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„Erregend neu“

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„Kreisky — wer denn sonst?“ — mit diesem Slogan wollte die SPÖ in den Wahlkampf ziehen. Er sollte die Allmacht eines Mannes in seiner Partei, in der Bundesregierung, im politischen Leben Österreichs dokumentieren. Das Plakatporträt Kreiskys war geknipst, die Sujets gewählt, die Druckaufträge unter Dach und Fach. Der tragische Tod von Karl Schleinzer und die Wahl von Josef Taus zum Bundesparteiobmann und von Erhard Busek zum Generalsekretär der österreichischen Volkspartei haben die Wahlkampfstrategen vor allem in der SPÖ aufgescheucht. Prompt hieß es, daß keine Änderung der Wahl-kampflinie notwendig sei, doch wer nur in den letzten Tagen die „Arbeiter-Zeitung“ las, mußte merken, wie unkonzentriert das Organ der Regierungspartei auf die Vorgänge der jüngsten Zeit reagierte. Da war von „Bedingungen“, die Taus stellte, ebenso die Rede wie von einer ersten Niederlage bei der Wahl seines Generalsekretärs. Bruno Kreisky hielt sich in ersten Bemerkungen über die Qualitäten und über das persönliche Verhältnis zwischen ihm und Josef Taus sichtlich zurück, konnte es sich aber nicht verkneifen, der „Kronen-Zeitung“ gegenüber Ästzustellen, daß man ja nie wisse, wie lange es Taus gerade in der Politik halte. Ihm, Kreisky, sei „jeder Bundesparteiobmann der ÖVP recht“.

Wollte die SPÖ tatsächlich in der ersten Septemberwoche ein Plakat mit dem fragenden Slogan „Kreisky — wer denn sonst?“, placieren, so müßte sie sich ohne Zweifel den Vorwurf gefallen lassen, Wahlwerbung auf die arrogant-präpotente Tour zu betreiben. Überdies könnte dieser Plakattext erst recht einen Underdog-Effekt für Josef Taus auslösen, dem ja ein Gutteil der Bevölkerung tatsächlich zutraut, das bessere Verständnis für wirtschaftliche Probleme und ihre Lösung zu haben. Freilich sollte der „Banker“ dabei das Bedürfnis unterdrücken, besonders leutselig-leger über die TV-Schirme ans Wählervolk zu gelangen. In seinem ersten ORF-Auftritt nach seiner Designierung zum Bundesparteiobmann' der Österreichischen Volkspartei spürte man hier noch wenig Stil, mehr Nervosität als Profil. Aber schon einen Tag später wirkte Taus so kühl und beherrscht, wie das die Wechselwählermasse der kleinen und mittleren Angestellten von einem Bankgeneraldirektor erwarten darf.

Es ist anzunehmen, daß die Volkspartei am Tag der Wahl Taus' zum Bundesparteiobmann, am außerordentlichen Bundesparteitag vom 31. Juli, bereits das Konterfei ihres neuen Heroen prompt auf Dreiecksständern affichieren wird. Eine solche Aktion würde den zehntau-senden Funktionären und Mitarbeitern der Volkspartei den Neubeginn mit Josef Taus signalisieren und zugleich dazu beitragen, den Wahl-werbevorsprung der SPÖ stark zu minimieren. Die Frage des Bekannt-heitsgrades von Josef Taus ist ohnedies kein sonderlich wichtiges Problem, weil konzentrierte Werbung Traumsätze von über 95 Prozent bereits in weniger als zwanzig Tagen erreichen kann. Man sah das am Beispiel des Innsbrucker Bürgermeisters Lugger, dessen Be-kanntheitsgrad innerhalb von wenigen Tagen verdoppelt wurde. Darüber hinaus verschafften der tragische Tod Karl Schleinzers, die prompte Kür des neuen Parteiobmanns, der Bundesparteitag, die ersten Statements von Taus der österreichischen Volkspartei ein Px-esse-echo, das sie auch in ihren besten Tagen nicht hatte. Alles, was die Volkspartei in den letzten Tagen anfaßte, geriet „erregend neu“ und das ist in der politischen Werbung ebenso wichtig wie in der Produktwerbung.

In der Volkspartei herrschen noch unterschiedliche Auffassungen über die Werbewirksamkeit ihres neuen Obmanns. Es wäre sicherlich problematisch, die Persönlichkeit von Josef Taus für die Werbung neu aufzubereiten, nur deshalb, weil man glaubt, daß „Volkstümlichkeit“

ein Garant für den Wahlsieg sei. Der verstorbene Karl Schleinzer kam in der Öffentlichkeit nie so gut an wie in den letzten Monaten vor seinem tragischen Tod und das nur deshalb, weil er sein konnte, wie er war:

ernst, seriös, gradlinig. Darin unterschied er sich von Bundeskanzler Kreisky, darin war er unverwechselbar.

Die werblichen Attribute eines Josef Taus liegen in seinem Sachverständnis, in seiner Fähigkeit, komplizierte Probleme recht einfach darzustellen, in seiner Glaubwürdigkeit, auch in seiner Jugend und schließlich darin, daß er für. weite Teile der Bevölkerung ein unbeschriebenes Blatt ist. Das „erregend Neue“ an Taus ist die Wirkung auf intellektuelle Randschichten, die sich von der ÖVP bisher nicht angesprochen gefühlt haben.

Auf diese eminent wichtige Gruppe, die letztlich auf Cocktails und in den Couloirs Meinung macht, ist auch die Wirkung des neuen Generalsekretärs abgestellt. Es ist nicht auszuschließen, daß die Wechselwähler des liberalen Lagers nun in beiden Persönlichkeiten „neue Götter“ gefunden haben.

Darin liegt die große Gefahr für Kreiskys SPÖ und die tatsächlich einmalige Chance für die Volkspartei eines Josef Taus. Man sollte doch in diesem Zusammenhang .nur bedenken, daß in Kreisen der SPÖ ernsthaft überlegt wird, die „Aktion kritischer Wähler“ wieder einzustellen.

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