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Erfreuliche Wende

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la die Marktordnungsver-“handlungen dieses Jahres zum ersten Mal seit über 20 Jahren praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfanden, fiel eine wichtige traditionelle Voraussetzung für breites öffentliches Interesse an den Ergebnissen weg. Dennoch ist die mit 1. Juli 1988 in Kraft tretende Novelle die weitestgehende seit dem Bestehen der Marktordnung, vor allem, weil sie den Anfang von derem Ende bedeutet. Grob formuliert war das österreichische MarktOrdnungsgesetz bisher keine Marktordnung, sondern im Kern eine Markt-weg-Anordnung.

Für die österreichische Wirtschaftspolitik waren die Verhandlungen die Nagelprobe, wie ernst es ein geschützter Sektor mit der Integration meint. In dieser Beziehung hat es im Milchbereich wichtige Grundsatzentscheidungen gegeben: • Aufhebung der amtlichen Preisregelung und Ubergang zu einem sogenannten Richtpreissystem. Die Regelung der Erzeugerpreise nährte noch immer die Illusion, daß die Entwicklung der Kosten das Recht auf jährliche Preiserhöhungen unbeschadet der Preisentwicklung im wichtigsten Handelspartnerblock EG gäbe. Politisch besteht Einvernehmen darüber (wie lange?), daß sich das Preisniveau bei den österreichischen Marktordnungswaren von jenem der EG zumindest nicht weiter entfernen dürfe.

Eine weitere Neuerung ist die Einführung von Richtpreisen, die richtigerweise Interventionspreise genannt werden sollten, da sie über die Verankerung in der Exportförderung und in den Bestimmungen über das Versorgungsgebiet (Verlustgefahr bei Nichtaus-zahluhg des Preises) de facto ein garantierter Mindestpreis sind.

• Abgehen vom traditionellen, kostenorientierten Abrechnungssystem des Müchwirtschafts-fonds. Künftig soll das Ausgleichsverfahren drastisch reduziert werden: neben dem Transportausgleich soll es einen Preisausgleich nur für Produkte geben, die zu vollkalkulierten Preisen aus Konkurrenzgründen (Butter/ Margarine) beziehungsweise aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit mit Importprodukten nicht absetzbar sind. Das bedeutet, daß eine Reihe von Frischprodukten erheblich billiger wird. Bisher wurden Frischprodukte zu Lasten der Butter-Käse-Trockenproduktepalette belastet, weiters wurden in den letzten Jahren neu in Verkehr gesetzte Käsesorten voll kalkuliert, während Uraltsorten Zuschüsse erhielten.

• Stärkung des Entscheidungsspielraums der Unternehmen: Das vom Fonds bisher gehandhabte System der Produktions-, Investitions- und Inverkehrset-zungsgenehmigungen wird bis spätestens 1. Jänner 1990 praktisch beseitigt. Im Rahmen seiner bisherigen Tätigkeit soll ab 1. Jänner 1989 jedes Unternehmen berechtigt sein, neue Produkte gegen Anzeige an den Fonds auf den Markt zu bringen. Investitionsentscheidungen werden nur mehr dann dem Fonds vorzulegen sein, wenn im Rahmen des neuen Ausgleichs- und Zuschußsystems eine finanzielle Absicherung beantragt wird.

• Lockerung der Versorgungsgebietsregelung: Die Herausnahme des Fruchtjoghurts ist von der Bedeutung des Produkts ein entscheidender Schritt in Richtung Liberalisierung. Längerfristig werden weitere Herausnahmen erfolgen, da politisch Einverständnis darüber besteht, daß das Instrument der Versorgungsgebietsregelung im Hinblick auf die EG-Strategie nicht aufrechterhalten werden kann. Zur Zeit sind alle Käsesorten und alle H-Pro-dukte versorgungsgebietsfrei. Für weitere Herausnahmen sind Butter und Topfen im Gespräch.

• Auch das Dispositionsrecht des Fonds soll ab 1. Jänner 1990 auf Trinkmilch und auf Versorgungssicherung im Notfall reduziert werden. Das bedeutet, daß sich die Verarbeitungsbetriebe in den nächsten 18 Monaten auf vertragliche Rohstoffsicherungsmodelle einstellen müssen.

