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Erneuert diese Jugend die Welt ?

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Um den Frieden bemühen sich so viele, aber solange wir uns weigern, unser Leben zu verlieren, werden wir kein friedliches Leben kennenlernen" — das waren die Worte des polnischen Erzbischofs Primas Jozef Glemp als Gast bei der Eröffnungsveranstaltung des 87. Deutschen Katholikentages im Düsseldorfer Hofgarten.

Mit der in deutscher Sprache von Tonband gespielten Botschaft Papst Johannes Paul II. über den notwendigen Einsatz der Christen für die Welt und dem fol-

genden zwanglosen Abend der Begegnung war der Auftakt für die vom 1. bis 5. September dauernde Veranstaltung mit dem Thema „Kehrt um und glaubt — erneuert die Welt" gegeben.

Zwischen täglich 80.000 und 120.000 Teilnehmer aus dem In-und Ausland, rund 60 Prozent von ihnen unter 30 Jahre alt, besuchten Gesprächsforen und Podiumdiskussionen, Jugend-, Arbeiter- und Altenzentrum, Frauen- und Familientreffs, Friedenswerkstatt, das Zelt der Bistümer oder Spiel- und Mach-mit-Aktionen, die Halle der Weltkirche war ebenso Anziehungspunkt wie die Katholikentagskirche und die Pfarrgemeinden der Stadt mit vielfältigem Programmangebot.

Die verwirrende Vielfalt zwang einen, persönliche Schwerpunkte zu setzen. Der Hang der Planungsverantwortlichen — „deutsche Gründlichkeit" wenn man will — Kirche in ihren politischen, religiösen, sozialen, kulturellen Dimensionen darzustellen, gemeinsam den Rosenkranz meditieren und miteinander deutsche Geschichte nach 1945 bewältigen zu wollen, erzeugt die starke Ausrichtung auf das Wort, die den Gedanken an das Fest, das ein Kath-lolikentag neben einer Bestandsauf nähme ja wohl auch sein sollte, in den Hintergrund treten ließ.

Oder rechtfertigt gerade diese Form der Selbstdarstellung in einer konsumorientierten Öffentlichkeit den hohen Einsatz an Mühe und Mitteln? Ist die fast rätsel-

„Das Friedensthema war jedenfalls einer der inhaltlichen Schwerpunkte für die jungen Menschen."

hafte hohe Attraktivität des Katholikentages für Jugendliche — fast ein Viertel der Teilnehmer ist unter 18 — ein ausreichendes Motiv für eine in jeder Hinsicht so aufwendige Veranstaltung?

Selbst unter Berücksichtigung der größeren Mobilität Jugendlicher im Umgang mit ihrer freien Zeit ist der hohe Stellenwert eines solchen Erlebens von Gemeinschaft nicht leicht nachvollziehbar, ist der Gedanke an die wohlige Ausstrahlungskraft einer neuen Art von Nestwärme, unabhängig von religiösen oder ideologischen Inhalten, nicht von der Hand zu weisen.

Ein Teil dieser Jugend — etwa 1200 -, im Bund der Deutschen Katholischen Jugend organisiert und im Friedenscamp am Stadtrand stationiert, rief zu einem 'Schweigemarsch für Frieden und Gerechtigkeit auf, an dem insgesamt 7000 Menschen teilnahmen.

Einen anderen Teil der Jugend freilich repräsentierten die etwa 5000 Teilnehmer einer Schiffsprozession am Rhein zur Schwarzen Madonna von Benrath, die die Hinführung der Jugendlichen zu Maria zum Ziel hatte. Eine von der Arbeitsgemeinschaft Mariä-nischer Vereinigungen initiierte Rosenkranzaktion der Jugend (Rosenkränze sollen selbst geknüpft, gebetet und dann verschenkt werden) fand überaus großen Zuspruch.

Das Friedensthema war jedenfalls einer der inhaltlichen Schwerpunkte für die jungen

Menschen: eine durchgängige Friedenswerkstatt mit intensiver Diskussion friedenspolitischer Fragen — den Forderungen nach vollständiger Abrüstung und den Vorleistungen dazu sowie der BRD-Bündnispolitik und deren ethischen und theologischen Implikationen war beispielsweise sowohl von den Podiums- wie auch von den Publikumsdisku-tanten her stark emotionell geprägt.

So fanden unter dem Motto „Hunger und Durst nach Gerechtigkeit" die Ausführungen des Erzbischofs von Sao Paulo, Kardinal Evaristo Arns, ungefähr 3000 meist jugendliche Zuhörer. Arns betonte bei seinem Eintreten für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit auch gegenüber der ökonomischen Macht internationaler Konzerne die friedlichen Wege.

