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Energiesparen — aber wie?

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Fest steht, daß die Weihnachtsfeiertage vorläufig die letzte Periode des Benzinprassens in Österreich sein werden. Nachher beginnt das große Fasten. Die Regierung kündigt dies aber frühzeitig an, offenbar um den Hamsterern noch eine Chance zu geben, sich einzudecken und die für die Allgemeinheit vorhandenen Reserven zu schmälern.

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Fest steht, daß die Weihnachtsfeiertage vorläufig die letzte Periode des Benzinprassens in Österreich sein werden. Nachher beginnt das große Fasten. Die Regierung kündigt dies aber frühzeitig an, offenbar um den Hamsterern noch eine Chance zu geben, sich einzudecken und die für die Allgemeinheit vorhandenen Reserven zu schmälern.

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Bei aller Sorge um den geliebten Benzinfresser sollte aber nicht übersehen werden, daß es nicht nur um diesen, sondern um viel mehr geht, daß wir nicht nur in einer Benzinkrise, sondern in einer generellen Energiekrise stecken, was aber anderseits auch bedeutet, daß es mit dem Abhalftern unserer Pferdestärken allein nicht getan ist Die Sache wird aber nicht einfach damit gelöst, daß man die Gegner des Indi-vidualverkehrs zum Halali auf das vielgehaßte Auto blasen läßt. Es ist auch leicht, die Vorzüge unserer seit Jahrzehnten vernachlässigten und organisatorisch oft heillos verschlampten Massenverkehrsmittel zu preisen, wenn man selbst mit dem Dienstwagen fährt, für den natürlich immer genug Benzin da ist. Für den Bewohner einer Siedlung, die unsere Nicht-Stadtplanung irgendwohin fernab von allen Massenverkehrsmitteln hingesetzt hat, sieht die Sache schon ganz anders aus. Jetzt, wo es dem vielgeschmähten Auto an den Kragen geht, kommt man darauf, daß es gar nicht ein bloßer Luxusartikel, sondern vielfach eine Notwendigkeit ist — zumindest auf Grund der Infrastruktur, die die öffentliche Hand in den letzten Dezennien entweder selbst geschaffen, oder deren Schaffung sie zugelassen hat.

Energiesparen darf sich also nicht nur aufs Auto beschränken. Denn daß alle Energie zusainmengehört, das konnten die Italiener bei ihren autolosen Sonntagen bereits erleben: Der Benzinverbrauch ist zwar zurückgegangen, aber der Elektrizitätsverbrauch ist gleichzeitig enorm gestiegen. Da Strom in Italien weitgehend aus Schweröl hergestellt wird, war der Effekt für die Rohölbilanz ungefähr der gleiche.

Es steht zwar außer Zweifel, daß der Produktion der Wirtschaft Priorität vor dem Straßenverkehr eingeräumt werden muß, brauchen wir sie doch nicht nur für die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern, sondern auch für die Erhaltung der Arbeitsplätze. Sicherlich muß des weiteren für den privaten Konsum in erster Linie die existenzwichtige Versorgung mit Beleuchtung .und Beheizung sichergestellt werden. Daß dies vor dem Individualverkehr Vorrang hat, ist selbstverständlich.

Aber es gibt Formen des Energiekonsums, deren Priorität nicht so ohne weiteres konzediert werden kann. Daß die völlig überflüssige und geschmacklose Weihnachtsbeleuchtung in den Geschäftsstraßen auch in diesem Jahr wieder erstrahlen mußte, daß man es noch als Sparwillen pries, wenn diese „schon“ um 21 Uhr abgeschaltet wurde, haben viele Österreicher als Provokation empfunden. Auch die Lichtreklamen sollten bei uns, ausländischen Beispielen- folgend, stark reduziert werden. Auto- und Motorradrennen könnten vorderhand ruhig storniert werden. Desgleichen müssen Fußballmatches nicht unbedingt bei Flutlicht am Abend veranstaltet werden, womöglich unter Verwendung von Heizkörpern für die wärmebedürftigen Zusehauer. Überhaupt könnten Veranstaltungen, die das Heizen großer Hallen oder gar von Freiflächen notwendig machen, stark eingeschränkt werden; viele davon kann man ruhig in die wärmere Jahreszeit verlegen. Wenn darüber hinaus das Fernsehen kürzere Sendezeiten, dafür aber bessere Sendungen und weniger Wiederholungen brächte, wäre dies bestimmt kein Verlust.

