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Erst Ringtausch, dann Ringkampf?

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„Es sieht so aus, als ließen wir die Leute einfahren”, kommentiert ein Pfarrer die- derzeitige kirchliche Ehevorbereitung. Reformbestrebungen sind aber bereits in vollem Gange.

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„Es sieht so aus, als ließen wir die Leute einfahren”, kommentiert ein Pfarrer die- derzeitige kirchliche Ehevorbereitung. Reformbestrebungen sind aber bereits in vollem Gange.

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Unter den Bestimmungen des neuen Kirchenrechts betreffen auch einige den Dienst, den die Kirche dem einzelnen und der Gesellschaft durch die von ihr angebotene Ehevorbereitung leistet. Österreichs Bischöfe haben sich mit den pastoralen Forderungen befaßt, die sich aus diesen neuen Bestimmungen ergeben, die ständig steigende Zahl von Scheidungen macht solche Überlegungen besonders dringlich. Wie hilfreich kann nun tatsächlich die in allen österreichischen Diözesen bindend vorgeschriebene kirchliche Ehevorbereitung für junge Paare sein?

Bei der Anmeldung zur kirchlichen Trauung werden dem Brautpaar Angebote von einem Nachmittag oder einem Abend bis zu einwöchigen Intensivkursen angeboten, die zentral an einem Ort (auf dem Land) oder schwerpunktmäßig verteilt (in der Stadt) abgehalten werden. Dabei halten ein Arzt, ein Ehepaar und ein Theologe — auch Laientheologe - kurze Einführungsreferate, dann wird zumeist in Kleingruppen diskutiert, geredet. Nach Absolvierung dieser Ehevorbereitung führt der zuständige Pfarrer mit dem Paar noch ein sogenanntes Brautgespräch, in dem jedenfalls auch die Voraussetzungen der rechtlichen Gültigkeit dieser Ehe und der Ablauf der Trauung beinhaltet sein müssen.

Die in der Ehevorbereitung tätigen Laienmitarbeiter sind diöze-san unterschiedlich in theologischer und psychologischer Hinsicht dafür ausgebildet worden, teilnehmerorientierte Vermittlung ist eine wesentliche Forderung. Von Ausnahmefällen abgesehen haben Priester dafür keine Spezialausbildung, sowohl während des Studiums wie auch in der Fortbildung hängt dies mit mangelndem Angebot und Arbeitsüberlastung zusammen. Gerade in der Fortbildung müßte aber — so Josef Petrik, der Präsident des für die Ausbildung der Laien verantwortlichen Katholischen Familienwerks Österreichs — der Familienpastoral verstärkte Aufmerksamkeit zukommen, „weil gerade ältere Priester in ihrer Ausbildung noch ein ganz anderes Bild der Familie vermittelt erhielten”.

In der Einschätzung, daß eine etwa dreistündige Ehevorbereitung der Vielschichtigkeit der Probleme heutigen Ehe- und Familienlebens keinesfalls gerecht werden kann, treffen sich Laienmitarbeiter und Ausbildungsverantwortliche. Die Verpflichtung zur Teilnahme an einer ganztägigen Veranstaltung der kirchlichen Ehevorbereitung wird angestrebt. Traude Naderer, seit achtzehn Jahren Ehefrau, Mutter zweier Töchter: „Das Ehesakrament wird in Okkasion vergeben. Es genügt die Teünahme an einer dreistündigen Vorbereitung. Wenn die Ehe aber schiefgeht, leiden nicht nur die zwei, sondern meist mehr Personen. Eine Katastrophe tritt aber dann ein, wenn ein Partner aus einer gescheiterten Ehe eine Wiederverheiratung anstrebt. Dann verhängt die Kirche mit aller Härte ihre rechtlichen Sanktionen.”

Der eher großzügige Umgang mit den Zulassungsvoraussetzungen, einander das Sakrament der Ehe zu spenden, kontrastiert tat-

„Der Idealfall wäre die Begleitung des Brautpaares durch ein Ehepaar” sächlich erheblich mit der Un-nachgiebigkeit gegenüber denjenigen, deren eheliches Scheitern ihren Ausschluß unter anderem vom Empfang der Eucharistie begründet.

