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Erst Verbündeter, jetzt Erzfeind

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Die gleichgeschalteten Medien in Kroatien haben einen neuen Erzfeind ausgemacht: Seit Tagen bringen die Zeitungen Horrorgeschichten über „moslemische Horden", die in Zentralbosnien den „Genozid" gegen das kroatische Volk eingeleitet haben sollen.

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Die gleichgeschalteten Medien in Kroatien haben einen neuen Erzfeind ausgemacht: Seit Tagen bringen die Zeitungen Horrorgeschichten über „moslemische Horden", die in Zentralbosnien den „Genozid" gegen das kroatische Volk eingeleitet haben sollen.

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Selbst die regierungsnahe Tageszeitung „Vjesnik" scheut nicht vor Schlagzeilen wie „Moslems in den Fußstapfen serbischer Schlächter" zurück. In seitenlangen „Reportagen" glaubt „Vjesnik" beweisen zu können, daß in der Region Vitez moslemische Soldaten in den letzten Tagen unzählige Massaker an kroatischen Zivilisten verübten. Ganz verschwiegen wird in kroatischen Medien, daß die UNO der kroatischen Seite die Hauptverantwortung für den Ausbruch der erbitterten Kämpfe in Zentralbosnien zuschreibt. Keine Erwähnung finden auch Korrespondentenberichte vor allem britischer Journalisten, die im Dorf Santici, unweit von Vitez, Augenzeugen grausamer Massaker an Moslems wurden.

Ins gleiche Horn bläst seit neuestem auch die in Split erscheinende „Slobodna Dalmacija". Dieser Zeitung eilte bis vor kurzem der Ruf voraus, das einzige wirklich unabhängige Informationsmedium im gleichgeschalteten kroatischen Blätterwald zu sein. Nun will man auch da in Erfahrung gebracht haben, daß es in Sarajewo einen Pakt zwischen hohen Militärs und serbischen Generälen geben soll - eine Allianz, um Kroaten zu vertreiben und zu ermorden. Dabei ist es ein offenes Geheimnis: die mehrheitlich moslemisch bewohnte Region um Vitez wollen die Kroaten ihrem selbstproklamierten Staat „Herzeg-Bosna" einverleiben, um so in den Besitz zweier großer Wasserkraftwerke zu gelangen, die derzeit Sarajewo mit Strom beliefern, nicht aber Mostar und das kroatische Hinterland der Adriastadt Dubrovnik. Moslemische Verbände kippten nämlich im März mehrere .Hochspannungsmasten, die bis dahin Strom in die Nachbarrepublik Kroatien lieferten.

Vor allem der selbsternannte „Präsident" von „Herzeg-Bosna", Mate Boban, macht schon lange kein Hehl mehr daraus, daß er sich ein Zusammenleben mit den „fundamentalistischen Moslems", wie er sie pejorativ nannte, nicht mehr vorstellen könne. Es sei Pflicht jedes aufrichtigen Kroaten, für sein „kroatisches Heimatland von Herzeg-Bosna in den Kampf zu ziehen", um dem Unheil eines „islamischen Gottesstaates" zu entkommen.

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