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Erwartung des Kommenden

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Nebenstehend ein Abschnitt aus Rahners Vortrag bei der zu seinem 80. Geburtstag veranstalteten Akademietagung am 117 12. Februar in Freiburg, zu welchem Anlaß auch DIE FURCHE schrieb (Nr. 9).

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Nebenstehend ein Abschnitt aus Rahners Vortrag bei der zu seinem 80. Geburtstag veranstalteten Akademietagung am 117 12. Februar in Freiburg, zu welchem Anlaß auch DIE FURCHE schrieb (Nr. 9).

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Der Theologe kann sich vielleicht ein wenig mit der Beobachtung trösten, daß den Naturwissenschaftlern selbst auch keine eindeutige Synthese gelingt zwischen dem, was sie als Naturwissenschaftler selber methodisch postulieren für ihre Arbeit, und dem, was sie über ihren naturwissenschaftlichen Monismus hinaus dennoch an sich selber insgeheim als Freiheit, Verantwortung und Frage über alles einzelne hinaus erfahren.

Wenn so der Theologe diese bitteren Erfahrungen seines Nichtwissens macht, dann könnte er, wenn er diese Erfahrung mutig und unbefangen annimmt, für die übrigen Wissenschaftler Beispiel und Antrieb sein, ihre Wissenschaften aus derselben Haltung der Bescheidenheit und Selbstbegrenzung zu betreiben, so daß die Spannungen zwischen den Wissenschaften zwar nicht nur nicht beseitigt, sondern, weil eingestanden, sogar verschärft sind, aber der unvermeidliche Streit der Wissenschaften untereinander und mit der Theologie doch umfaßt wäre von jenem Frieden, der unter denen herrschen kann, die alle, jeder in seiner Weise, das Geheimnis ahnen und erleiden, das wir Gott nennen.

Aber ich will noch von einer Erfahrung etwas zu sagen versuchen, von der- Erfahrung der Erwartung des „Kommenden".

Wenn wir als Christen das Ewige Leben bekennen, das uns zuteil werden soll, ist diese Erwartung des Kommenden zunächst keine besonders seltsame Sache. Gewöhnlich spricht man ja mit einem gewissen salbungsvollen Pathos über die Hoffnung des Ewigen Lebens und fern sei mir, so etwas zu tadeln, wenn es ehrlich gemeint ist. Aber mich selber überkommt es seltsam, wenn ich so reden höre. Mir will scheinen, daß die Vorstellungsschemen, mit denen man sich das Ewige Leben zu. verdeutlichen sucht, meist wenig zur radikalen Zäsur passen, die doch mit dem Tod gegeben ist.

Man denkt sich das Ewige Leben das man schon seltsam als „jenseitig" und „nach" dem Tod weitergehend bezeichnet, zu sehr ausstaffiert mit Wirklichkeiten, die uns hier vertraut sind als Weiterleben, als Begegnung mit denen, die uns hier nahe waren, als Freude und Friede, als Gastmahl und Jubel und all das als nie aufhörend und weitergehend. Ich fürchte, die radikale Unbegreiflichkeit dessen, was mit Ewigem Leben wirklich gemeint ist, wird verharmlost und was wir unmittelbare Gottesschau in diesem Ewigen Leben nennen, wird herabgestuft zu einer erfreulichen Beschäftigung neben anderen, die dieses Leben erfüllen; die unsagbare Ungeheuerlichkeit, daß die absolute Gottheit selber nackt und bloß in unsere enge Kreatür-lichkeit hineinstürzt, wird nicht echt wahrgenommen.

Ich gestehe, daß es mir eine quälende, nicht bewältigte Aufgabe des Theologen von heute zu sein scheint, ein besseres Vorstellungsmodell für dieses Ewige Leben zu entdecken, das diese genannten Verharmlosungen von vornherein ausschließt. Aber wie? Aber wie?

Wenn die Engel des Todes all den nichtigen Müll, den wir unsere Geschichte nennen, aus den Räumen unseres Geistes hinausgeschafft haben (obwohl natürlich die wahre Essenz der getanen Freiheit bleiben wird), wenn alle Sterne unserer Ideale, mit denen wir selber aus eigener Anmaßung den Himmel unserer Existenz drapiert hatten, verglüht und erloschen sind, wenn der Tod eine ungeheuerlich schweigende Leere errichtet hat, und wir diese glaubend und hoffend als unser wahres Wesen schweigend angenommen haben, wenn dann unser bisheriges, noch so langes Leben nur als eine einzige kurze Explosion unserer Freiheit erscheint, die uns wie in Zeitlupe gedehnt vorkam, eine Explosion, in der sich Frage in Antwort, Möglichkeit in Wirklichkeit, Zeit in Ewigkeit, angebotene in getane Freiheit umsetzte, und wenn sich dann in einem ungeheuren Schrecken eines unsagbaren Jubels zeigt, daß diese ungeheure schweigende Leere, die wir als Tod empfinden, in Wahrheit erfüllt ist von dem Urgeheim-nis, das wir Gott nennen, von seinem reinen Licht und seiner alles nehmenden und alles schenkenden Liebe, und wenn uns dann auch noch aus diesem weiselosen Geheimnis doch das Antlitz Jesu, des Gebenedeiten, erscheint und uns anblickt, und diese Konkretheit die göttliche Uberbietung all unserer wahren Annahme der Unbegreiflichkeit des weiselosen Gottes ist, dann, dann so ungefähr möchte ich nicht eigentlich beschreiben, was kommt, aber doch stammelnd andeuten, wie einer vorläufig das Kommende erwarten kann, indem er den Untergang des Todes selber schon als Aufgang dessen erfährt, was kommt.

Achtzig Jahre sind eine lange Zeit. Für jeden aber ist die Lebenszeit, die ihm zugemessen ist, der kurze Augenblick, in dem wird, was sein soll.

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