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ENGAGEMENT LÄSST SICH NICHT VERORDNEN

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Schulpartnerschaft - ein oft verwendetes Schlagwort. Wer in den Schulgesetzen blättert, wird allerdings vergeblich nach dem Begriff suchen. Im Schulunterrichtsgesetz findet sich jedoch folgende Bestimmung: „Zur Erfüllung der Aufgabe der österreichischen Schule... regelt dieses Bundesgesetz die innere Ordnung des Schulwesens als Grundlage des Zusammenwirkens von Lehrern. Schülern und Erziehungsberechtigten als Schulgemeinschaft."

Nach ministerieller Interpretation sind unter diesem Aspekt des Zusammenwirkens auch die weiteren Bestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes zu verstehen, in denen die Rechte und die Pflichten der drei Gruppen geregelt sind. Zu diesen Rechten zählt insbesondere auch das Recht der Schüler/innen und Eltern auf Interessenvertretung, wie zum Beispiel durch die Klassenelternver-treter/innen, den Elternverein, die Schülervertreter/innen und die Versammlung der Schülervertreter/innen. (Die Interessenvertretung der Lehrer/ innen ist durch das Bundespersonalvertretungsgesetz geregelt.)

Weiters sieht das Schulunterrichtsgesetz vor, daß zur Förderung und Festigung der Schulgemeinschaft in den Volks-, Haupt- und Sonderschulen für jede Klasse ein Klassenforum und für jede Schule ein Schulforum, in den übrigen Schulen ein Schulge-meinschaftsausschuß einzurichten sind, in denen Lehrer/innen, Eltern und ab der 9. Schulstufe auch Schüler/innen vertreten sind.

Die Interessenlagen dieser drei . Gruppen, die sich in der Institution Schule und den Gremien zusammenfinden müssen, sind jedoch sehr unterschiedliche. Es geht daher im Bereich Schulpartnerschaft nicht nur um formale Probleme, sondern auch um Meinungsbildung, die Durchsetzung von Interessen und um die Austragung von Interessenkonflikten. Schulpartnerschaft kann daher auch als permanenter Prozeß der Bewußtseinsbildung und der Demokratisierung gesehen werden, als ein Weg zur Veränderung der Schulwirklichkeit und zur Beseitigung von Hierarchien.

Ein kurzer Rückblick soll dies verdeutlichen. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges begannen an vielen Schulen Eltern- und Schülervertreter/ innen in „Schulgemeinden" mit den schulischen Organen zusammenzuwirken und an vielen Schulen gab es auch Elternvereine, eine Tradition, die in der Zweiten Republik fortgeführt wurde. Die Eltemvereine schlössen sich auf Bundes- und Landesebene in Dachverbänden zusammen. Ihre Forderung nach Einrichtung von „Elternbeiräten" wurde 1958 realisiert. Der Elternbeirat besteht seither als informelles Aussprachegremium zwischen den Elternvertretern und dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst.

Die Interessenvertretung der Lehrer/innen wurde 1967 mit dem Bundespersonalvertretungsgesetz installiert.

Mit dem Schulunterrichtsgesetz 1974 erfolgte der Ausbau der Stellung der vereinsrechtlich organisierten Eltemvertretungen. Die Schulleiter/innen wurden verpflichtet, die Errichtung und die Tätigkeit von Elternvereinen zu fördern und deren Vorschläge, Wünsche und Beschwerden zu besprechen und zu prüfen. Auch auf dem Gebiet der Schülermitverwaltung trat eine entscheidende Neuerung ein. An allen Schulen ab der 9. Schulstufe sind Schülervertreter/innen zu wählen, deren Aufgabe in der Interessenvertretung der Schüler/innen und in der Mitgestaltung des Schullebens besteht. Als Instrument des Zusammenwirkens wurde der Schulgemeinschaftsausschuß, in dem an allen Schulen ab der 9. Schulstufe Lehrer-, Schüler- und Eltern Vertreter/ innen über eine Reihe von Fragen des Unterrichts und der Erziehung mitberaten und entscheiden können, eingerichtet.

Seit 1976 sind im überschulischen Bereich als Organ der Zusammenarbeit zwischen Lehrer/innen, Schüler/ innen und Eltern die „Schulgemein-schaftsgespräche" beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst zu einer festen Einrichtung geworden. Je zehn Lehrer-, Schüler- und Elternvertreter/innen treten in unregelmäßigen Abständen zusammen, um Lösungen für grundsätzliche Fragen des Schullebens zu finden.

