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Erfrorene Hände

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„Recht geschieht meiner Mutter, wenn ich an meinen Händen friere. Warum kauft sie mir keine Handschuhe?“

Eine solche Mentalität wäre das letzte, das wir im Moment in Österreich brauchen könnten. Auch für Regierungsgegner ist die triste Situation in Österreich kein Grund zur Freude. Denn die Österreicher, nicht die Regierung, frieren an den Händen.

Ea^Csfäse- also Kooperation „aut möglichst breiter Ba&s das Gebot der Stunde. Bedauerlicherweise zeigt gerade die Regierung wenig Interesse, breiten Konsens zu suchen, sondern sie ist intensiv bemüht — wie früher die gute Konjunktur, so nun auch die schlechte — für Parteipropaganda und gesellschaftspolitische Manöver zu gebrauchen; sie versucht mit falschen Mitteln — und daher dementsprechend erfolglos — die Konjunktur anzukurbeln, bemüht sich mit sehr problematischen, statistischen Tricks den Eindruck zu erwecken, mit der Wirtschaft sei alles in bester Ordnung, und wer etwas anderes sage, sei ein „Krankjamme-rer“.

Nun, das — gewiß nicht regierungsfeindliche — Institut für Wirtschaftsforschung gehört bestimmt nicht zu den Krank jammerern — aber der Macht der Fakten kann es sich nicht verschließen. Und die Fakten sind:

Im März war die Industrieproduktion um 11,5 Prozent geringer als im Vergleichsmonat des Vorjahres. An der Feststellung, daß es nun — zum ersten Mal seit vielen Jahren — zu absoluten Produktionsrückgängen gekommen ist (der einstigen sozialistischen Opposition galten schon verringerte Zuwachsraten als „Rezession“), ändert auch nichts die Tatsache, daß der diesjährige März weniger Arbeitstage als der vorjährige hatte, weil Ostern heuer in den März fiel, 1974 hingegen in den April gefallen war. Auch arbeitstägig bereinigt, war die Industrieproduktion um 7,5 Prozent geringer.

Die Rückwirkung auf die Beschäftigungssituation blieb nicht aus. Die Zahl der voll vermittlungsgeeigneten Arbeitsuchenden war im April um 21.800 höher als ein Jahr vorher — und dies, obwohl die Zahl der Gastarbeiter um 31.000 in der Berichtsperiode und um 63.000 gegenüber dem Maximum im November 1973 zurückgegangen ist.

Der Export war im März real um 13,5 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahresmonat gesunken, der Import hingegen nur um 8 Prozent. Nominal ist die Relation umgekehrt — dies deshalb, weil die Exportpreise um 10,1 Prozent angestie-

gen sind, die Importpreise hingegen nur um 1,1 Prozent. Diese Entwicklung zeigt ganz deutlich, wie wenig heute das Gerede von der importierten Inflation den Tatsachen entspricht, wie sehr im Gegenteil der Preisauftrieb „home made“ ist. Während sich nämlich importseitig die Abschwächung des internationalen Preisauftriebs — speziell auf den Rohmaterialmärkten — unübersehbar macht, hält die Preisauftriebstendenz in. Österreich unvermindert an, ja hat, sich Sogar noch intensiviert. Was dies in nächster Zeit für die internationale Konkurrenzposition und damit für den ohnehin angeschlagenen österreichischen Export bedeuten muß, läßt sich sogar an den zehn Fingern ausrechnen.

Während aber von der internationalen Konjunktur in absehbarer Zeit noch keine Auftriebstendenzen zu erwarten sind, haben auch die groß

plakatierten internen Konjunkturbelebungsmaßnahmen — übrigens erwartungsgemäß für die meisten Experten — nicht das gehalten, was die Regierung der Bevölkerung und angeblich auch sich davon versprochen hat. Der „Konsumstoß“, welchen man von dem kombinierten Effekt überdimensionierter Lohnerhöhungen und der Steuer-„Senkung“ erhoffte, ist ausgeblieben, beziehungsweise dort, wo er eingetreten ist, ging er in die falsche Richtung. Der Import von PKW war im März 1975 um 20 Prozent höher als ein Jahr vorher, derjenige von Bekleidung — bei gleichzeitig stagnierender inländischer Bekleidungsindustrie — um 25,5 Prozent. Nach Meldungen der Reisebüros verzeichnen die Buchungen für Auslandsreisen im Sommer Rekordhöhen. Von dieser Form des Konsumstoßes wird kein inländischer Arbeitsloser etwas haben.

Dennoch beharren Regierung und Gewerkschaften auf der bisher eingeschlagenen falschen Konjunkturpolitik. Geld, welches die Regierung gar nicht hat, sondern hauptsächlich zu ungünstigen Konditionen im Ausland aufnimmt, wird — noch dazu vorwiegend an falscher Stelle — in die Wirtschaft gepumpt, und übermäßige, daher inflationsverstärken-de, die Konkurrenzposition der Wirtschaft verschlechternde und damit die Arbeitsplätze gefährdende Lohnforderungen werden weiterhin— unberührt von der Konjunktursituation — vorangetrieben. Die Stundenlöhne der Industriearbeiter sind um 22,3 Prozent gestiegen. Und das in Zeiten einer tragenden Inflation, eines stagnierenden Exports und einer lawinenmäßig anwachsenden Staatsschuld.

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