Nur bei Durchführung solcher „flankierender“, weil psychologischer Maßnahmen, erscheint die Beschränkung des Straßenverkehrs gerechtfertigt Daß wir dort mit dem generellen Tempo 100 (eine umstrittene Verkehrssicherheitsmaßnahme, die uns jetzt, da sie früher am Einspruch der Kräftfahrorganisationen gescheitert ist, als Benzinsparmaßnahme verkauft wird) nicht das Auslangen finden, ist evident. Die Frage ist nur, wie gespart werden soll.

Der autolose Sonntag hat sich als höchst ungenügende Benzinsparmaßnahme erwiesen — weshalb Holland, das ihn erfunden hat, nun doch zur Rationierung übergehen will. Der freie Tag nach Wahl wird noch weniger Effekt haben. Wird sich doch jeder jenen Tag wählen, an dem er für gewöhnlich ohnehin nicht oder nur ganz wenig fährt.

Kommen wir jedoch um eine Benzinrationierung nicht herum, dann fragt es sich, wie sie durchge-

Handelsminister Staribaeher: Industrie wichtiger als Straßenverkehr

Photo: Votava führt werden soll. Der ARBO verlangte bereits, daß alle gleich behandelt werden sollen. Dies klingt außerordentlich sozial, ist es aber bei näherem Hinsehen gar nicht. Es geht schließlich nicht nur darum, daß der Kleinwagen mit der gleichen Menge Sprit weiter kommt als der Straßenkreuzer. Diese Art der Diskriminierung kann durchaus noch als Akt des sozialen Ausgleichs hingehen, und es mag auch vom verkehrstechnischen Standpunkt gar nicht so unerwünscht sein, wenn die platz- und benzinverschwendenden Luxuslimousinen benachteiligt sind. Problematisch wird die Sache, wenn wir die verschiedene Länge der Wege zur Arbeit ins Auge fassen. Kommt der eine mit kurzem Anfahrtsweg mit seiner Ration spielend aus, ja bleibt ihm noch etwas für den Sonntag, so langt es beim anderen nicht einmal für die tägliche Fahrt zur Arbeit vom Sonntagsausflug gar nicht zu reden.

Und was wird mit dem Berufsverkehr, , d§n Ärzten, den Vertretern, den Taxis und.dem gesamten Transportwesen? Daß es also ohne Differenzierungen nicht geht, dürfte den Experten inzwischen klar geworden sein. Die Frage ist nur, wie dosiert man sie richtig?

Eine unbeschränkte und unkontrollierte Zuteilung für den Berufsverkehr — wie sie auch schon ventiliert wurde — müßte zum schwungvollen Schleichhandel führen. Man kann zwar den Weg von der Raffinerie bis zur Pumpe unter Kontrolle halten, verlöre diese aber in dem Moment, in dem man Gruppen zuläßt die ohne Bezugschein Treibstoff erhalten. Man wird ihnen daher Zusatzbons geben müssen — und da fragt es sich wie viele.

Ganz auszuschließen wird der Schwarzhandel nicht sein. Aus rein verwaltungstechniischen Gründen, aber auch wegen der Schwierigkeit der Beweisführung, wird man zwar zwischen den Gruppen, aber kaum noch innerhalb der Gruppen differenzieren können.

Welche Bedeutung der Schwarzhandel haben wird, hängt vor allem von der Größe der Normalration ab. Ist diese einigermaßen ausreichend, wird es kaum zu einer Massennachfrage nach „schwarzen“ Bons kommen.

Je länger aber mit Maßnahmen gewartet wird, um so geringer werden letzten Endes die Zuteilungen sein. Die Regierung hat schon viel zu lange zugewartet. Kommen wir mit autolosen Tagen aus, so ist das zu begrüßen. Aber wenn damit nur herumexperimentiert wird und erst dann, wenn die Tanklager fast schon leer sind, noch schnell Benzinmarken — und in diesem Fall natürlich für entsprechend kleine Mengen — ausgegeben werden, dann wäre es besser, prompt zur Rationierung zu schreiten. Je größer die pro Kopf verfügbare Menge ist, desto weniger hart werden auch die bei keinem System wahrscheinlich ganz zu vermeidenden Ungerechtigkeiten drücken.

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