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Ergebnis der Politik Hitlers

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Im folgenden dokumentiert die FURCHE das Gespräch zwischen Doktor Emest Žabkaj (Ankläger) und Doktor Anton Rašų (Verteidiger) in demslowakischen TV-Film:

ANTON RAŠU: Hitler hat dieses Land benötigt. Sein Ziel war Rußland. Und die Slowakei lag auf dem Weg. Es ist sehr typisch, daß die Frage des Verfalls der tschechoslowakischen Republik zum Hauptpunkt der Anklage wurde. Einer der Ankläger, der die Anklageschrift gegen Tiso vorbereitet hatte, riet dem Präsidenten Be-nesch, die Anklage auf diese Weise zu führen. Das beweist die These, die ich vertrete.

ERNEST ŽABKAJ: Der tschechoslowakische Geheimdienst hat von der geplanten Teilung des Landes elf Tage davor erfahren. Viele Mitarbeiter aus dem Kreis um Beran wollten daran nicht glauben. Der Agent Paul Timel - „A 54“ - hat am 3. März erklärt, daß ein Zeichen der Teilung die Selbständigkeitserklärung der Slowakei sein wird; abei; unter Leitung des Deutschen Reiches.

RAŠU: Am 12. März ist Tiso nach Berlin geflogen und hat mit Hitler gesprochen. Dabei hat ihm der „Führer“ gesagt: „Solltet ihr das Land nicht für unabhängigerklären, werde ich euch aufteilen und einen großen Teil Ihres Landes werden die Ungarn bekommen.“ Das war ein enormer Druck, Tiso konnte es nicht abschlagen, so mußte er den selbständigen slowakischen Staat ausrufen.

ŽABKAJ: Das Gerücht» daß die Slowakische Republik auf Wunsch der Slowaken entstanden ist, entspricht nicht der Wahrheit. Denn es gab dabei keine Volksbefragung. Die Abgeordneten, die darüber entschieden haben, sagten, daß sie sich zu dieser Zeit unter Tisos Einfluß befanden, der sie aufgefordert habe, gemeinsam mit ihm die unabhängige Slowakische Republik auszurufen. Daraus kann man klar ersehen, daß dieser Staat das Ergebnis der Politik Hitlers war.

Tiso hat im Kampf um die Unabhängigkeit verschiedene Methoden angewendet. 1928 ist er der Regierung beigetreten, 1936 hat er Be-nesch entlassen und seine Gelübde nicht erfüllt. Einer der wichtigsten Entschlüsse des slowakischen Staates war die Lösung der Judenfrage. Nach dem Treffen Tisos mit Hitler im Jahre 1942 mußte auch der Slowakische Staat diese Frage lösen. v

RAŠU: Wir müssen bedenken, daß die Slowakei an Deutschland grenzte und die Judenfrage daher irgendwie lösen mußte. Die Lösung der Judenfrage hatte auch soziale Aspekte.

ŽABKAJ: Die Last der Schuld bezieht sich vor allem auf die Rassengesetze, das heißt, daß man einen Teil der slowakischen Bevölkerung für minderwertig erklärt hat. Und das alles hat in der Zeit der Zweiten Slowakischen Republik begonnen. Und man kann nicht sagen, daß alles nur auf Druck Hitlers geschehen ist.

Das, was man nach der Erklärung der Judengesetze gemacht hat, war eine logische Folge. Das war offizielle Politik dieses Regimes. Tiso war dabei der politische Haupttäter. Diese Regierung hat später selbst zugegeben, daß die schärfsten Judengesetze die slowakischen waren. Die Deutschen selbst haben mit Tiso über diese Gesetze verhandelt. Bei den Gesprächen mit den Deutschen über die Ausarbeitung dieser Gesetze war Tiso sehr erfolgreich und hat immer eine die Deutschen zufriedenstellende Meinung geäußert.

RAŠU: Man hat aus der Slowakei 60.000 Juden deportiert. Und vor kurzem hat die slowakische Regierung deswegen die jüdische Gemeinschaft um Verzeihung gebeten. Es ist interessant, was Tiso in dieser Frage getan hat. Er war bemüht, dieses Gesetz nur minimal anzuwenden.

ŽABKAJ: Die Meinung Tisos zur Judenfrage war klar. Bei einer Ansprache in Holice hat er erklärt, daß es christlich sei, alles zu vernichten, was einem schadet.

RAŠU: Mit dieser Feststellung in Holice hat Tiso auch der Judendeportation zugestimmt, aber ich habe ihn verteidigt, weil er bei den radikalen Kräften in der Slowakei und in Deutschland als Verteidiger der Juden galt.

ŽABKAJ: Zwei slowakischen Juden ist die Flucht aus Auschwitz gelungen. Sie haben dann in die Slowakei Unterlagen mitgebracht, die bezeugen, daß in Auschwitz Juden umgebracht wurden. Diese Dokumente haben dann der päpstliche Nuntius und Tiso bekommen. Als man beim Prozeß Tisos diese Unterlagen mit seiner Unterschrift und dem Vermerk „ad acta“ dem Angeklagten vorlegte, meinte er nur, er könne sich daran nicht mehr erinnern.

RAŠŲ: Es istTatsache, daß nicht nur Tiso, sondern auch andere Politiker diese Dokumente für Propaganda gehalten haben, weil das alles so absurd erschien, was man mit den Juden in den polnischen Lagern gemacht hat.

ŽABKAJ: Im Vatikan gibt es Unterlagen, aus denen ersichtlich wird, daß man Tiso im Vatikan für diese Judenpolitik verantwortlich gemacht hat.

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