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Entscheidungsjahr

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Die in Aussicht gestellte Vorverlegung der Nationalratswahlen von Oktober auf den Wonnemonat Mai begründet die SPÖ ungefähr so: Weil 1979 so viele Wahlgänge vorgesehen sind (Landtagswahlen in Niederösterreich, Öberösterreich, Salzburg und Vorarlberg, gesamtösterreichische Arbeiterkammerwahlen und schließlich Nationalratswahlen), könne wegen des permanenten Wahlkampfes im Parlament nicht mehr in Ruhe gearbeitet werden.

Noch jedes Mal, wenn dem Wähler eine vorverlegte Wahl schmackhaft gemacht werden sollte, hat man ihm ähnlich gewundene Erklärungen aufgetischt. Und wenn eine Nicht-Vor-

verlegung begründet werden mußte, dann hieß es unweigerlich: Wir wollen nicht schon wieder wahlkämpfen, die Zeit solle so lange wie möglich für sachliche Arbeit genützt werden ...

Mit großer Wahrscheinlichkeit waren vor allem zwei Komponenten ausschlaggebend für das Lostreten der Vorverlegungs-Diskussion:

• Die Konjunkturentwicklung wird nicht besser. Im Gegenteil. Auch Kündigungswellen werden 1979 nicht zu verhindern sein, wobei mit dem Edelstahlwerk in Judenburg erstmals auch die Verstaatlichte in größerem Umfang betroffen sein wird.

Jahrelang haben die Sozialisten in einem keinesfalls gerechtfertigten Ausmaß die Gleichung Vollbeschäftigung = SPÖ-Regie-rung aufgestellt. Nun kann die Mathematik-Lektion nur noch sinngemäß auf Kündigungen = ebenfalls SPÖ-Regierung ausgedehnt werden. (Obwohl's so vereinfacht nicht stimmt.)

• Der andere Punkt ist der fehlende innere Zusammenhalt in der SPÖ. Daß ein vorbehaltloser Glaube imstande sein kann, ungeahnte Kräfte zu entfalten, wissen auch die nichtchristlichen Sozialisten. Unter den Sozialisten herrschen derzeit aber Unglaube und Zwist, vielen wurden traditionsreiche Illusionen geraubt. Für diese innerparteilichen Zerfallserscheinungen kann sich eine vorverlegte Wahl als willkommene Flucht nach vorn erweisen.

Daß die SPÖ an Substanz verlo-

ren hat, ist nicht zu leugnen. Nicht einmal Egon Matzner, jener Mann, der im vergangenen Jahr an der Textierung des neuen Parteiprogramms an zentraler Stelle mitgewirkt hat, scheut sich, unter dem Titel „Vor dem Ende der SPÖ-Mehrheit?“ in der sozialistischen „Zukunft“ kritische Töne anzuschlagen:„Nicht zuletzt wird es aber darauf ankommen, das Ansehen der SPÖ als Organisation einer politischen Bewegung, die stets für Sauberkeit und Schutz der Schwächeren, aber gegen Korruption, enorme Bereicherung und Verteidigung der Interessen der Stärkeren auftritt, durch moralische Initiativen wiederherzustellen. “ Abgesehen von all diesen Uber-

legungen liegt für die SPÖ ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor in dem Umstand, daß der Bundeskanzler derzeit an einem lästigen Augenleiden laboriert.

Dem Kursverfall der Sozialistischen Partei und ihres Vorsitzenden Bruno Kreisky steht freilich nicht ein ebenso großer Sympathiegewinn auf seiten der Volkspartei oder der FPÖ gegenüber. Beide Parteien leben derzeit ein wenig auf Kosten der SPÖ.

Beide Oppositionsparteien haben 1978 dennoch Gutpunkte gesammelt: Josef Taus durch die Installierung von Klubobmann Alois Mock und durch das Aufgehen seines Wien-Konzeptes, Alexander Götz durch die Installierung seiner eigenen Person.

Sollte die SPÖ unter Bruno Kreisky heuer die absolute Mehrheit verfehlen, ist die Frage, wer nach der SPÖ kommt, noch verfrüht. ÖGB-Präsident Anton Be-nya hat schon recht deutlich ausgesprochen, daß die SPÖ außer Kreisky noch andere Namen im Talon hätte. Und die ÖVP wäre gut beraten, würde sie nicht allzu früh auf die angeblich guten Kontakte zwischen Taus und Götz all ihre Wahlhoffnungen bauen.

Vielschichtige Verbindungen zwischen Spitzenpolitikern der beiden Großparteien sind noch allemal nicht die schlechtesten. Und schließlich wäre auch eine geschwächte SPÖ dazu fähig, verlockende Köder auszuwerfen. Nach allen Richtungen.

Trotz Papp im Hirn.

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