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Er liebt die Wiener Klassik...

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„Herr Professor, wie ist Ihr deutscher Name Klopfenstein mit Ihrer stark französisch akzentuierten Sprache in Einklang zu bringen?“

„Ich bin in der Schweiz, einem dreisprachigen Land, geboren, in Lausanne, und habe neben meiner Muttersprache Französisch ebenso gut Deutsch gelernt. Mein Vater stammte aus Bern, die Mutter war Deutsch-Schweizerin.“

„Wo erhielten Sie Ihre musikalische und wissenschaftliche Ausbildung?“

„Ich habe an der Universität Basel sowohl musik-historische und -theoretische als auch philosophische Studien betrieben, letztere unter anderem bei Karl Barth und Jaspers. Rein musikalisch arbeitete ich mit Igor Markewitsch in Salzburg am Mozarteum, der mein Lehrer im Dirigieren war, im Kompositionsfach bildete ich mich am Pariser Konservatorium aus, wo zu meinen Professoren auch Messiaen zählte. Ins Berufsleben trat ich aber zunächst nicht als Dirigent ein, sondern übernahm in Paris neben dem Sekretariat der „Schola cantorum“ die mich fast voll ausfüllende künstlerische Leitung der Schallplattenfirma Philips, wobei ich allerdings auch mit manchen administrativen und organisatorischen Agenden vertraut wurde.“

„Wie kam es dann zu Ihrer heute so ausgedehnten Tätigkeit als Dirigent?“

„Seit 1968 betreue ich die alljährlich stattfindenden Musikfestspiele Montreux-Vevey als Generalmusikdirektor, einen großen Teil des Jahres bin ich zu Dirigenten-Gastspielen unterwegs, die mich in der Zeit von 1968 bis 1971 unter anderem nach Berlin, Paris, Leningrad, Warschau, Stockholm, Brüssel, Belgrad, Lissabon, Mailand, aber auch nach Tokio und Mexiko führten. Die diesjährigen am 1. September beginnenden Festspiele in Montreux zeichnen sich durch die Mitwirkung elitärer Orchester wie der Wiener Philharmoniker, der Philharmonia Hungarica, der Belgrader Philharmoniker, des NHK-Orchesters Tokio und der Solisti Veneti sowie durch das Auftreten hervorragender Dirigenten und Solisten, so Claudio Abbados, Yehidi Menuhins, Karl Richters, Christoph Eschenbachs und Rudolf Baumgartners, besonders aus. Ich selbst dirigiere — mit den ungarischen Philharmonikern — Bruckners 3. Symphonie.“

„Aus Ihren Konzertprogrammen ist Ihre große Vorliebe für die Wiener Klassik zu ersehen. Wie ist Ihr Verhältnis zur Moderne, wie zur extremen Avantgarde?“

„Haydn, Mozart und Beethoven gilt meine tiefste Verbeugung; gemäßigte Moderne wie beispielsweise Strawinsky, Bartök, Hindemith, Martin, Schoeck, aber auch den in Europa nur wenig bekannten peruanischen Komponisten Holzmann pflege ich intensiv. Ultra-dodekaphonischen Kompositionsexzessen räume ich keinen Platz in meinen Konzerten ein.“

Auf meine Erkundigung, ob ihm seine ausgedehnten Konzertreisen noch Zeit für Arbeiten als Musikologe lassen, weist er auf seine häufigen Beiträge in Musikzeitschriften hin, zuletzt auf einen größeren Artikel über die Passionen Georg Philipp Tele-manns. Zum Schreiben von lange Vorarbeiten fordernden Büchern reicht die Zeit nicht aus.

„Wie wird sich Ihre künstlerische Tätigkeit in der kommenden Saison gestalten?“

„Im Herbst 72 geht's nach Brüssel, wo ich mit dem großen Rundfunkorchester RTB die Bruckner-Symphonien Nr. 2, 3 und 4 mache, anfangs 1973 bin ich in Budapest zu Dirigenten-Gastspielen, im Mai komme ich zum drittenmal nach Rußland, wo ich in Leningrad und Moskau Orchesterkonzerte leite, im Juni bin ich in Mexiko. Dazwischen gibts eine Reihe von Konzerten in Genf, Straßburg, Rouen und Monte Carlo, Viel Arbeit kostet auch die Vorbereitung und Programmierung der Musik-Festspiele, die 1973 auf einen Bestand von 28 Jahren zurückblicken können.“

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