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Es begann mit Torricelli

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Die Ideen von Phantasten mögen sich zwar bisweilen „im luftlee- ren Raum“ bewegen, wenn aber die Wissenschaft von einem Vakuum spricht, ist dieser Begriff keineswegs, wie vielleicht der Laie anzunehmen geneigt ist, mit einem vollkommen „luftleeren“ Raum gleichzusetzen: „Selbst im Ultrahochvakuum, und man erreicht heute bereits ein Tau sendstel eines Billionstels des normalen Atmosphärendruckes, findet man in einem Kubikzentimeter Restgas noch mehr als 10.000 Moleküle“, erklärte Univ.Prof. Dr.Franz Viehböck, Vorstand des Institutes für Allgemeine Physik der Technischen Universität Wien, in einem Interview anläßlich des 7. Internationalen Vakuum-Kongresses, der zusammen mit der 3. Internationalen Konferenz über Festkörperoberflächen dieser Tage in der Wiener Hofburg stattfand. Veranstalter waren die österreichische Gesellschaft für Vakuumtechnik, die österreichische Studiengesellschaft für Atomenergie und die Technische Universität Wien. Unter den fast 1.500 Teilnehmern aus 40 Ländern zwei Nobelpreisträger, der Amerikaner Ro bert Schrieffer und der Japaner Leo Esaki. Das Interesse an der Veranstaltung war so groß, daß über 100 Wissenschaftler abgewiesen werden mußten.

Erstmals bei einer derartigen Konferenz konnten die insgesamt 720 wissenschaftlichen Beiträge bereits bei Tagungsbeginn, auf 2700 Seiten schriftlich fixiert, vorgelegt werden. Der Zeitverlust durch den mündli chen Vortrag ist dadurch vermehrter Möglichkeit zu gegenseitigem Gedankenaustausch gewichen.

Die Geschichte der Vakuumtechnik begann im 17. Jahrhundert mit dem Quecksilber-Barometer des Galilei- Schülers Torricelli. Um die gleiche Zeit führte Otto von Guericke seine berühmten „Magdeburger Halbkugeln“ - mit einer Kolbenpumpe luftleer gemachte Metallhalbkugeln — vor, die von 16 Pferden nicht ausein andergerissen werden konnten. Einen ersten großen Aufschwung nahm die Vakuumtechnik im 19. Jahrhundert, nicht zuletzt durch bahnbrechende Leistungen österreichischer Forscher, wie Ludwig Boltzmann, Josef Stefan, Joseph Loschmidt oder Robert von Lieben. Die Erfindung der Glühlampe, die Entdeckung der Röntgenstrahlen und die Anfänge der Nachrichtentechnik zeigten wichtige Anwendungsmöglichkeiten ihrer Forschungsergebnisse auf.

Den Bedarf an einem Vakuum, also an möglichst geringen Restbeständen von Gasen, begründet Professor Viehböck folgendermaßen: „Für eine Reihe von Grundlagenforschungen, aber auch etwa zum Aufdampfen hauchdünner Antireflexbeläge oder UV-Filter auf optische Geräte, benötigt man eine extrem saubere Unterlage. Selbst bei nur einem Milliardstel des Atmosphärendruckes wird die Oberfläche eines frischen Metallbru- ches in nur einer Sekunde mit zahlreichen Gasatomen überzogen und damit quasi verschmutzt.“ Damit ist die Brücke von der Vakuumtechnik zur Festkörperoberflächenforschung gezogen und die Verbindung der beiden Tagungen erklärt.

Auf die Praxis bezogen, ging es bei der Wiener Doppelkonferenz um Themen wie Lebensmittelkonservie rung, Herstellung und Anwendung von mikroelektronischen Bausteinen, Weltraumfahrt und allgemeine Energieprobleme. Im Detail befaßte man sich besonders mit reiner und angewandter Vakuumtechnik, Wechselwirkung von Strahlung mit Festkörperoberflächen, Produktion und Eigenschaften von ultradünnen Schichten - wie sie etwa bei Sonnenkollektoren benötigt werden -, chemisch-physikalischer Mikroanalyse von Festkörpern und Vakuummetallurgie.

Aus der Medizin ist die Vakuumtechnik bereits nicht mehr wegzudenken. Sie bietet zum Beispiel die Chance, Kurzzeitprozesse (etwa Muskelbewegungen) auf molekularer Ebene zu verfolgen oder die verbotene Verwendung von Pharmaka durch Sportler nachzuweisen. In Gerichtsmedizin und Präparationstechnik kommt ihr große Bedeutung zu. Etliche österreichische Industriezweige basieren auf der Vakuumtechnik.

