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Erneuerung von innen

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Die Dorferneuerung hilft ideell und materiell mit, daß kirchliche Denkmäler erhalten werden. Kaum ein Dorferneuerungsort, wo nicht ein Bildstock, ein Wegkreuz, eine 1 Kapelle, eine Kirche, renoviert wird.

Die Kleindenkmäler sind untrenn- bar mit unserer Landschaft ver- bunden, die Kirchen untrennbar mit den Dörfern.

In den vergangenen Jahren ist ein positiver Trend in der Einstellung der Bevölkerung zur Erhaltung der christlichen Denkmäler festzustel- len.

Die Menschen packen wieder an. Vereine organisieren Marterlak- tionen und restaurieren unter fach- licher Anleitung unsere Denkmäler in Feld und Flur. Immer öfter sieht man frisch gekalkte Bildstöcke in den Feldern leuchten. Ja sogar neue Bildstöcke, Kreuze und Kapellen entstehen und zeigen, daß man sich wieder auf die alten Blickpunkte in unserer Kulturlandschaft besinnt.

Im September 1989 wurden in der Gemeinde Windigsteig die neue Wallfahrtskapelle Maria Rafing geweiht, in Zitternberg bei Gars am Kamp entstand eine neue Ka- pelle, in Katzelsdorf bei Wiener Neustadt wurde als Dank für die gelungene Ortsbildgestaltung der Heiligen Barbara ein Kleindenk- mal errichtet und in Rastenfeld

entstand eine architektonisch bemerkenswerte Aufbahrungs- halle. Und solche Beispiele des Wiederbekenntnisses zum Glauben gibt es noch viel mehr.

Die Dorferneuerung hilft mit, die alten Fundamente der Kirche zu suchen, zu finden und auszugra- ben. Dies ist nicht nur im über- tragenen Sinn gemeint, sondern ganz wörtlich. In der Weinviertier Gemeinde Schrattenthal wurden im Zuge der Dorferneuerung die Fun- damente der alten Kirche neben der heutigen gefunden. In Zusam- menarbeit mit dem Bundes- denkmalamt wurden der Grundriß der historischen Kirche sichtbar in Form von unterschiedlichen Pfla- sterungen erhalten. Das Beten des schmerzensreichen Rosenkranzes wurde wiederbelebt und vor weni- gen Wochen wurden zwei neue Glocken geweiht.

Das Bekenntnis zu den christli- chen Denkmälern und die Bemü- hungen um deren Erhaltung könn- te zu einem neuen Bekenntnis zum Glauben führen. Die Erneuerung der Kirchen könnte zu einer Er- neuerung der Kirche selbst führen. Dazu gehört aber ein offenes Herz und das Beseitigen von Grenzen. Denn so wie das Dorf nicht an der Ortstafel aufhört, hört auch die Kirche nicht an der Kirchentüre auf.

Ziel aller Bemühungen im Rah- men der Erneuerung der Dörfer ist nicht so sehr, daß das Dorf schöner wird. Das Ziel ist, daß jeder aus seinen vier Wän- den hervor- kommt, seine Scheuklappen ablegt und einen Blick über den eigenen Zaun wagt.

Das Paradies (auf Erden als auch im Dorf) wird nicht in den äußeren Er- scheinungen und in den Dingen verwirklicht, sondern in den Menschen, in ihrem Denken und Handeln und in der Be- ziehung, die sie zueinahder und zu ihrem

Lebensraum haben.

Was jeder Dorfbewohner zu diesem Ziel beitragen kann, ist, sich zu fra- gen, wie gut sein Verhältnis zu jedem einzelnen im Dorf ist und wie eng sein Leben mit dem Leben im Dorf verknüpft ist. Er soll darüberhin- aus seine Ein- stellung zu sei- nem Heimatort, dessen Ge- schichte, Orts- bild, Landschaft und Umwelt überdenken.

Alle sollen mittun, ja müs- sen, Pfarrer, Priester, Pasto- ralassistenten, Religionslehrer, Pfarrge- meinderäte,

Katholische Frauenbewegung, Männerbewegung, Arbeitnehmer- bewegung, Katholische Jugend und andere Laienorganisationen, denn Dorferneuerung ist ein zutiefst christliches Anliegen.

