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Enzyklika „von unten"

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Im April dieses Jahres hat das Kardinalskollegium gemeinsam mit dem Papst „Die Haltung der Kirche angesichts der gegenwärtigen Bedrohungen gegen das Leben" besonders im Hinblick auf die Abtreibung beraten. Die Mehrheit bat den Papst, zu diesem so wichtigen Thema eine eigene Enzyklika zu verfassen. Dies will der Papst nun tun, nicht aber, ohne vorher die Bischöfe der Welt befragt zu haben. So richtete er am 19. Mai an diese einen Brief (siehe zu dessen Inhalt den nebenstehenden Beitrag) und bittet sie außerdem durch seinen Staatssekretär, Kardinal Angelo Sodano, die jeweilige örtliche Situation genau zu schildern. In einem Schreiben vom 25. Mai stellt dieser den Bischöfen nun fünf konkrete Fragen die Abtreibung und die Euthanasie betreffend, die sie bis Ende September beantworten sollen.

Solche Vorarbeiten zu einer geplanten Enzyklika sind neu und betonen die Mitverantwortung aller Bischöfe. Das Thema ist „lebensentscheidend". Selbst (deutsche) Politiker erwarten sich von Rom Argumentationshilfen für die laufende Abtreibungsdebatte. So weit, so gut.

Den beiden erwähnten Briefen lag auch eine Zusammenfassung der Beiträge am Kardinalskonsistorium bei und der Text des Grundsatzreferates, das Kardinal Joseph Ratzinger dort hielt. In diesem wird wieder, wie leider auch sonst in hochrangigen kirchlichen Erklärungen, Empfängnisverhütung und Abtreibung in einem Atem genannt. Jene die glauben, Empfängnisverhütung könnte Abtreibungen verhindern, werden des Irrtums geziehen. Beide haben „ihre Wurzeln in jener entpersönlichenden und utilitaristischen Sicht der Sexualität und Zeugung". Verhütung zu betonen schließe eigentlich eine Ermutigung zur Abtreibung mit ein.

Liest man solches, so muß man fast fürchten, in der geplanten Enzyklika könnte es sowohl um Abtreibung als um Empfängnisverhütung gehen und zwar in einem kausalen Zusammenhang. Ein solcher Konnex würde die Argumentation gegen die Abtreibung erheblich belasten. Die notwendige Gewissensbildung würde an Schärfe verlieren, da nun in der Tat Tötung gezeugten Lebens sittlich anders zu bewerten ist, als Leben gar nicht zu wecken.

Die Wirkung der geplanten Enzyklika wird davon abhängen, wie sie das Thema eingrenzt und für wieviele sie plausibel argumentiert.

Es ist gut, daß die Bischöfe der ganzen Welt zur Mitarbeit eingeladen sind. Sie werden sich wohl ihrer gemeinsamen Verantwortung bewußt sein!

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