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Erstaunlich vif

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Lange Zeit meinte die Wissenschaft, das neugeborene Kind sei nur ein Bündel von angeborenen Reflexen ohne Bewußtsein und Wahrnehmungsfähigkeit, das alles Wichtige erst lernen müsse.

Die verstärkte Erforschung des vorgeburtlichen Lebens in den letzten 30 Jahren hat diesbezüglich erstaunliche neue Einsichten gebracht: „Neugeborene können sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen, verfügen über alle fünf Sinne und können sie auch gebrauchen. Sie sind denkfähig und intelligent, besitzen Gedächtnis und sind selbst zu abstrakten Denkleistungen imstande“, liest man im Heft der „Aktion Leben“.

Gleich nach der Geburt suchen Kinder das Gesicht und den Blick der Mutter. Ist diese nicht zu sehen, drehen sie ihren Kopf in die Richtung, aus der ihre Stimme kommt. Versuche, bei denen Neugeborenen über Kopfhörer verschiedene Stimmen vorgespielt werden, lassen erkennen wie gut sie unterscheiden können: Das heftigste Schnullersaugen löst je-weüs die Stimme der eigenen Mutter aus. Auch ihren Geruch kennt das Kind spätestens am fünften Lebenstag.

Wieso haben sie all diese Fähigkeiten? Weil Kinder schon im Mutterleib für Informationen aufnahmefähig sind und ihre geistigen Fähigkeiten üben. Das bestätigen Psychotherapeuten, die mit verschiedenen Methoden frühere Erlebnisse des Menschen zu erfassen versuchen. Und bei manchen Menschen gelingt es, nachprüfbar richtige vorgeburtliche Erfahrungen zu heben.

Wie intensiv solche Erinnerungen sind, wird auch hormonell beeinflußt: Streßhormone fixieren Ereignisse in der Erinnerung, während Oxytocin (das eine wichtige Rolle bei der Geburt spielt) Erinnerungen eher löscht. Die Hormonsituation der Mutter ist für ihr Kind also wichtig.

Schon Ende des zweiten Schwangerschaftsmonats ist der kindliche Geschmackssinn ausgebildet: Setzt man dem Fruchtwasser Bitterstoffe zu, trinkt das Ungeborene weniger davon. Noch früher aber ist der Tastsinn entwickelt: Ab der sechsten Woche beobachtet man Reaktionen auf Außenreize. Berührt man das Kind bei einer Untersuchung mit einer Sonde etwa am Kopf, zieht es diesen zurück.

Früh übt es auch seine Mimik: „Das Kind kann die Stirne runzeln und Grimassen schneiden, gähnen und sein Gesicht zu einem Schrei verziehen.“

Tief eingeprägt ist der Herzschlag der Mutter:“ Weinende Neugeborene beruhigen sich, wenn man ihnen den ruhigen Pulsschlag der Mutter vorspielt, weinen jedoch noch mehr, wenn sie einen raschen mütterlichen Herzschlag zu hören bekommen.

Wegen dieser ausgeprägten Wahrnehmungsfähigkeit ist es nicht einerlei, was das Kind vor der Geburt erlebt: Eine positive Einstellung der Mutter zu ihrer Schwangerschaft, ein streßarmes Leben und eine ruhige Umgebung sind gute Voraussetzungen.

Und die Väter? Ist ihr Verhalten nebensächlich? Durchaus nicht, denn sie beeinflussen ja die Einstellung der werdenden Mutter und sind damit für das Wohlergehen ihres Kindes mitverantwortlich.

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