„Es sieht so aus, als ließen wir die Leute einfahren”, umreißt De-chant Hans Schinner, zuständig für den 14. Wiener Bezirk, drastisch die Situation. Und verweist auf die wesentlich längerdauernde und aufwendigere Vorbereitung für Erstkommunion oder Firmung.

Ist aber nicht zu befürchten, daß eine- nur in Österreich - bindend vorgeschriebene Ehevorbereitung im Ausmaß eines ganzen Tages zum Verzicht auf eine kirchliche Eheschließung überhaupt führen könnte? Die Praktiker sehen darin keine „Gefahr”. Dechant Schinner verweist auf die im Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio” von Johannes Paul II. gestellten hohen Anforderungen an die kirchliche Ehevorbereitung, aber auch deren Relativierung:

„Obgleich die verpflichtende Notwendigkeit einer solchen unmittelbaren Ehevorbereitung nicht unterbewertet werden darf —und das würde sicher geschehen, wenn man allzu leicht davon befreien würde—, so muß doch diese Vorbereitung immer in solcher Weise empfohlen und durchgeführt werden, daß ihr eventuelles Fehlen kein Hindernis für die Trauung darstellt”. (66)

Schinners Meinung nach ist es überaus schwierig, sich in einem kurzen Gespräch ein Bild vom tatsächlichen Glauben der Brautleute zu machen, Respekt vor den Lebenserfahrungen der einzelnen („Wissen wir wirklich immer alles besser?”) und Beistand zum Gelingen dieser Beziehung sollten im Vordergrund stehen. Im Gegensatz zu der Befürchtung, daß bei erhöhten Anforderungen hinsichtlich der Ehevorbereitung die Zahl der kirchlichen Eheschließungen sinken könnte, hat Dechant Schinner die Erfahrung, daß Brautpaaren die kirchliche Ehe-

Schließung vorläufig „auszureden” fast nicht gelingt.

Seitens der Zentralstelle Familienwerk will man solche Befürchtungen mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit ausräumen, und im Fall eines Trauungsaufschubes für eine entsprechende Begleitung bis hin zu einer kirchlichen Eheschließung sorgen. „Der Idealfall wäre es, wenn in der Pfarre selbst ein Ehepaar das Brautpaar begleiten würde. Dies gilt übrigens auch für die normale Ehevorbereitung”, meint Josef Petrik.

Immer mehr Bedeutung müßte nach Meinung der Verantwortlichen der entfernteren Ehevorbereitung zukommen, also der Vorbereitung Jugendlicher auf eine künftige Partnerschaft überhaupt, sei es im Religionsunterricht, sei es in der Jugendarbeit. Schon vor der Entscheidung für einen bestimmten Partner sollten Fähigkeiten für einen partnerschaftlichen Lebensstil, für die gemeinsame Lösung von Konflikten vermittelt werden.

Wie steht es um die ebenfalls verstärkt geforderte Ehebegleitung durch die Kirche? Die dafür angebotenen Veranstaltungen setzen Paare voraus, die freiwillig, geprägt von einer Haltung des Unterwegs-Seins, ihre Beziehung den Lebensphasen entsprechend weiterentwickeln wollen. Josef Petrik verweist auf Seminare im Rahmen der katholischen Erwachsenenbildung, die die Einübung partnerschaftlichen Verhaltens anbieten. Darüber hinaus seien die in den letzten Jahrzehnten entstandenen pfarrlichen Eherunden eine Art permanenter Ehebegleitung, in denen persönliches Gespräch, Austausch von Problemen und Erfahrungen in vielen Fällen möglich seien.

Für das Gelingen einer Ehe sind außer Zuneigung, gutem Willen und Gottes Hilfe noch manch andere persönliche Voraussetzungen und Fähigkeiten notwendig, die zu erlernen und einzuüben je-dermann/jedefrau sich nicht scheuen sollte. Den Beitrag der Kirche dafür auszubauen, wäre eine überaus wünschenswerte seelsorgliche Initiative.

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