Für die Zukunft erhofft man von Forschungen auf diesem Gebiet vor allem Lösungsmöglichkeiten für die Energieprobleme, sei es durch Kernfusion oder Sonnenzelten. Denn es hängen voraussichtlich Fortschritte bei der Nutzung beider Energiequellen von der raschen Entwicklung der Vakuumtechnik und der Festkörperoberflächenforschung ab. Daraus kann man ermessen, welche Bedeutung dem Wiener Treffen (und allen zukünftigen dieser Thematik) zukommt

Als 23. Band einer der breiteren Öffentlichkeit nahezu unbekannten, von den Eingeweihten freilich für äußerst wichtig gehaltenen Buchreihe erscheint die Biographie eines der breiten Öffentlichkeit nahezu unbekannten, von den Eingeweihten freilich für äußerst wichtig gehaltenen österreichischen Komponisten und Dirigenten. Wie Julius Bittner, wie Franz Schreker, ist auch Alexander Zemlinsky eiiter von jenen, die vor Hitler flüchten mußten, deren Namen zunächst aus dem Konzertbetrieb und, etwas langsamer vielleicht, aber um so unerbittlicher, aus den Gedächtnissen der Zeitgenossen verschwanden, deren Ruhm und Ruf mit ihren Verehrern dahinstarb, von denen die nachfolgenden Generationen nicht viel erfuhren.

Darum ist die Erarbeitung der ersten grcßen, . fundierten Zemlinsky-Biographie durch Horst Weber nicht nur musikhistorisch von Bedeutung, sondern auch ein Akt später Wiedergutmachung an einem österreichischen Künstler, der sich die Vergessenheit, in die er gestoßen wurde, nicht verdient hat. Wir veröffentlichen auf dieser Seite als Vorabdruck aus dem im Herbst erscheinenden Werk ein Kapitel über die Beziehungen zwischen Alexander Zemlinsky und Gustav Mahler. Der in Wien am 14. Oktober 1871 geborene Zemlinsky war nicht nur Komponist und Dirigent (wobei die Tätigkeit am Pult zeitweise im Vordergrund stand), er ist - musikhistorisch - vor allem auch als Lehrer von Arnold Schönberg von Bedeutung, war übrigens auch dessen Schwager (Schönberg war in erster Ehe mit einer Schwester Alexander Zemlinskys verheiratet).

Zemlinsky schrieb mehrere Opern „Kleider machen Leute" (1910) „Eine florentinische Tragödie" (1917), Der Zwerg“(1922) und „Der Kreidekreis“ (1933), eine „Lyrische Symphonie für Sopran, Bariton und Orchester“ (1923, nach Rabindranath Tagore), Orchester- und Kammermusik, er ging - nach Jahren erfolgreicher Tätigkeit in Prag und Berlin - in die USA und starb 1942 in Larchmont im Staat New York. Ein wenig hat der Steirische Herbst vor einigen Jahren Zemlinsky in? Gedächtnis zurückgerufen.

Der Verlag, der Zemlinsky der Vergessenheit entreißt, ist übrigens seinerseits viel zu wenig bekannt. Dies ist um so bedauerlicher, als dieser-organisatorisch mit dem österreichischen Bundesverlag eng verbundene - ambitionierte „Verlag Elisabeth Lafite“ eine kaum bedankte, aber außerordentlich wichtige Arbeit leistet: Dem Buch von Horst Weber sįnd bereits 22 Werke der Reihe „österreichische Komponisten des XX. Jahrhunderts" voraufgegangen, als letzte Bände „Marcel Rubin“ van Hartmut Kranes, „Anton Webern“ von Walter Kolneder, „Cesar Bresgen“ von Rudolf Lück und „Karl Schiske" von FURCHE-Mitarbeiter Karlheinz Roschitz,über seinen Lehrer schrieb Theodor W. Adorno den Band „Alban Berg“.

Finanzielle Unterstützung des Unterrichtsministeriums stellt die Fortführung des Werkes sicher, aber das Sollte doch kein Grund sein, diese außerordentlich wertvolle Buchreihe werblich so stiefmütterlich zu behandeln, wie es leider offenbar geschieht. Hier wird, in aller Stille, auf österreichische Art, ohne das geringste Aufhebens davon zu machen, eine Arbeit geleistet, deren Bedeutung und Qualität einfach nicht hoch genug eingeschätzt werden kann! H. B.

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