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Erinnerung an Gilbert Schlichter
Der Beginn unserer Freundschaft war ungewöhnlich. Ich hörte im Radio ein Schubert-Impromptu, kurz nach dem Beginn, es faszinierte mich, ich dachte an Gulda, nach dem Klang war er es aber nicht. Rudolf Buchbinder war damals - es ist lange her - noch nicht soweit; ich riet leidenschaftlich: Wer ist das? Es war besser als ich's von Backhaus im Ohr hatte, ich konnte mir keinen Zeitgenossen vorstellen, dessen Schubert so stimmte wie Mozart bei Karl Böhm stimmte. Ich wartete gespannt - und es war Gilbert Schuchter.
Ich kannte ihn ganz flüchtig, wie man als Wiener, der oft in Salzburg ist, die Dortigen kennt. Ich rief ihn sofort an, und seither waren wir befreundet. Wir sahen einander oft, wir hatten immer Gesprächsstoff; ich erfuhr, daß er das gesamte Klavierwerk Schuberts auf Platten eingespielt hatte. Leider ist die Schallplatten-,.Szene“ nicht derart, daß man mit einem derartigen Unternehmen zu den Leuten dringen könnte, aber es ist gut, daß es diese Serien gibt. (Er hat dann auch das Klavierwerk Mozarts eingespielt) Ich habe die Probe gemacht und konnte diese Serien in Westdeutschland in einem Plattenladen auf Bestellung beziehen.
Ich würde gerne jene, die diese Zeilen lesen, auf Schüchtere Schubert und Schüchtere Mozart hinweisen. Im Radio kann man's gelegentlich hören. Er ist kein Pianist gewesen, kein Interpret, ihm gelang das größte Kunststück: er spielte das, was in den Noten steht, so, wie man's innerlich hört, wenn man dran denkt
Bis in sein Alter hatte er die Züge eines erwachsen gewordenen Jünglings. Er war Vater einer großen Familie und von zwei Kindern, die zum Theater gingen, kann ich bestätigen, daß sie mehr als wohlgeraten sind: die Tochter Gabriele, der Sohn Georg. Die Goethe-Stiftung, Basel, hat ihm den Wo Ifang-Amadeus-Mozart-Preis verliehen. Mozart und Schubert haben ihm viel zu danken.
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