Zu viele Verunsicherungen sind bereits über die Bewohner her- eingebrochen: zuerst Straßen bau- en - dann zurückbauen; früher Flüsse fesseln - jetzt befreien; einst Bäume fällen - nun wieder pflan- zen. Was Not tut ist eine klare Orien- tierung mit deutlichen Zielen. Vor- rang des Lebensbereiches vor dem

Produktionsbereich, Vorrang im- materieller Faktoren vor materiel- len Faktoren, grünes Licht für Langfristigkeit und Ganzheitlich- keit und Rotlicht für kurzfristige Effekte.

Eine derartige Ideologie vermag Basis zu sein für eine neue Dorf- kultur, für eine Kultur der be- wahrenden Progressivität. Be- wahren meint die Pflege traditio- neller Werte wie Glaube, Familie, Treue zur Heimat und positive Einstellung zu allem Lebendigen. Werte also, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mehr und mehr ins Hintertreffen geraten sind. In der Dorferneuerung ist jeder willkommen mitzutun, egal von wo er kommt, welchen Beruf er ausübt, zu welcher Religion er sich bekennt.

Die Dorferneuerungsmitarbeiter setzen sich mit viel Engagement ein. Manche sogar mit missionari- schem Eifer. Wir müssen jedoch aufpassen, daß wir nicht zwangs- beglücken und wie Sekten, die glau- ben, die einzige Wahrheit für sich zu besitzen, das Umdenken mit

Gewalt herbeizuführen. Gerade die christliche Einstellung ist hier ge- eignet, einen Weg des Mittelmaßes zu gehen und auf jener Basis aufzu- bauen, die letztlich zum Erfolg führt.

Die Aufbruchstimmung, welche unsere Aktion im ländlichen Raum erzeugt hat, zeigt, daß die Men- schen wieder zuversichtlich wer- den. Dorferneuerung gibt Hoffnung und Zuversicht und stärkt das Vertrauen auf die eigenen Kräfte im Dorf. Zum Unterschied zur Kirche, die auch Hoffnung und Zuversicht gibt, jedoch die Kraft- quelle nicht in sich selbst, sondern in Christus und Gott sieht.

Die ungeheure Lebenskraft, die in den Menschen steckt und die ihnen geholfen hat, die schwierig- sten Situationen der Vergangenheit zu bewältigen, kann nicht „von oben" verordnet werden. Diese Ausgangskraft steckt in den Dör- fern und Märkten, in den Dorfge- meinschaften, in den Menschen der Dörfer.

Die Dorferneuerung darf nicht im Äußerlichen stecken bleiben, auf sichtbarer Ebene ablaufen, Gebäu- de erneuern, Plätze gestalten und Bäume pflanzen. Die stille, die unsichtbare, die innere ist noch wichtiger als die laute, sichtbare und äußere Dorferneuerung. Eine echte Erneuerung kann nur eine Erneuerung der Herzen sein, eine Änderung der inneren Haltung, eine Erneuerung aus der christlichen Glaubensquelle.

Wir haben am Beginn der nie- derösterreichischen Dorferneue- rung in jedem Landesviertel einen Modellort, eine Modellgemeinde ausgewählt, um an und mit ihnen die Aktion der Erneuerung zu er- proben. Seit 1988 gibt es auch schon ein „Ökodorf", Eschenau, welches zu einem Musterort ökologischen Handelns und Wirkens werden soll.

Auch wenn sie nicht ausdrück- lich als Modelldörfer bezeichnet werden, gibt es doch eine große Zahl von Orten, welche bestimmte Pro- bleme haben, die durch besondere Anstrengung gelöst werden sollen. In dem einen ist es die Frage der Abwasserbeseitigung, in dem an- deren die Müllentsorgung, viele kümmern sich um die Natur im und um das Dorf. Der breite ganzheitli- che Aspekt kommt hier zum Aus- druck.

Die Gesundheit ist uns ein be- sonderes Anliegen. So gibt es neu- erdings das „Gesunde Dorf", wie die Gemeinde Straß im Straßertal.

Ich frage mich, wo gibt es ei- gentlich das „Christliche Modell- dorf", wo gibt es das „Gläubige Dorf", wo sich ein Ort dazu be- kennt, noch christlich zu sein? Oder ist ohnehin jedes Dorf christlich, weil das äußere Zeichen, die Kirche noch steht, sei sie nun baufällig oder nicht? Es wäre schön, wenn sich ein Ort melden würde, der sich zum Ziel setzt, eine christliche Erneuerung des einzelnen in der Dorfgemeinschaft anzustreben.

Der Autor ist Leiter der NÖ-Landesgeschäfts- stelle für Dorferneuerung.

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