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Erlaß gegen Geldgier

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FURCHE: Im Zusammenhang mit der Fristenlösung wird ein Problem immer augenscheinlicher: die allseits verurteilte Geschäftemacherei mit der Abtreibung. Herr Gesundheitsminister Solcher: Ist Empörung die einzige Gegenwehr?

MINISTER SALCHER: Ich verurteile auch die Geschäftemacherei mit der Not der Frauen. Daher muß man einige Überlegungen anstellen, wie man diese Geschäfte unterbindet.

FURCHE: Zum Beispiel?

SALCHER: Erstens ist das Werbeverbot (Anm. d. Red.: 9 Ärztegesetz) gesetzlich fixiert. Eine Wiener Ärztin, die gegen dieses Werbeverbot verstößt und in der Bundesrepublik Deutschland Patientinnen anwirbt, ist bereits in großen Schwierigkeiten. Das könnte sich dahingehend auswirken, daß sie ihre Berechtigung zur Berufsausübung auf1 Zeit oder auf Dauer verliert.

FURCHE: Das ist ein konkreter Einzelfall. Es geht aber doch ebenso um die generelle Problematik.

SALCHER: Im Ärztegesetz gibt es eine Bestimmung, daß der Gesundheitsminister über Vorschlag des Vorstandes der österreichischen Ärztekammer Richtlinien für die Vergütung ärztlicher Leistungen im Verordnungsweg erlassen könnte. Sollte also der Vorstand der Ärztekammer einen solchen Vorschlag zur Einschränkung der Preisgestaltung für Schwangerschaftsabbrüche machen, würde ich unverzüglich handeln. Aber ich bin heute auf einen derartigen Vorschlag angewiesen.

In der Novelle zum Ärztegesetz, wie sie jetzt in meinem Ministerium erarbeitet wird, werde ich das Verfahren umdrehen, damit es nicht so aussieht, daß ich nach einer Ausrede suche: Ich möchte nach Anhören der Ärztekammer solche Richtlinien erlassen dürfen.

Etwas Drittes liegt dann allerdings auf einer grnz anderen Ebene: Ich kenne aus Tirol die Situation, wo Frauen in schweren Notsituationen auch keine Möglichkeit haben, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Weil auch in indizierten Fällen diese Möglichkeit nicht besteht, sind diese Frauen darauf angewiesen, sich in andere Bundesländer vermitteln zu lassen. Und da fallen sie dann unter Umständen in die Hände von sehr geldgierigen Geschäftemachern.

Da müßte man sich doch, wenn man eine entsprechende Abteilung in einem Krankenhaus leitet, überlegen, ob man nicht doch - vor allem auch aus Gewissensgründen - zumindest in indizierten Fällen einen Schwangerschaftsabbruch durchführt. Auch das könnte - wenn das auch vielleicht in diesem Zusammenhang unappetitlich klingt-das Angebot für Geschäftemacher verringern.

FURCHE: Zurück zum Paragraph 14 des Ärztegesetzes und der Möglichkeit einer - sagen wir - Preisverordnung, um Geldgier und Provi-sionsgeschäften einen etwas wirksameren Riegel vorzuschieben: Werden Sie mit der Ärztekammer diesbezügliche Gespräche aufnehmen?

SALCHER: Ich habe mir das sehr gut überlegt und es bisher nicht getan, weil ich in diesem Zusammenhang auch Vorstellungen anderer Honorarfestlegungen in Extremfällen hätte. Der Fall Mihaela Radauer (FURCHE 27/80) wird aber Anlaß sein, demnächst mit dem Präsidenten der österreichischen Ärztekammer darüber zu reden. Da haben sich Abgründe aufgetan, da muß man einfach handeln. Mir wäre natürlich lieber, wenn die Ärztekammer von sich aus gegen solche Außenseiter etwas unternähme und mir durch einen Vorschlag die Möglichkeit zur Erlassung einer Vergütungsrichtlinie gäbe.

FURCHE: Ist das als konkrete Einladung an die Ärztekammer zu verstehen?

SALCHER: Ich lade nie über eine Zeitung ein. Aber ich verfüge über einen so guten Draht in die Ärztekammer, daß ich sicher bin, wir werden da sehr offen und kollegial miteinander reden.

FURCHE: Dozent Hermann Neugebauer. Chef der Wiener Ärztekammer, meinte kürzlich, Schwangerschaftsabbrüche sollten kostenlos -also auf Krankenschein - durchgeführt werden. Wäre das für Sie eine Alternative?

SALCHER: Ich glaube, daß man alles tun soll, damit aus Schwangerschaftsabbrüchen kein Geschäft gemacht werden kann. Nur wäre es allzu einfach, wenn man einen Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein machte und damit diese Leistung als

Leistung der Krankenbehandlung festlegte ...

FURCHE: Die sie ja nicht ist.

SALCHER: Nicht nur das. Zusätzlich würde man die Sozialversicherung belasten, die ohnehin mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Ich kann mich aus diesen Gründen nicht mit diesem Vorschlag anfreunden. Im übrigen ist aber der Vorstoß von Präsident Neugebauer sehr beachtenswert, geht doch auch er davon aus, daß dem Vorwurf, Ärzte möchten mit Schwangerschaftsabbrüchen Geschäfte machen, wirksam begegnet werden muß. Und wenn er anstelle dieses Vorschlages meiner Anregung entsprechen könnte, dann wäre das ein gemeinsamer Schritt, den ich sehr begrüßen würde.

FURCHE: Noch kurz eine grundsätzliche Frage in diesem Zusammenhang: Heute stehen wir doch vor dem Problem, daß trotz flankierender Maßnahmen und Wohlstand, dessen Grenzen wir diskutieren, soziale Motive zu Sch wangerschaftsabbrüchen führen. Heißt der Ausweg nur: noch mehr Wohlstand?

SALCHER: Es wäre eine Schande für einen Sozialstaat wie Österreich, wenn die soziale Indikation nicht auf längere Sicht ausgeschlossen werden könnte. Wir müssen alles tun, um Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden. Wer das sagt, wird auch bereit sein müssen, einer sehr umfassenden Aktion über Familienplanung das Wort zu reden.

FURCHE: Und eine solche planen Sie?

SALCHER: Da muß ich auf etwas hinweisen: Es gibt ein Kontaktkomitee zwischen der katholischen Kirche und der SPÖ. Da wurden diese Fragen andiskutiert. Ich werde in weiterer Folge mit Vertretern dieser Delegation reden, um etwas in diesem Bereich gemeinsam zu unternehmen.

FURCHE: Sehen Sie Chancen für eine.gemeinsame Aktion?

SALCHER: Ich sehe die Möglichkeit - und das ist schon sehr viel -, mit Vertretern der Kirche darüber zu sprechen. Das heißt aber noch nicht, daß diese Gespräche einen Erfolg haben werden. Aber wenn man das mit der Zeit vor drei oder vier Jahren vergleicht, ist das schon ein Fortschritt. Wenn das Gespräch dazu dient, eine Vertrauensbasis und damit eine Basis für gemeinsame Aktivitäten zu schaffen, dann kommen wieder einmal, um mit einem Tiroler Wort zu schließen, beim Reden die Leuf z'samm.

Mit Gesundheitsminister Herbert Salcher

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