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Franz Vranitzky, auf Besuch in den Vereinigten Staaten, ist via Fernsehschirm im US-Wohnzimmer zu Gast: ein frostiger Empfang für den österreichischen Kanzler.

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Franz Vranitzky, auf Besuch in den Vereinigten Staaten, ist via Fernsehschirm im US-Wohnzimmer zu Gast: ein frostiger Empfang für den österreichischen Kanzler.

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Wieder einmal ist es die „Jerusalem Post“ , die hier in den USA für Aufregung sorgt: „Früherer Mitarbeiter des UN-Chefs erhebt Vorwürfe - Kurt Waldheim hatte während des Yom Kippur Krieges eine proarabische Halttmg“ ist eine Schlagzeile auf Seite eins der internationalen Wochenendausgabe vom 9. Mai der israelischen Zeitilng.

Zusammengefaßt heißt es da: Robert Rhodes-James, von 1972 bis 1976 Mitarbeiter Kurt Wald-

heims in der UNO imd heute angesehener Historiker und konservatives (!) Parlamentsmitglied im britischen Unterhaus, beschuldigt seinen Ex-Chef, sich während des Sechs-Tage-Krieges nicht unparteiisch verhalten zu haben. Waldheim habe eindeutig auf einen Wink der Sowjetunion gewartet, ob und wann sein Eingreifen als Generalsekretär erwünscht sei.

Weiters, so schreibt die „Jerusalem Post“ , plädierte Rhodes-James dafür, daß auch Großbritannien über den Österreicher ein Einreiseverbot verhängen sollte. Letzlich auch deshalb, „weil er ständig lügt“ . Dann folgt ein Psy-chogramm Waldheims, das ihn in seiner UNO-Funktion als einen „unzivilisierten, krankhaft selbstsüchtigen Menschen“ zu charakterisieren versucht. Soweit die „Jerusalem Post“ .

Auch die amerikanischen Nachrichtenmagazine vermitteln in ihren jüngsten Ausgaben ihren Lesern recht eindeutige Bilder. Im , JJewsweek“ vom 11. Mai beispielsweise sind auf einer Doppelseite Klaus Barbie und Kurt Waldheim zu sehen. Beide in Uniform. Optisch wird offensichtlich kein Unterschied mehr gemacht.

Kleinere Regionalzeitvmgen -wie der Harrisbvirger „The Patriot“ - berufen sich auf AP-Ma,l-dimgen (!), wenn zu lesen ist, Kurt Waldheim habe als Wehrmachtsoffizier direkt mitentschieden, ob Zivilisten und Juden erschossen oder ins KZ transportiert würden.

Universitätszeitungen bringen auf der Titelseite Karikaturen des Bvmdespräsidenten (beispielsweise Waldheim in hakenkreuzübersäten Unterhosen). Ohne Bildtext. Die Karikatur soll für sich selbst sprechen.

Dieser kurze Streifzug durch die hiesige aktuelle Medienszene kann die suggestive Wirkung verdeutlichen, der Leser ausgesetzt sind: Die Untersuchung des Justizministeriums sei höchst gewissenhaft und seriös erfolgt. Kurt Waldheim sei eindeutig in

Nazi-Verbrechen involviert. Verstärkt entsteht hier der Eindruck, es gebe eine internationale, geschlossene Front aller anständigen Menschen und Regierungen gegen das österreichische Staatsoberhaupt. (Angesichts solcher Schlagzeilen imd der Schlußfolgerungen für den amerikanischen Leser muß natürlich die Beteuerung des Bundespräsidenten, er habe ein reines Gewissen, geradezu verheerend wirken.)

All dies muß man sich vergegenwärtigen, wenn Kanzler Franz

Vranitzky nach New York und Washington kommt. Denn wie die Dinge derzeit hier laufen, sind die Folgen für Österreich doch unangenehmer, als man das derzeit noch in Wien wohl wahrhaben möchte. Egal, ob im Hmtergrund nun alte Rechnungen beglichen werden oder die USA sich und der Welt beweisen müssen, daß Moral und Rechtsstaatlichkeit in ihrem Land noch etwas bedeuten oder sonstige Vermutungen stimmen. Für den 21. Mai ist in Washington ein Studiogespräch mit Vranitzky geplant. In diesem ungefähr zehnminütigen Fernsehauftritt in „Mac Neil-Lehrer News Hour“ , die als eine der wichtigsten Nachrichtensendungen des Landes gilt imd in ganz USA ausgestrahlt wird, kann der Bundeskanzler eine Chance wahrnehmen, vor amerikanischen Sehern imd Hörern einiges zurechtzurücken. Der Erfolg ist schwer abzuschätzen. Denn viel hat sich schon im Bewußtsein der Leute festgekrallt.

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