Das Düsseldorfer Rheinstadion war dann auch Schauplatz einer abendlichen Großkundgebung zum Thema „Den Frieden stiften" mit Reden von Oppositionsführer Helmut Kohl und Bundeskanzler Helmut Schmidt zu diesem Thema.

Helmut Kohl forderte: „Als Christen wissen wir jedoch, daß die Friedenshoffnungen sich erst mit der Wiederkunft des Erlösers erfüllen werden. Wer sich nicht selbst aufgeben will, muß deshalb das Recht zur Selbstverteidigung haben und sich hierauf vorbereiten."

Helmut Schmidt stellte ein Zitat Kardinal Königs, an die Spitze seiner Ausführungen: „Wir reden von Sicherheit, aber wir meinen unsere Sicherheit, wir reden von Abrüstung und meinen die Abrüstung der anderen. Aber die Sicherheit ist immer auch die Sicherheit des anderen, und die Abrüstung ist immer auch unsere eigene Abrüstung."

Wie Kohl trat auch er für die Legitimität des bewaffneten Widerstandes ein, für den die Regierenden Verantwortung tragen. Transparente mit Aufschriften wie „Mut zum ersten Schritt", „Ist euer Gott die Bombe?" oder „Frieden schaffen ohne Waffen", die Jugendliche vor und während der beiden Politikerreden entfalteten oder wortlos an passender Stelle emporhielten, aber auch lautstarke Pfeifkonzerte waren die verhältnismäßig sanft geratenen Reaktionen der Jugendlichen.

Kardinal Joseph Höffner, Vor-

sitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Erzbischof von Köln, hatte vorher den „Frieden, wie ihn die Welt nicht geben kann — Frieden, wie ihn die Welt braucht" umschrieben. Vor allem durch den Einbezug des nicht bloß innerweltlichen Horizontes ljege unsere .Zukunft in den Hän-r den Gottes —als Geschenk Gottes müsse er stets von seiner Barmherzigkeit erbeten werden.

Und der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und bayrische Kultusminister Hans Maier sagte unter anderem über die Friedensaufgabe deutscher Katholiken: „Keine Nation darf eine andere völlig in Acht und Bann tun und sie aus der Gesellschaft der Staaten und der Gemeinschaft der Völker ausstoßen wollen. So werden sachliche und politische Gegensätze nur unnötig verschärft und legitime Auseinandersetzungen zu Feindschaft und Unversöhnlichkeit gesteigert."

Da fanden fünf Jugendliche, die

persönlichen Friedensdienst leisten im freiwilligen sozialen Jahr, im Zivildienst, als Entwicklungshelfer, bei Caritas oder im Maxi-müian-Kolbe-Werk, sowie ein Bundeswehrdiener mit ihren Statements größere Zustimmung.

Kam ein großer Teil der Katholikentagsteilnehmer aus dem inneren Kern des Katholischen, so bot die Initiative „Kirche von unten"—zugkräftiger Slogan „Kehrt um! Entrüstet euch!" den Randständigen, den Unorthodoxen und Abweichlern in Lehre und Leben ein Forum des Gesprächs, der Information und des geselligen Beisammenseins.

Neben Veranstaltungen zur Wirtschaftsordnung, zu Lateinamerika, zu Christentum und Sozialismus, für das Recht der Gemeinde auf Eucharistie, über Instandbesetzungen, Kirche und Rüstung, Sexualität und Homosexualität, Frau und Kirche, Menschenrechte und Kirche gab es Meditation ebenso wie Kunst für den Frieden, Gruppenarbeit zu Bibeltexten sowie eine Friedens-„Demo".

Zwei Pfarrgemeinden Düsseldorfs boten diesen Veranstaltungen außerhalb des offiziellen Katholikentages Asyl — und das im wahrsten Sinn des Wortes, kampierten die Jugendlichen doch im Wiesengelände rundum und vermittelten so den Eindruck eines zwanglosen Ubergangs zur „grünen" Alternativbewegung.

Die Hilflosigkeit des offiziellen Katholikentages gegenüber

nichtkonformen engagierten Gruppen und Einzelpersonen mag ein Vorfall illustrieren: Als der engagierte' Münsteraner Theologe Johann Baptist Metz in einem Referat unter anderem eine Reform des Bischofsamtes propagierte, wegen der Länge des Referates aber die vorgesehene Diskussion mit Kardinal Joseph Höffner unterbleiben mußte, führte dies zu turbulenten gegenseitigen Anschuldigungen und Mißinterpretation. (Metz versteht sich als „Grenzgänger" zwischen jener „Kirche von unten" und der offiziellen Kirche!)

Hoffentlich wird sich Österreichs Katholikentag im Jahr 1983 — im barocken Wien — jedenfalls auch hinsichtlich seiner Offenheit für alle Gruppen und nicht nur durch seine stärkere Akzentuierung des „Schauspiels" von der Düsseldorfer Veranstaltung unterscheiden!

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