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Enger Kapitalmarkt

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Die Errichtung von Pensionskassen hat die seit längerem andauernde Diskussion um die Belebung des österreichischen Kapitalmarktes zusätzlich intensiviert. Denn dieser leidet - trotz mannigfacher Bemühungen in den letzten Jahren - nach wie vor an institutionellen und strukturellen Schwächen. (Unter Kapitalmarkt wird im folgenden wie üblich der Markt für festverzinsliche Wertpapiere, Aktien, Papiere von Investmentfonds und dergleichen verstanden.)

Worin liegen die Probleme des österreichischen Kapitalmarktes? Zunächst in der späten Entwicklung eines solchen Marktes. Die Spar- und Veranlagungsgewohnheiten der Bevölkerung waren noch bis weit in die siebziger Jahre dadurch gekennzeichnet, daß große Teile der Ersparnisbildung in den gewohnten und traditionellen Formen (Sparbücher, Bau- und Prämiensparen) gespeichert wurden. In den (Risiko-)Kapitalmarkt ging nur wenig davon.

Erst seit etwa 1982 expandiert der Kapitalmarkt. Ausschlaggebend dafür waren insbesondere die ab diesem Jahr steuerlich stark geförderte Beteiligungsfinanzierung über das Instrument des Genußscheins und geänderte gesetzliche Bestimmungen für den Aktienbesitz: Die bis dahin geltende Doppelbesteuerung der Dividendenerträge wurde durch das sogenannte „Halbsatzverfahren“ ersetzt. Das heißt, Dividenden wurden bei ihren Empfängern nur noch mit dem halben Einkommenssteuersatz besteuert. In der Folge zeigte sich, daß der österreichische Kapitalmarkt die - auch aus einer Reihe von anderen Gründen stark steigende - Nachfrage quantitativ gar nicht voll befriedigen konnte. Ebenso blieb der Markt für festverzinsliche Wertpapiere durch eine Reihe schwerwiegender qualitativer Mängel gekennzeichnet.

Eine Reihe von Emittenten solcher Wertpapiere (Elektrizitätswirtschaft, Industrie, Länder und Gemeinden) hatte sich zunehmend von diesem Markt zurückgezogen und legte kaum noch Anleihen auf. Eine der wichtigsten Ursachen dürfte in der Tatsache liegen, daß sich diese Gruppierungen Geld im Wege von subventionierten Krediten über diverse Förderungsaktionen billiger besorgen können - eine Okkasion, die in Österreich recht gerne und häufig in Anspruch genommen wird.

So bleiben zwei dominierende Emittenten auf dem Anleihenmarkt: Die öffentliche Hand (und hier fast ausschließlich der Bund) und die Kreditinstitute. Diese beiden können die Konditionen kontrollieren und drängen sie häufig in eine für die Anleger unattraktive Richtung.

Für den Aktienmarkt wiederum ergibt sich das Problem, daß die klein- und mittelbetriebliche Struktur der österreichischen Privatbetriebe einer Förderung des Instruments der Aktie nicht gerade förderlich ist. Ein Großteil der Industrie ist hingegen verstaatlicht und kommt daher nur begrenzt für die Börse in Betracht. Man hat daher von einer „Angebotslücke“ am heimischen Kapitalmarkt gesprochen und meint damit, daß unter diesen Umständen das Angebot der Nachfrage weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht gerecht werden kann. Das äußert sich unter anderem darin, daß ein Teil dieser Nachfrage durch den Kauf ausländischer Papiere befriedigt werden muß, was zu entsprechenden Devisenabflüssen führt. Und das äußert sich ferner darin, daß durch die erwähnte Dominanz von zwei Emittenten am Anleihenmarkt die Zinssätze niedriger gehalten werden, als sie bei funktionierendem Markt sein müßten. Dadurch wiederum wird die Durchführung der österreichischen Hartwährungspolitik nicht gerade erleichtert.

Nun hat es in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Maßnahmen gegeben, um dem Kapitalmarkt mehr Leben einzuhauchen. Das gelang auch. Allerdings in einem noch nicht ausreichendem Maße, zumal die Innovationsfreudigkeit auf den internationalen Kapitalmärkten selbst eine unglaubliche Dynamik angenommen hat.

In dieser Situation werden nun die Pensionskassengesetze in Kraft treten. Diese sehen vor, daß zumindest 50 Prozent des Vermögens dieser Kassen auf dem österreichischen Anleihenmarkt veranlagt werden müssen. Die Schätzungen darüber, welche Volumina dies impliziert, gehen noch weit auseinander, doch ist wohl mit einem Veranlagungsbedarf von fünf bis zehn Milliarden Schilling pro Jahr zu rechnen. (Zum Vergleich: Das Net-toemissionsvolumen 1988 belief sich auf 64 Milliarden.)

Um diesen Betrag wird die Nachfrage nach Anleihen steigen, ohne daß vorläufig abzusehen ist, wie dieser Bedarf befriedigt werden soll. Die oben erwähnte „Angebotslük-ke“ wird sich also erweitern, wenn es zu keiner Verbreiterung und auch qualitativen Verbesserung des Angebots kommt.

Gelingt das jedoch nicht, sind die Folgen aufgrund obiger Überlegungen klar: Der Materialmangel auf dem heimischen Kapitalmarkt wird zu weiterem Ausweichen auf ausländische Papiere führen; und die Herstellung eines ausreichenden Zinsdifferentials zur Bundesrepublik wird abermals erschwert.

Die Bemühungen zur Stärkung der Angebotsseite des österreichischen Kapitalmarktes müßten daher intensiviert, neue Emittentengruppen erschlossen werden. Ein wesentliches Mittel dazu wäre die drastische Reduktion der staatlichen Kreditsubventionierungen. Die Frage ist nur, ob diejenigen, die sonst gerne für Liberalisierung und das segensreiche Wirken der freien Marktkräfte eintreten, das auch goutieren werden.

Der Autor ist volkswirtschaftlicher Experte in der Nationalbank.

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