6871112-1978_24_05.jpg
Digital In Arbeit

Erhard Buseks Credo

Werbung
Werbung
Werbung

„Wir brauchen, behaupte ich, nicht mehr Fachleute, sondern mehr Laien. Max Frisch sagt im gleichen Zusammenhang, daß ein Laie ein Mann sei, der sich in seine eigenen Angelegen-'heiten einmischt. In diesem Sinne glaube ich, daß wir bei der Fehlentwicklung unserer Städte nicht so ohneweiteres nur den Fachleuten und den Technikern, den Architekten und den Stadtplanem,, den Soziologen und Psychologen Vorwürfe machen dürfen. Die Laien <M die Bürger - haben sich zuwenig eingemischt.“

Oder:

„Der Stadtbürger wird zum Dauerläufer zwischen Wohnort und Kultur-, Kauf-, Erholungs-, Sport-, Bildungs-, Jugend-, Alten-, Pfarr- usw. -Zentrum! .. .Was kann auf diesem Gebiet geschehen?“

Oder:

„Wir müssen unsere Autos auch irgendwo abstellen. Darum stehen sie heute in vielen Fällen auf den Gehsteigen oder - wie man früher sagte - Bür-

gersteigen. Heute sind es Autosteige, weil das Garagierungsproblem ungelöst ist.“ Oder:

„Wir verfügen heute über eine große Gruppe gutausgebildeter Menschen, die in Wien wohnen, vielleicht aber

noch nicht in jenem Ausmaß zu Hause sind, wie es unsere Stadt braucht.“

Erhard Busek, Obmann der Wiener ÖVP, hat bei Molden Lesenswertes über seine Heimatstadt Wien, die in seinen Augen nicht nur bei der kommenden Wahl ein „bürgerliches Credo“ wert ist, zu Papier gebracht. Wohltuend ist bei Busek zuerst einmal, daß man, wenn man sein Buch zur Hand nimmt, nicht gleich zu zweifeln beginnt, ob er es wohl selbst geschrieben hat: Sein Stil und seine Erlebnisse sind sehr persönlich - und das ist gut so.

Von früheren Wien-Äußerungen aus

den Reihen der Volkspartei (am meisten kritisiert: „Diese Stadt ist krank“) heben sich Buseks lebendige Erzählungen entschieden ab: Wenn Wien auch nach dem Zusammenbruch der Monarchie seiner Identität nicht mehr sicher war, wenn auch für viele große

Wiener die Straßen aus Wien wohl hinaus- aber nicht mehr zurückführten, so stellt Wien für die heute in der Stadt lebende Generation eine ungeheure Herausforderung dar: Eine konservative Herausforderung, die aber durch gezieltes „Bewahren“ unglaubliche Fortschritte verspricht.

Durch das Bewahren etwa tausender alter Häuser, die mehr sind als nur Alternative zu den gesichtslosen Betonlandschaften am Stadtrand.

Seine grundsätzlichen Überlegungen zu Wien verknüpft Busek in un-

aufdringlicher Art mit Erlebnissen an bestimmten Orten der Stadt. Jeder theoretische Gedanke wird zur greifbaren Realität: Wie ein junger Tischler sein Altstadthäuschen selbst saniert, wie sich da und dort Hausgemeinschaften spontan herausbilden, wie verordnete Kommunikation in den großen Siedlungen einfach nicht funktioniert.

Mit der Rathaus-Bürokratie wird freilich hart ins Gericht gegangen, was aber angesichts interessanter Stimmen selbst aus dem sozialistischen Lager (Egon Matzner) nur recht und billig ist. Entscheidende Tendenzwenden in der Stadt- und Verkehrsplanung haben sich in Wien noch nicht herumgesprochen. Und dennoch weiß der Leser: Es ist wert in Wien zu leben.

WIEN - EIN BÜRGERLICHES CREDO, von Erhard Busek, Verlag Fritz Molden, 240 Seiten, öS 198,-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung