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Er war ein großer Dichter

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Ich will einige Worte sagen über einen wirklichen großen alten Herrn, der seit einigen Tagen nicht mehr ist - das ist Rudolf Henz. Rudolf Henz wäre am 10. Mai neunzig Jahre alt geworden, wir haben uns darauf vorbereitet, ihn zu feiern. Er hat Anteil genommen an den Vorbereitungen für diese Feiern, und dann plötzlich, aber durch einen gnädigen plötzlichen Tod, mußte er von uns gehen.

Ich hab ihn sehr geliebt, obwohl das auf den ersten Blick für jemand, der uns beide kennt und der mich nicht sehr gut kennt, überraschend sein mag. Er war ein junggebliebener alter Herr bis an seinen letzten Tag. Und ich trage seit vielen, vielen Jahren einen ■Zettel in meinem Notizbuch, falls ich ihn einmal brauchen kann. Ich hab gewußt, einmal werd’ ich ihn brauchen können. Ich hätt’ ihn lieber an seinem 90. Geburtstag verwendet, ihm ins Gesicht als in memoriam Rudolf Henz.

Er war der Herausgeber einer literarischen Zeitschrift, die hieß „Wort in der Zeit“ . Das war ein Ti-

tel eines seiner Bücher, ein sehr schöner Titel, und es spricht für ihn die Großzügigkeit, daß er einen sehr schönen Titel hergegeben hat, für etwas, was er mitgestaltet hat, aber was nicht sein Werk war.

Und da hat es, wie leider so oft in Osterreich, Proteste gegeben. Reaktionäre Proteste gegen das Neue, und die Unterzeichner des Protestes waren unter anderen Siegfried Freiberg, Johann Gu-nert, Rudolf Felmayer, Franz Taucher Und leider auch Felix Braun, was mir sehr weh tut.

Wogegen haben sie protestiert? Sie haben protestiert — und Sie werden es nicht glauben, wenn ich die Liste der Namen anführe-, sie haben protestiert gegen Texte von Hans Carl Artmann, Hertha Kräftner, Andreas (Jkopenko, Walter Toman, Michael Guten-brunner, Erich Fried, Christine Busta, Christine Lavant, Friederike Mayröcker und andere. Diese Schriftsteller haben gegen jene Kollegen protestiert, von denen inzwischen mindestens die Hälfte den österreichischen Staatspreis für Literatur bekommen hat.

Und Rudolf Henz stellte sich damals auf die Seite der jungen Kollegen, gegen die protestiert wurde. Und das war großartig von ihm, dafür hätte ich ihm gerne noch an seinem 90. Geburtstag persönlich gedankt.

Wir waren in einem guten kollegialen Verhältnis, er hat mich einmal angerufen und hat gesagt: „Du Weigel, wir müssen zsamm-kommen, wir müssen miteinander ein Kabarett machen, es ist alles so schrecklich.“ Das war vor etwa einem Jahr. Es ist nicht zustande gekommen, denn bei einem Kabarett genügt es nicht, daß man Texte schreibt, da muß auch eine Institution da sein, die sich eines Kabaretts annimmt. Aber das spricht für ihn; er war der jüngste alte Herr, den ich je erlebt hab. Und er war so imgeheuer fleißig.

Ich kenne nicht sehr viele seiner Werke, aber ich habe im ORF, Osterreich 1, zum Sonntag-Vormittag-Termin der Lyrik, Gedichte von Rudolf Henz gehört imd hab sie sehr bewundert und hab mich eigentlich geschämt. Es ist da ein bedeutender Lyriker unter uns gewesen, und wir haben es nicht nach Gebühr gewußt. Eines seiner Stücke, das ich immer bewundert habe und von dem ich sehr traurig bin, daß ich es nur einmal zu sehen Gelegenheit hatte, heißt „Flucht in die Heimat“ und ist ein Stück aus dem niederösterreichischen Milieu. Es gebührt der Ehre des Landes Niederösterreich, daß wir in Erinnerung an einen großen Dichter des verewigten Rudolf Henz gedenken.

Text einer Rede, gehalten am 18. Februar 1987 im Muteum St Pölten.

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