Dieses Reformbündel ist respektabel, die Durchsetzung wird jedoch noch einige Probleme aufwerfen, ist sie doch von den im Fonds vertretenen Sozialpartnern zu vollziehen, die nicht alle hellauf von den Neuerungen begeistert sind. Sie bedeuten nämlich den Abschied von lang gewohnten Regulierungen und den Einflußverlust von Gruppen.

Freüich ist in jedem Fall sicher, daß der Fonds Reibebaum der Politiker und Medien bleibt: zum einen, weü Institutionen die sich bemühen, Gesetze zu vollziehen, in jedem Fall Ziel der Attacken sind, zum anderen, weil Regionalpolitiker ständig intervenieren. Sei es, weil es um die Erhaltung von Betriebsstätten geht, sei es, weil auf Landesebene oder in der eigenen Interessengruppe Vorstellungen nicht durchsetzbar sind. Die Dauerattacken Erwin Prölls auf den Fonds sind nur so zu verstehen.

Bemerkenswert im Milchbereich sind noch die Bemühungen, das starre Richtmengensystem zu lockern: die regional und mengenmäßig begrenzte Handelbar-keit ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Auch im Getreidebereich sind grundsätzlich beachtliche Entscheidungen gefallen: Mit dem Ende der amtlichen Preisregelung des Brotgetreides, des Mehls und des Schwarzbrots und dem Abbau der Brotmehlstützung sind noch vor kurzem für unmöglich gehaltene Maßnahmen gesetzt worden. Durch eine flexible Handhabung der Verwertungsbeiträge werden die Preisrelationen bei Brot- und Futtergetreide beziehungsweise Mais zugunsten der stützungsgünstigeren Sorten und von Alternativen verschoben. Durch Maßnahmen im Bereich der Aktionen wird der strukturelle Druck auf den Handel, durch die gleichzeitige Novellierung des Mühlengesetzes der Anreiz zur Strukturanpassung der Mühlen verstärkt.

Budgetpolitisch ist die Landwirtschaft gut gefahren, da sie eine Festschreibung der derzeitigen Budgetmittel für Preisausgleiche bis 1992 und sogar noch einen „Bonus“ für die VP-Zustimmung zur Arbeitsstiftung von 300 Millionen Schilling erhielt (manche sprechen auch von der Abgeltung für die nicht durchsetzbare Bodenschutzabgabe).

Freilich wurde im Gegenzug die .Haftung für mögliche Mehrkosten im Much- und Getreidebe-. reich übernommen.

In der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet sind zwei Maßnahmen geblieben: die Molkereien und Käsereien müssen Lieferund Verwertungsverträge, die sie mit Genossenschaftsverbänden oder Handelsunternehmen schließen — bei sonstiger Nichtigkeit —, beim Fonds hinterlegen. Gleiches gilt auch für gleichartige Verträge zwischen den agrarischen Verbänden. Praktisch bedeutet dies nicht nur ein hohes Maß an Transparenz, sondern auch die grundsätzliche kartellrechtliche Akzeptanz bei durchaus möglicher Kontrolle durch die Kartellinstanzen.

Weiters werden die Verbände in Etappen aus dem Fondssystem ausgeklammert, indem die Verbandsspannen nicht mehr via Fonds abgerechnet und Mindererlöse beim Handel nicht mehr vom Fonds ausgeglichen werden.

Sowohl im Milch- als auch im Getreidebereich wird es in den nächsten Jahren zu weitgehenden strukturellen Anpassungen kommen. Im Molkerei-Käsereisektor soll ein mit zwei Jahren befristeter und mit 200 Millionen Schilling dotierter Struktur- und Sozialfonds die Einsicht in die Notwendigkeit unterstützen.

Mit der vorliegenden Reform der Marktordnung hat die Landwirtschaft dokumentiert, wie ernst sie die Gebote des Wegs in den europäischen Binnenmarkt nimmt, die beiden Regierungsparteien haben bewiesen, daß es auch ohne Theater zu konsequenten Lösungen kommen kann: Es bleibt abzuwarten, ob das Beispiel Schule macht!

Der Autor ist Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft.

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