Mit dem Schülervertretungsgesetz 1981 erfolgte die Installierung einer überschulischen Schülervertretung. Im Rahmen der Interessenvertretung der Schüler/innen beraten Landesschülerbeiräte die Landesschulräte, der Bundes- und Zentrallehranstal-tenschülerbeirat den Bundesminister für Unterricht und Kunst.

Die 4. Novelle zum Schulunterrichtsgesetz brachte 1986 an Volks-, Haupt und Sonderschulen die Einrichtung von Klassen- und Schulforen, die mit Beratungs- und Entscheidungskompetenzen ausgestattet sind, und die Wahl von Klassensprecherinnen bereits ab der 5. Schulstul'e.

1990 wurden mit dem Schülervertretungsgesetz die Beratungskompetenzen der Landes- und Bundesschü-lerbeiräte auf Vertretungskompetenzen erweitert. Die Schülervertretun-

gen erhielten das Recht auf eigenständige Verhandlungen nicht nur mit den Schulbehörden, sondern auch mit anderen Behörden, dem Landtag beziehungsweise dem Nationalrat und dem Bundesrat und den gesetzlichen Interessenvertretungen.

Das Bundesministerium hat diesen Prozeß laufend durch flankierende Maßnahmen unterstützt, wie zum Beispiel durch die kostenlose Bereitstellung von Informationsmaterialien, die Durchführung von Medienver-bundprogrammen, durch Aktionen zur Gründung von Elternvereinen und Ideenwettbewerbe zu schulpartner-schaftlichen Projekten oder die Einrichtung von Schulpartnerschafts-Betreuer/innen und Schulservicestellen bei den Schulbehörden.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Schulpartnerschaft müssen an der einzelnen Schule, aber auch auf der überschulischen Ebene konkret umgesetzt werden. Die Widerstände, die sich auf der Ebene der Gesetzgebung in bezug auf die Demokratisierung der Schule ausmachen lassen - als Beispiel sei hier die Rücknahme der geheimen Wahl der El-temvertreter/innen durch die 5. Novelle zum Schulunterrichtsgesetz angeführt - finden sich auch auf der schulischen Ebene. Die Schaffung neuer Organisationsstrukturen bedarf handelnder Personen. Engagement und die Übernahme von Verantwortung lassen sich nicht verordnen. Aus der täglichen Praxis des Schulservice muß festgestellt werden, daß das Gefühl der Ohnmacht gegenüber Lehrern und Lehrerinnen aber auch der Behörde und die Angst, daß ein engagiertes Eintreten für die eigenen Rechte sich nachhaltig auf die Behandlung und Beurteilung der Schüler/innen auswirken würde, noch immer weit verbreitet sind.

Die Ungleichheit der „schulischen Partner" ist nach wie vor Realität. Die Machtbefugnisse der einzelnen Lehrer/innen und der Behörden sind sehr viel weitreichender als die der Schüler/innen und Eltern. Auch der Informationsvorsprung der Lehrer/innen und Schulleiter/innen und ihre besseren Möglichkeiten, sich zu organisieren, müssen in Betracht gezogen werden. Vielfach ist auch zu beobachten, daß zwar die formalen Bedingungen, wie zum Beispiel die Wahl der Vertreter/innen und die Konstituierung der Gremien, erfüllt werden, die Gremien aber dann lediglich Entscheidungen „offiziell ratifizieren'*, die auf einer ganz anderen Ebene bereits getroffen worden sind. Darin dürften einige der Gründe für das oft beklagte mangelnde Interesse, insbesondere der Eltern, liegen.

Dennoch muß gesagt werden, daß sich durch den fortschreitenden Demokratisierungsprozeß die Schule entscheidend belebt hat. Im Zuge der Erfüllung des Arbeitsübereinkommens der Regierungsparteien für diese Legislaturperiode sind weitere Gesetzesnovellen in Vorbereitung, die eine Erweiterung der Mitwirkungsrechte bringen sollen. Die Regierungsvorlage sieht den Ausbau der Mitwirkungsmöglichkeiten aller am Schulleben Beteiligten bei der Vergabe von Leitungsfunktionen, den Ausbau des Direktwahlsystems im Bereich der Schülervertretungen und die Mitentscheidung der Eltem und Lehrer/innen bei Schulversuchen, die die Schulorganisation betreffen, vor. Sicherlich werden auch im Zusammenhang mit der Schulautonomie, die eine verstärkte administrative und pädagogische Eigenständigkeit der Schulen ermöglichen soll, die Entschei-dungs- und Beratungskompetenzen der Schulpartner neu zu diskutieren sein. <*

Dr. Martha Sieder ist Leiterin der Schulservicestelle des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst.

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