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Erwachsenenbildung mit Heimvorteil

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„Bildungsheime sind Einrichtungen der allgemeinen außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung, die gekennzeichnet sind durch:

•kontinuierliche Planung und Durchführung von Lehrgängen, Seminaren, Kursen, Tagungen und sonstigen Veranstaltungen von kürzerer und längerer Dauer zu personalen, gesellschaftlichen und beruflichen Bereichen;

•Kommunikation im gemeinsamen Leben, Lehren und Lernen im Heim;

•hauptberufliche und eigenständige pädagogische Leitung.

Diese Kennzeichnung des Wesens der Bildungsheime im Statut der Arbeitsgemeinschaft der Bildungsheime Österreichs zeigt die Besonderheit der Heime gegenüber anderen Formen der sozio-kulturellen Erwachsenenbildung: Während Bildungswerke und Volkshochschulen vor allem Abendveranstaltungen durchführen, liegt der Schwerpunkt der Heime bei ein- bis mehrtägigen Veranstaltungen. Manche der Kurse dauern bis zu vier Wochen.

Die Teilnehmer wohnen und essen und verbringen auch ihre Freizeit im Heim. Intensive Kommunikation ist möglich, die Leminhalte werden in spontanen Kleingruppen während der Freizeit noch weiter besprochen. Durch das gemeinsame Leben im Heim werden soziale Verhaltensweisen - oft unbewußt - intemalisiert, der Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden wird enger, die vielen Barrieren zwischen den Menschen werden überbrückt, jeder wird Lernender und Lehrender.

Die Geschlossenheit und die besondere Atmosphäre eines Bildungsheimes fördert die Bereitschaft, Neues aufzynehmen und zu verarbeiten, ins eigene Leben einzubauen und für sich und die Gemeinschaft fruchtbar werden zu lassen.

Bildungsheime haben die Chance, über einen rein kognitiven Ansatz im Bildungsgeschehen hinauszugehen und alle Bereiche des Menschen anzusprechen: sein Gemüt, seinen Willen, seine Kreativität, seine Mitmenschlichkeit.

Bildungsheime sind Teil der allgemeinen Erwachsenenbildung. Sie streben ein breites sozio-kulturelles Bildungsangebot an. Zentrum ist die lebensbegleitende Bildung (Jugendbildung, Ehevorbereitung, ehebegleitende Bildung, Eltembildung, Altenbildung, Bildung für die einzelnen jeweils neuen Phasen des menschlichen Lebens, für die die Schule noch keine Lebenshilfen geben kann). Soziale und politische Bildung, religiösethische Bildung, kulturelle Bildung (besonders die Weckung und Förderung der Kreativität) und die Aufschließung der Erkenntnisse der modernen Wissenschaften sind einige wesentliche Sparten des Bildungsangebots der Heime.

Darüber hinaus aber sind die Bildungsheime auch Zentren der Erwachsenenbildung einer Region; sie sind in Ausstattung, Inhalt und Methoden Anregung und Vorbild für regionale Bildungszentren und für die örtlichen Bildungswerke. Sie können auch Kulturzentren für einen großen Umkreis sein.

Durch die längeren Bildungsveranstaltungen müssen die Teilnehmer viel Freizeit (da es noch keinen Bildungsurlaub gibt!), aber auch viel Geld für Fahrt, Unterkunft und Verpflegung investieren. Die Heime können die Kosten nur in geringem Maß übernehmen. Den Abgang der Heime müssen die Träger (Kirche oder kirchliche Institutionen, Kammern, Vereine, aber auch Länder) bezahlen.

Besonders die Kirche investiert hier sehr viel Geld, um die Tageskosten so zu gestalten, daß alle Bevölkerungsschichten sich auch mehrtägigen Aufenthalt im Bildungsheim leisten können.

Der Staat und die Länder geben vergleichsweise geringe Subventionen. So betrugen die Ausgaben 1978 von allen 22 Heimen 84,1 Millionen Schilling. Davon bezahlten 52% die Teilnehmer, 43,3% die Träger und nur 4,6% waren Subventionen seitens Bund und Ländern. (In der Bundesrepublik Deutschland zahlen einige Länder bis zu 80% der Kosten!)

Die Heime verfügen aus finanziellen Gründen über zu wenig pädagogische Kräfte. Auch hier zeigt ein Vergleich mit ähnlichen Heimen in der Bundesrepublik Deutschland, daß dort etwa zwei- bis dreimal so viele hauptberufliche Assistenten mitarbeiten wie in einem Heim mit gleicher Größe in Österreich. Die Länder zahlen dort „lebende Subventionen“.

Es wäre zu hoffen, daß in der Zeit des Lehrerüberschusses auch in Österreich von den Ländern solche lebende Subventionen gewährt werden. Lehrer, die seit Jahren in der Erwachsenenbildung mitarbeiten, könnten vollberuflich in diese umsteigen und dadurch jungen Lehrern Platz machen.

Große Geldmittel müssen auch für die Erhaltung der Häuser und deren ständig notwendige Ausgestaltung und Anpassung an die modernen Anforderungen der Erwachsenenbildung und die Bedürfnisse der Teilnehmer aufgewendet werden. Auch hier liegt die alleinige Last bei den Heimen und ihren Trägem.

Waren es bei der Gründung der Arbeitsgemeinschaft 1954 sieben Heime (in der Zwischenkriegszeit waren es überhaupt nur zwei), so sind es inzwischen 24 geworden. In allen Bundesländern besteht zumindest ein Bildungsheim. Insgesamt stehen etwa 1850 Betten zur Verfügung. Etwa 5000 Kursteilnehmer können gleichzeitig in den Heimen an Veranstaltungen teilnehmen. 1978 wurden an 6604 Veranstaltungen 221.755 Jugendliche, Männer und Frauen gezählt, die insgesamt 311.274 Teilnehmertage anwesend waren.

Die Bildungsheime wissen sich als einen integralen Teil im System der gesamten Erwachsenenbildung. Sie wollen ihren besonderen Part auch in Zukunft voll erfüllen und erhoffen sich dgzu von der Öffentlichkeit mehr Verständnis und mehr tatkräftige Hilfe als bisher. Sie hoffen, daß alle mithelfen, ein bildungsfreundlicheres Klima zu schaffen, in dem nicht nur berufliche Ausbildung und Umschulung gewertet werden, sondern die Gesamtbildung des Menschen, die Entfaltung aller seiner geistigen Kräfte und Anlagen im Mittelpunkt steht. Der Club of Rome hat vor kurzem diese Gesamtbildung als eine Grundvoraussetzung für das Überleben der Menschheit in den Gefährdungen der Zukunft besonders betont.

(Der Autor ist Direktor des Bildungsheimes St. Hippolyt in St. Pölten)

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