkassiert wird.

Die Ökonomen befürchten auf internationaler Ebene Einwände gegen eine derartige restriktive Maßnahme, wo doch gerade von der Bundesrepublik immer Expansion gefordert wird. Die Konjunktur selbst würde unter diesen Maßnahmen leiden, heißt es. Die Inflationsrate werde um einen guten halben Prozentpunkt höher ausfallen als ohne diese Steuern. , Noch bedauerlicher an dieser Entwicklung ist aber, daß damit eine diskussionswürdige Idee, nämlich die einer Energiesteuer oder -abgäbe, abermals in Mißkredit gebracht wird. Denn die derzeit in unserem Nachbarland laufende Diskussion behandelt das Thema fast nur unter rein fiskalischen Aspekten, das heißt, auf diesem Weg sollen möglichst viele Einnahmen in die Staatskassen gebracht werden.

Aber der Begriff einer Steuer hängt ja nicht zufällig mit dem Wort „steuern“ im Sinne einer Lenkungsfunktion auf volkswirtschaftlich sinnvolle Zielsetzungen hin, zusammen. Auch die Energiepreise sollen ihre marktwirtschaftliche Funktion der Koordination von Unternehmens- und Konsumentenentscheidungen erfüllen. In diesem Marktprozeß kann und soll jedoch steuernd eingegriffen werden, wenn längerfristige und übergeordnete Ziele — im Falle der Energiesteuer etwa Versorgungsversicherung und Umweltpolitik — auf diesem Wege nicht oder nicht ausreichend verfolgt werden können.

So hatten die Staaten ölpreis-steigerungen der siebziger Jahre durch Substitution und rationelleren Einsätz zu einem deutlich verminderten Verbrauch geführt. Es erscheint überflüssig, auszuführen, daß dieser Minderverbrauch eine Reihe positiver Auswirkungen auf die Leistungsbilanzen der importierenden Länder, auf die Effizienz des Energieverbrauchs und auf die Umwelt-' belastung hatte.

Diese Erfolge wollte man beibehalten, als ab 1986 die ölpreise wieder zu sinken begannen. Damals tauchte die Idee auf, die Verbraucherpreise der Erdölprodukte zu stabilisieren und Verbilli-gungen abzuschöpfen. Das sollte weiterhin zu sparsamem Verbrauch anhalten und energiesparende Investitionen nicht wieder unrentabel machen. Eine Idee, die von verschiedenen Interessenvertretungen und den Erdölimporteuren zumindest in Österreich rasch durchkreuzt wurde.

Die Befürworter einer Energiesteuer oder -abgäbe können folgendes vorbringen: Neben den fiskalischen und ökologischen Gesichtspunkten wird durch eine solche Maßnahme nicht das generelle, sondern das qualitative Wachstum gefördert. Die Energiesteuer liefert der Industrie die dafür nötigen Innovations- und Investitionsimpulse. Für ein im hohen Ausmaß von Energieimporten abhängiges Land bietet sich als einfache und effiziente Form der Einhebung ein Zoll oder eine Importabgabe an. Im Inland erzeugte, erneuerbare und förderungswürdige Energiequellen sind daher leicht auszunehmen. Die Einfachheit dieser Besteuerung geht einher mit ihrer Unumgänglichkeit: Man kann sich ihr nur durch Minderverbrauch entziehen, was aber energiepolitisch in höchstem Maße erwünscht ist. Die Konsumstruktur würde sich zu weniger energieintensiven Produkten verschieben. Sozial schwächere Schichten müßten entsprechend unterstützt werden.

Für die Befürworter drängt sich die importierte, nicht erneuerbare Energie als Objekt der Besteuerung geradezu auf, weil Energie Voraussetzung des Wohlstandes, aber auch der Umweltprobleme ist und kein Weg am sparsamen Einsatz vorbeiführt.

Die Gegner von Energiesteuern hingegen glauben nicht an größere Auswirkungen im Konsumbereich (zum Beispiel beim Benzinverbrauch) und befürchten negative Auswirkungen und Wettbewerbsnachteile in energieintensiven Branchen.

Man kann sich der Frage der Energiesteuer aber noch auf einer anderen, wesentlich grundsätzlicheren Ebene nähern, nämlich von der Frage, ob das derzeitige Steuersystem noch zeitgemäß ist. Gegenwärtig setzt die Besteuerung in erster Linie am Faktor Arbeit und dem Wert an, der den Vorprodukten und der eingesetzten Energie hinzugefügt wird. Während der Einsatz von Arbeit mit einer Reihe von Nebenkosten ' für die Unternehmen belastet ist, unterliegt die Verwendung von Rohmaterialien und Energie keiner relevanten Belastung. Die Kosten des Arbeitseinsatzes sind daher zu Lasten der Arbeit verzerrt, was in Zeiten relativ hoher Arbeitslosigkeit nicht sinnvoll erscheint, während einer eher lok-keren Verwendung von Vorprodukten und Energie und damit einer Umweltbelastung Vorschub geleistet wird.

Eine Energiesteuer könnte demnach die Preisrelation zwischen Arbeit und Energie etwas korrigieren, sodaß nicht mehr beim Faktor Arbeit der größte Anreiz auf Einsparungen besteht. Ein mögliches Konzept wäre daher, die aus der Energiesteuer eingehobenen Beträge beispielsweise zur Senkung von Lohnnebenkosten zu verwenden. Damit wäre auch die eingangs angeführte Befürchtung einer Konjunkturdämpfung, wie sie aus dem derzeit in der Bundesrepublik beabsichtigten Modell einer reinen Verbrauchssteuer resultiert, vom Tisch. Die erhobenen Mittel würden nicht eingespart, sondern bloß umgeschichtet. Es entstünde Anreiz, weniger beim Arbeits- als beim Energieeinsatz zu sparen, was wesentlich besser in die gegenwärtige und auch auf mittlere Sicht zu erwartende wirtschaftspolitische Lage nicht nur in Österreich passenvwürde.

Eine derartige Diskussion findet bei uns aber kaum statt und hat auch in der Steuerreform wenig Niederschlag gefunden.

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