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Er kämpfte gegen den Antisemitismus

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Wir Juden verdanken Papst Johannes XXIII. mehr, als es vielen von uns bewußt ist. Aber alle jene, die sich für den Abbau des Antisemitismus und für einen Dialog zwischen Christen und Juden ein- setzen, wissen, wie bahnbrechend gerade dieser Papst dabei gewesen ist.

Die sogenannte „Judenerklärung“ des 2. Vatikanischen Konzils sieht zwar nicht mehr so aus, wie sie von Johannes XXIII. ursprünglich gedacht war, aber ohne seine Initiative wäre sie überhaupt undenkbar gewesen.

Auf Wunsch Johannes XXIII. wurde vom vatikanischen Sekretariat für die Förderung der Einheit der Christen ein Text ausgearbeitet, der sich auf das Verhältnis der Kirche zu den Juden beschränkte und gegen den Antisemitismus gerichtet war. Das Anliegen des Papstes war es, damit hinter die Feindschaft zwischen Juden und Christen einen endgültigen Schlußpunkt zu setzen. In dieser Urfassung der Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen sollten allgemeine Hinweise auf andere nichtchristliche Religionen als Vehikel dienen, um eine möglichst große Zustimmung der Konzilsväter zur „Judenerklärung“ zu erreichen.

Das Schema wurde der Zentralkommission während der Vorarbeiten für das Konzil im Juni 1962 vorgelegt undauf arabischen,nahostpolitisch motivierten Druck zurückgezogen. Die erste Sitzungsperiode im Herbst 1962 verlief daher ohne Diskussion über diesen Text; die zweite Sitzungs-

periode fand bereits unter Papst Paul VI. statt.

Es gibt jedoch Hinweise dafür, daß nur der plötzliche Tod von Johannes XXIII. weitere Initiativen verhinderte: Kardinal Bea vom Einheitssekretariat intervenierte bei Paul VI., den Text in der zweiten Sitzungsperiode im Herbst 1963 als Kapitel IV des Schemas über den ökumenismus vorzulegen. In der Diskussion über dieses Schema gab es jedoch heftige Einwände gegen den Text, er wurde wieder ausgegliedert und mit dem Text über die Religionsfreiheit in den Anhang des ökumenismusschemas versetzt.

Das im Mai 1964 errichtete Sekretariat für die nichtchristlichen Religionen legte in der dritten Sitzungsperiode im Herbst 1964 eine selbständige neue Fassung vor. Dieser Text war jedoch in seiner Substanz so abgeschwächt, daß in der Diskussion eine neue Bearbeitung gefordert wurde. Versuche, das Schema der Zuständigkeit des Sekretariats zu entziehen, scheiterten.

Noch während der dritten Sitzungsperiode lag dann im November 1964 abermals ein neuer Text vor; er enthielt nun nicht mehr nur allgemeine Hinweise, sondern ganz konkrete Ausführungen über das Verhältnis der Kirche zu anderen nichtchristlichen Religionen wie dem Hinduismus und dem Buddhismus sowie einen eigenen Artikel über das Verhältnis zum Islam. In die-

ser erweiterten Form wurde „Nostra aetate“ im November 1964 grundsätzlich angenommen.

Doch auch dieser Text wurde wieder abgeändert und die nochmals abgeschwächte Fassung schließlich im Oktober 1965 während der vierten Sitzungsperiode vom Konzil gebilligt und feierlich verkündet.

Wir Juden schwanken leicht zwischen übergroßer Dankbarkeit für den kleinsten Schritt und übergroßer Empörung über zu kompromißreiche Formulierungen. Deshalb soll eine Kritik zur „Judenerklärung“ hier Karl Rahner und Herbert Vorgrimler (entnommen dem „Kleinen Konzilskompendium“) überlassen bleiben: „Es können dem Dokument heute verschiedene Vorwürfe gemacht werden: es sei theologisch nicht gerade angemessen, den .Stamm Abrahams global mit anderer; nichtchristlichen Religionen zusammen zu behandeln; es sei auch im Hinblick auf die Intention Johannes” XXIII., der Feindschaft zwischen Juden und Christen ein für allemal ein Ende zu setzen, psychologisch nicht sehr geschickt, diese Frage in einer bloßen .Erklärung zusammen mit anderen wichtigen Problemen anzupacken …“ Und im Hinblick auf die Fgrmulierungen zu den Judenverfolgungen in „Nostra aetate“ meinen die Autoren: „Der Wortlaut ist eindeutig und wird künftig jeden Zuwiderhandelnden in der Kirche bloßstellen. Doch hätte das Konzil gerade an dieser Stelle mit größerem Autoritätseinsatz als nur mit dem schwächlichen .beklagt sprechen können.“

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